Neu-Land. Иван Тургенев

Neu-Land - Иван Тургенев


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Staunen über Boris Andreitsch. Er hat etwas etwas . . . von einem Volkstribun an sich.

      – C’est parce quil est orateur! – fiel Kallomeyzew mit Wärme auf französisch ein. – Ihr Mann besitzt die Gabe der Rede in einem Grade, wie Niemand, und dann ist er auch zu glänzen gewohnt . . . ses propres paroles le grisent . . . dazu kommt noch der Wunsch, populär zu werden . . . Er ist jetzt übrigens ein wenig erbittert, nicht wahr? Il boude? Eh?

      Frau Ssipjagin richtete ihre Augen auf Marianne.

      – Ich habe nichts bemerkt, – antwortete sie nach einer kleinen Pause.

      – Ja, – fuhr Kallomeyzew nachdenklich fort, – er ist zu Ostern übergangen worden . . .

      Valentine Michailowna wies mit ihrem Blick wieder auf Marianne.

      Lächelnd blinzelte Kallomeyzew mit den Augen: – »ich verstehe.«

      – Marianne Wikentjewna! – rief er plötzlich ohne äußere Nothwendigkeit recht laut uns: – werden Sie in diesem Jahre wieder in der Volksschule Unterricht ertheilen?

      Marianne wandte sich vom Vogel ab.

      – Und auch Dieses interessirt Sie, Ssemen Petrowitsch?

      – Natürlich; es interessirt mich sogar sehr.

      – Dieses würden Sie wohl nicht verbieten?

      – Den Nihilisten würde ich sogar verbieten, an die Schulen zu denken; aber unter Leitung und Beaufsichtigung der Geistlichkeit würde ich selbst Schulen in’s Leben rufen.

      – So! Ich weiß noch gar nicht, was ich in diesem Jahr thun werde. – Im vorigen Jahr ging Alles so schlecht. – Und was ist denn das im Sommer auch für ein Unterricht!

      Wenn Marianne sprach, pflegte sie allmählich zu erröthen, als falle ihr das Sprechen schwer, und als müsse sie sich zwingen, ihre Rede fortzusetzen. Es steckte noch viel Eigenliebe in ihr.

      – Du bist noch ungenügend vorbereitet? – fragte mit ironisch vibrirender Stimme Frau Ssipjagin.

      – Vielleicht.

      – Wie! – rief Kallomeyzew von Neuem aus. – Was höre ich!! O Götter! Um Bauernmädchen das Abc zu lehren, bedarf es der Vorbereitung!

      In diesem Augenblick kam Kolja mit dem Ausruf:– »Mama! Mama! Papa kommt!« gelaufen —, hinter ihm trat, auf ihren kleinen, dicken Füßen schwerfällig einherhumpelnd, eine greise Dame in einer Haube und mit einem gelben Shawl in’s Zimmer – und meldete gleichfalls, daß Borinka ankomme.

      Diese Dame war Anna Sacharowna, eine Tante Ssipjagins. – Alle Anwesenden sprangen von ihren Plätzen auf, begaben sich eiligst in’s Vorzimmer und stiegen dann die Treppe auf den Flur vor dem Hause hinab. Eine lange Allee beschnittener Tannenbäume führte vom großen Wege gerade zu diesem Flur; in der Allee rollte die von vier Pferden gezogene Kalesche bereits daher. – Valentine Michailowna schwenkte in erster Reihe stehend ihr Taschentuch, Kolja schrie laut jauchzend auf; mit geschickter Hand brachte der Kutscher die erhitzten Pferde plötzlich zum Stehen, der Diener flog pfeilschnell vom Bock herab und hätte beinahe die Thür der Kalesche sammt Hängen und Verschluß herausgerissen – und nun stieg Boris Andreitsch mit herablassendem Lächeln auf den Lippen, in den Augen, auf dem ganzen Gesicht, mit einer gewandten Bewegung der Schultern den Mantel abwerfend, aus der Kalesche. Rasch und anmuthsvoll umarmte Valentine Michailowna ihren Mann, worauf sich Beide drei Mal küßten. Kolja trampelte mit den Füßen und zupfte den Vater hinten am Rock . . . Dieser küßte jedoch zuerst, nachdem er die höchst unbequeme und formlose schottische Reisemütze vom Kopfe genommen, die Tante Anna Sacharowna, begrüßte darauf Marianne und Kallomeyzew, die gleichfalls auf den Flur hinausgetreten waren – Kallomeyzew in englischer Weise – shakehands – mit einem »Schwung« der Hand, als ob er die Glocke läute – und wandte sich dann erst zu seinem Sohn, den er emporhob und an seine Lippen zog.

      Während dies Alles vor sich ging, war Neshdanow ganz still, als wäre er sich einer Schuld bewußt, aus der Kalesche herausgekrochen und, ohne die Mütze abzunehmen, neben den Vorderrädern der Kalesche mit halb zu Boden gesenktem finsterem Blick stehen geblieben. . . Während Valentine Michailowna ihren Mann umarmte, hatte sie auf diese neue Gestalt über die Schulter des Mannes hinweg einen scharfen Blick geworfen; – Ssipjagin hatte es angekündigt, daß er einen Lehrer mitbringen werde.

      Nach der ersten Begrüßung des neu angekommenen Hausherrn begab sich die ganze Gesellschaft über die Treppe, auf welcher sich die Haupt-Diener und Dienerinnen zu beiden Seiten postirt hatten, nach oben. Diese unterließen es, sich ihrem Herrn zu nähern, um seine Hand zu küssen – diese »asiatische« Sitte war längst abgeschafft – sie verneigten sich blos mit Ehrerbietung; und auch Ssipjagin beantwortete ihren Gruß – mehr durch ein Zucken der Brauen und der Nase, als durch eine Bewegung des Kopfes.

      Neshdanow schritt gleichfalls die breite Treppe langsam hinan. Er war kaum in’s Vorzimmer getreten, als ihn Ssipjagin, der sich bereits nach ihm umgesehen hatte, auch sogleich seiner Frau, Anna Sacharowna und Mariannen vorstellte, zu Kolja aber sagte er: »Das ist Dein Lehrer, dem Du gehorchen mußt! Reich ihm die Hand!«

      – Kolja reichte Neshdanow schüchtern die Hand und hob dann das Auge zu ihm empor, da er aber, wie es schien, nichts Besonderes oder Anziehendes an ihm entdeckte, klammerte er sich wieder an seinen Vater. – Neshdanow fühlte sich höchst ungemüthlich, ganz so, wie damals im Theater. Er steckte in einem alten, ziemlich unansehnlichen Paletot, Gesicht und Hände waren mit Staub überzogen. – Valentine Michailowna hatte ihm irgend eine Liebenswürdigkeit gesagt; er hatte ihre Worte jedoch nicht recht gehört und hatte ihr auch nicht geantwortet, sondern nur bemerkt, daß sie auf ihren Mann mit besonders klaren und freundlichen Augen sah und sich an ihn schmiegte – Bei Kolja mißfiel ihm das frisirte glänzende Haar, als er Kallomeyzew erblickte, dachte er: »Diese abgeleckte Physiognomie!« – Die andern Personen aber ließ er ganz unbeachtet. Ssipjagin blickte zwei Mal, gleichsam seine Penaten musternd, würdevoll im Zimmer umher, wobei sein lang zugespitzter Backenbart und der kleine, etwas flache Hinterkopf besonders scharf hervortraten. – Darauf rief er einem von den Dienern mit starker, voller, von der Reise durchaus nicht ermüdeter Stimme zu: »Iwan! geleite den Herrn Lehrer in’s grüne Zimmer und trage auch den Koffer des Herrn dahin« – sagte darauf zu Neshdanow, daß er sich jetzt ausruhen, einrichten und des Reisestaubes entledigen könne – gespeist werde in seinem Hause genau um fünf Uhr. Neshdanow verneigte sich und folgte Iwan in das »grüne,« im zweiten Stock befindliche Zimmer.

      Die ganze Gesellschaft ging in’s Gastzimmer hinüber. Dort wurde die Begrüßung noch einmal wiederholt; es erschien auch eine greise, halbblinde Kinderwärterin, um ihren Herrn zu begrüßen. Dieser reichte Ssipjagin, aus Achtung vor ihrem Alter, die Hand zum Kusse und ging dann, nachdem er sich bei Kallomeyzew entschuldigt, von seiner Frau begleitet, in’s Schlafzimmer.

      Siebentes Capitel

      Die Fenster des geräumigen und niedrigen Zimmers, in welches der Diener Neshdanow geführt, gingen in den Garten hinaus. Sie waren geöffnet: ein linder Wind bewegte die weißen Vorhänge, die sich bald wie Segel rundeten und hoben, bald wieder ruhig niederfielen. An der Decke glitten goldglänzende Lichter still dahin; das ganze Zimmer war von der frischen, feuchten Frühlingslust durchdrungen. Neshdanow begann damit, daß er den Diener fortschickte, seine Sachen auspackte, sich dann wusch und umkleidete. Die Reise hatte ihn erschöpft; das zweitägige beständige Zusammensein mit diesem unbekannten Menschen, mit dem er viel und so Verschiedenartiges gesprochen – und nutzlos gesprochen, – hatte ihn tief erregt: ein bitter-herbes Etwas, halb Wehmuth und Langweile, halb Aerger, hatte sich insgeheim tief in seiner Seele eingenistet; er war voll Unwillen über seine Kleinmüthigkeit – das Herz aber stöhnte und blutete.

      Er trat an’s Fenster und blickte in den Garten hinaus. Es war ein Urväter-Garten mit schöner schwarzer Erde, wie man diesseits Moskaus nirgends mehr einen solchen finden wird. Aus dem langgestreckten Plateau eines abschüssigen Hügels angelegt, bestand er aus vier deutlich abgegrenzten Theilen. Vor dem Hause breitete sich, etwa zweihundert Schritte weit, der Blumengarten aus; mit sandbestreuten gradlinigen Wegen, mit Gruppen von Akazien


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