Max Havelaar oder Die Kaffee-Versteigerungen der NiederländischenHandels-Gesellschaft. Multatuli

Max Havelaar oder  Die Kaffee-Versteigerungen der NiederländischenHandels-Gesellschaft - Multatuli


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Beispiel davon.

      Die Personen, die mit der Verwaltung einer solchen Grafschaft betraut waren, suchten es natürlich beim Kaiser zu erreichen, daß ihre Söhne oder, falls sie keine hatten, andere Blutsverwandte ihnen im Amte folgten. Das geschah denn auch gewöhnlich, obwohl ich nicht glaube, daß jemals das Recht auf die Erbfolge organisch anerkannt worden ist, wenigstens was die Beamten in den Nederlanden angeht, z. B. die Grafen von Holland, Seeland, Flandern, Hennegau  die Herzöge von Brabant, Gelderland u.s.w. Es war anfangs eine Gunst, später eine Gewohnheit, zum Schluß eine Notwendigkeit; aber niemals wurde die Erblichkeit Gesetz.

      Ziemlich ebenso, was die Wahl von Personen anlangt, da hier von Gleichheit des Wirkungskreises keine Rede sein kann, steht an der Spitze eines Bezirks in Java ein inländischer Beamter, der seinen vom Gouvernement erteilten Rang mit seinem »autochthonen« Einfluß verbindet, um dem europäischen Beamten, der die niederländische Macht vergegenwärtigt, die Regierung leichter zu machen. Auch hier ist die Erblichkeit, ohne durch Gesetz festgestellt zu sein, zu einer Gewohnheit geworden. Schon bei Lebzeiten des Regenten ist diese Sache meistens geregelt, und es gilt als eine Belohnung für Diensteifer und Treue, wenn man ihm die Zusicherung giebt, daß sein Sohn sein Nachfolger sein wird. Es müssen schon sehr gewichtige Gründe bestehen, wenn man einmal von dieser Regel abweicht, und wo dies etwa vorkommen sollte, wählt man dann doch gewöhnlich den Nachfolger aus den Gliedern derselben Familie.

      Das Verhältnis zwischen europäischen Beamten und solchen hochgestellten javanischen Großen ist von sehr delikater Art. Der Adsistent-Resident eines Bezirks ist die verantwortliche Person; er hat seine Instruktion und wird als das Haupt des Bezirkes betrachtet. Das hindert indes nicht, daß der Regent, durch lokales Ansehen, durch Geburt, durch Einfluß auf die Bevölkerung, durch Vermögen und Einkünfte und dementsprechende Lebensweise, sich weit über jenen erhebt. Ferner ist der Regent, der das »javanische Element« eines Landstrichs vertritt und im Namen der hunderttausend oder mehr Seelen spricht, die seine Regentschaft bevölkern, auch in den Augen des Gouverneurs eine viel wichtigere Person als der einfache europäische Beamte, um dessen Unzufriedenheit man sich nicht zu kümmern braucht, da man an seine Stelle tausend andere bekommen kann; während die Mißtimmung des Regenten den Keim zu Unruhen oder Aufständen in sich tragen kann.

      Aus alledem ergibt sich der auffallende Umstand, daß eigentlich der Geringere der Vorgesetzte des Größeren ist. Der Adsistent-Resident befiehlt dem Regenten, ihm Bericht zu erstatten; er befiehlt ihm, Volk zur Arbeit an Brücken und Wegen zu senden; er befielt ihm, Steuern einzutreiben; er beruft ihn, im Rate Platz zu nehmen, wo der Adsistent-Resident den Vorsitz führt; er rügt ihn, wenn er sich einer Pflichtversäumnis schuldig gemacht hat. Dieses sehr eigenartige Verhältnis wird nur durch äußerst höfliche Formen ermöglicht, die weder Herzlichkeit noch, wenn es sein muß, Strenge auszuschließen brauchen; und ich glaube, der Ton, der in dieser Beziehung herrschen soll, wird ziemlich richtig in der offiziellen Vorschrift angegeben: »Der europäische Funktionär habe den inländischen Beamten, der ihm zur Seite steht als seinen jüngeren Bruder zu behandeln.«

      Aber er vergesse nicht, daß der jüngere Bruder bei den Eltern sehr beliebt  oder auch gefürchtet  ist, und daß bei etwaigen Zwistigkeiten sein höheres Alter sofort in Anschlag gebracht wird, um es ihm übel zu nehmen, daß er seinen jüngeren Bruder nicht mit mehr Nachgiebigkeit behandelt hat.

      Die angeborene Höflichkeit der javanischen Großen  selbst der niedere Javane ist unendlich höflicher als sein europäischer Standesgenosse  macht übrigens diese scheinbar schwierige Beziehung erträglicher, als sie es sonst wäre.

      Der Europäer sei wohlerzogen, rücksichtsvoll, und zeige sich mit freundlicher Würde, und er kann gewiß sein, daß der Regent seinerseits ihm das Amt leicht machen wird. Die unvermeidlichen Befehle, in ersuchender Form geäußert, werden prompt befolgt. Der Unterschied in Stand, Geburt, Reichtum wird durch den Regenten selbst verwischt, der den Europäer, als Vertreter des Königs der Nederlanden, zu sich emporhebt, und schließlich ist ein Verhältnis, das bei oberflächlicher Betrachtung lediglich zu Zwistigkeiten führen sollte, sehr oft die Quelle eines angenehmen Verkehrs.

      Ich sagte, daß solche Regenten auch durch ihren Reichtum einen Vorrang vor den europäischen Beamten haben; und das ist natürlich. Der Europäer, der berufen wird, um eine Provinz zu verwalten, die an Größe vielen deutschen Herzogtümern gleichkommt, ist gewöhnlich jemand von mehr als mittlerem Lebensalter, verheiratet und Vater: er bekleidet ein Amt um das Brot. Sein Einkommen ist gerade genügend, und manchmal nicht einmal genügend, um den Seinen das Nötige zu schaffen. Der Regent ist »Trommongong«, »Adipati«, ja sogar »Pangerang«, javanischer Prinz. Die Frage für ihn ist nicht, daß er lebe  er muß so leben, wie es das Volk von seiner Aristokratie gewohnt ist. Wo der Europäer ein Haus bewohnt, ist sein Sitz oftmals ein »Kratoon« mit vielen Häusern und Dörfern darin. Wo der Europäer eine Frau hat mit drei, vier Kindern, unterhält er eine ganze Zahl von Frauen mit allem, was dazu gehört. Wenn der Europäer ausfährt, begleitet von einigen Beamten, so viel gerade nötig sind, um ihn bei seiner Inspektionsreise Erklärungen zu geben,  wird der Regent umschwärmt von den Hunderten, die zu dem Gefolge gehören, das in den Augen des Volkes einmal zu seinem hohen Range gehört. Der Europäer lebt bürgerlich; der Regent lebt  und man setzt das von ihm voraus  als ein Fürst.

      Aber das muß alles bezahlt werden. Die niederländische Regierung, die sich auf dem Einfluß der Regenten aufgebaut hat, weiß das; und nichts ist natürlicher, als daß dies ihre Einkünfte zu einer Höhe emporgeführt hat, die dem »Nicht-Indier« übertrieben vorkommen würde, die aber in der That zu der Bestreitung der Ausgaben, die mit der Lebensweise eines solchen inländischen Hauptes verbunden sind, selten ausreicht. Es ist nichts Auffallendes, wenn Regenten mit einem jährlichen Einkommen von zwei-, auch dreimalhunderttausend Gulden  in Geldverlegenheit sind. Viel trägt dazu die wahrhaft fürstliche Gleichgültigkeit bei, mit der sie ihr Einkommen verschleudern, ihre Nachlässigkeit bei der Aufsicht auf ihre Untergebenen, ihre beinahe krankhafte Kauflust, und vor allem der Mißbrauch, der oft durch Europäer mit diesen Eigenschaften getrieben wird.

      Die Einkünfte der javanischen Häupter würde man vier Teilen zusammenfassen können. Zuerst das bestimmte Monatsgeld, dann eine feste Summe als Schadloshaltung für abgekaufte Rechte, die in die niederländische Verwaltung übergegangen sind; drittens eine Belohnung im Verhältnis zur Menge der in ihrer Regentschaft erzeugten Waren, als Kaffee, Zucker, Indigo, Zimmet u.s.w.; und endlich die willkürliche Bestimmung über die Arbeit und das Eigentum ihrer Unterthanen.

      Die beiden letzten Einnahmequellen erfordern einige Erklärungen. Der Javane ist von Natur Landbauer; der Grund und Boden, auf dem er geboren ist, der viel verspricht für wenig Arbeit, lockt ihn dazu, und vor allem widmet er sich mit Herz und Seele der Bebauung seiner Reisfelder, worin er denn auch sehr geschickt ist. Er wächst auf inmitten seiner Sawahs und Gagahs und Tipars; er begleitet seinen Vater bereits in sehr jungen Jahren aufs Feld, wo er ihm mit Pflug und Spaten behilflich ist, und an Dämmen und Wasserleitungen zur Bewässerung der Äcker. Er zählt seine Jahre nach Ernten, er rechnet die Jahreszeit nach der Farbe seiner im Felde stehenden Halme; er fühlt sich zu Hause bei den Gesellen, die mit ihm Padi schneiden; er sucht seine Frau unter den Mädchen der Dessah, die abends unter frohem Gesang den Reis stampfen, um ihn zu enthülsen; der Besitz von ein Paar Büffeln, die seinen Pflug ziehen sollen, ist das Ideal, das ihn anlacht;  der Reisbau ist für den Javanen, was in den Rheingegenden und in Südfrankreich die Weinlese ist.

      Doch da kamen Fremde aus dem Westen, die sich zu Herren des Landes machten. Sie wünschten von der Güte des Bodens Vorteil zu ziehen und verlangten von dem Eingeborenen, er solle einen Teil seiner Arbeit und seiner Zeit der Erzeugung anderer Dinge widmen, die auf den Märkten Europas mehr Gewinn abwerfen würden. Um den kleinen Mann dazu zu bewegen, brauchte man nicht mehr als eine sehr einfache Politik. Er gehorcht seinen Häuptern; man hatte also lediglich die Häupter zu gewinnen, indem man ihnen einen Teil des Gewinnes zusagte  und es glückte vollkommen.

      Wenn man die erstaunliche Menge javanischer Erzeugnisse sieht, die in den Nederlanden auf den Markt kommen, kann man sich von der Zweckmäßigkeit dieser Politik überzeugen, findet man sie schon nicht edel. Denn wenn jemand fragt, ob der Landbauer


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