Max Havelaar oder Die Kaffee-Versteigerungen der NiederländischenHandels-Gesellschaft. Multatuli

Max Havelaar oder  Die Kaffee-Versteigerungen der NiederländischenHandels-Gesellschaft - Multatuli


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Gefolge, und nach dem schönen Araber-Bastard zu urteilen, der in seinem reichen Geschirr auf der silbernen Trense nagte, war auch ein Haupt von höherem Range anwesend. So war es wirklich. Der Regent von Lebak, Raden Adipati Karta Natta Negara, hatte mit großem Gefolge Rangkas-Betoeng verlassen, um trotz seines hohen Alters die zwölf oder vierzehn Palen zurückzulegen, die seinen Wohnort von dem Nachbargebiet Pandeglang trennten.

      Es wurde ein neuer Adsistent-Resident erwartet; und das Herkommen, das in Indien mehr denn irgendwo Gesetzeskraft hat, verlangt, daß der Beamte, der mit der Verwaltung eines Bezirkes beauftragt ist, bei seiner Ankunft festlich eingeholt wird. Auch der Kontroleur, ein Mann von mittleren Jahren, der seit einigen Monaten, seit dem Tode des vorigen Adsistent-Residenten, die Verwaltung als Stellvertreter wahrgenommen hatte, war anwesend.

      Sobald die Ankunft des neuen Adsistent-Residenten bekannt wurde, hatte man in aller Eile eine »Pendoppo« aufgerichtet, ein Tisch und einige Stühle waren da hingebracht, einige Erfrischungen bereitgestellt, und in der Pendoppo erwartete der Regent mit dem Kontroleur die Ankunft des neuen Vorgesetzten.

      Nächst einem Hut mit breitem Rand, einem Regenschirm oder einem hohlen Baum, ist eine »Pendoppo« sicher der einfachste Ausdruck des Gedankens »Dach.« Denkt euch vier oder sechs Bambusstangen in den Erdboden geschlagen, die an ihrem oberen Ende durch andere Bambusstangen miteinander verbunden sind, worauf eine Decke aus den langen Blättern der Wasserpalme, dort »Atap« genannt, befestigt ist, und ihr werdet euch sothane, »Pendoppo« vorstellen können Es ist, wie ihr seht, so einfach wie möglich, und es soll auch lediglich als kurzer Aufenthalt für die europäischen und inländischen Beamten dienen, die da ihr neues Oberhaupt an der Grenze bewillkommnen wollen.

      Ich habe nicht ganz richtig den Adsistent-Residenten das Oberhaupt auch des Regenten genannt. Eine Abschweifung über den Mechanismus der Verwaltung in diesen Landstrichen ist unentbehrlich.

      Das sogenannte »Niederländisch Indien«– ich finde die Bezeichnung sprachlich nicht richtig, aber sie ist offiziell angenommen  ist, was die Beziehungen des Mutterlandes zu der Bevölkerung betrifft, zu trennen in zwei sehr verschiedene Hauptteile. Ein Teil besteht aus Stämmen, deren Fürsten oder Häuptlinge die Oberherrschaft der Nederlanden als Souverän anerkannt haben; doch ist noch immer die eigentliche Regierung in größerem oder geringerem Maße in den Händen der eingeborenen Häupter selbst geblieben. Ein anderer Teil, zu dem Java gehört, mit einer sehr kleinen vielleicht bloß scheinbaren Ausnahme, ist ganz und geradezu Nederlanden unterworfen. Von Tribut oder Schatzung oder Bundesgenossenschaft ist hier keine Rede. Der Javane ist niederländischer Unterthan. Der König von Nederlanden ist sein König. Die Nachkommen seiner einstmaligen Fürsten und Herren sind niederländische Beamte; sie werden angestellt, versetzt und befördert, abgesetzt durch den General-Gouverneur, der im Namen des Königs regiert. Der Missethäter wird verurteilt und bestraft nach einem Gesetz, das von 's Gravenhage ausgegangen ist. Die Steuer, die der Javane aufbringt, fließt in die Schatzkammer Nederlandens.

      Von diesem Teil der niederländischen Besitzungen, das demnach einen wirklichen Teil des Königreichs ausmacht, soll in diesen Blättern hauptsächlich die Rede sein.

      Dem General-Gouverneur steht ein »Rat« zur Seite, welcher indessen keine beschließende Stimme hat. Zu Batavia sind die verschiedenen Regierungszweige in Departements verteilt, an deren Spitze Direktoren stehen, welche das Bindeglied zwischen der Oberleitung des General-Gouverneurs und den Residenten in den Provinzen bilden. Bei Behandlung von Dingen politischer Natur indessen wenden sich diese Beamten direkt an den General-Gouverneur.

      Die Bezeichnung »Resident« kommt noch von der Zeit her, da die Nederlanden bloß mittelbar Herr der Bevölkerung war, als Lehnsherr, und sich an den Höfen der noch regierenden Fürsten durch Residenten vertreten ließ. Die Fürsten sind nicht mehr; die Residenten sind die Verwalter der Landschaften geworden; sie sind distriktweise Gouverneure, Präfekten. Ihr Wirkungskreis ist verändert, aber der Name ist geblieben.

      Es sind die Residenten, die eigentlich die niederländische Macht gegenüber der javanischen Bevölkerung vertreten. Das Volk kennt weder den General-Gouverneur noch den Rat von Indien, noch die Direktoren zu Batavia; das Volk kennt bloß den Residenten und die Beamten, die es unter ihm regieren.

      Eine derartige Residentschaft,  es giebt ihrer, die beinahe eine Million Seelen umfassen,  zerfällt in drei, vier oder fünf Bezirke (»Afdeelingen«) oder Regentschaften, an deren Spitze Adsistent-Residenten stehen. Unter diesen wieder wird die Regierung durch Kontroleure, Aufseher und eine Zahl von anderen Beamten ausgeübt, die für das Eintreiben der Steuern, die Aufsicht über den Ackerbau, das Errichten von Gebäuden, für die Regelung der Wasserverhältnisse, die Polizei und das Rechtswesen erforderlich sind.

      In jedem Bezirke steht ein inländisches Haupt von hohem Range, mit dem Titel eines Regenten, dem Adsistent-Residenten zur Seite. Ein solcher Regent, obwohl seine Stellung zur Regierung und sein Wirkungskreis durchaus die eines besoldeten Beamten sind, gehört stets zu dem hohen Adel des Landes, und oft zu der Fürstenfamilie, die früher in dieser Landschaft oder in der Nachbarschaft unabhängig regiert hat. Sehr politisch benutzt man also ihren uralten feudalen Einfluß, der in Asien überall von großem Gewicht ist und bei den meisten Stämmen als religiöse Einrichtung betrachtet wird; insofern durch das Berufen dieser Häupter zu Beamten eine Art von Hierarchie geschaffen wird, an deren Spitze die niederländische Macht steht, die durch den General-Gouverneur ausgeübt wird.

      Es ist nichts Neues unter der Sonne. Wurden nicht die Reichs- , Mark-, Gau-, Grenz- und Burggrafen des Deutschen Reiches gleichfalls durch den Kaiser angestellt und meistens aus den Baronen, den Edelingen gewählt? Ohne auf den Ursprung des Adels, der ganz in der Natur liegt, abzuschweifen, möchte ich doch der Betrachtung Raum geben, wie hier und auch dort im fernen Indien dieselben Ursachen dieselben Folgen hatten. Ein Land muß auf weite Entfernung regiert werden, und dazu sind Beamte notwendig, die die Centralregierung vertreten. Unter dem System militärischer Willkür wählten die Römer dazu die Präfekten, gewöhnlich die Befehlshaber der Legionen, die das betreffende Land unterworfen hatten. Solche Landstriche blieben denn auch »Provinzen«, d. h. erobertes Land. Als aber später die Centralmacht des Deutschen Reiches das Bedürfnis hatte, hie und da ferngesessenes Volk auf andere Weise an sich zu binden als durch materielles Übergewicht allein, sobald ein entfernter Landstrich als zum Reich gehörig betrachtet wurde, infolge Gleichheit der Abstammung, Sprache und Sitte, stellte sich die Notwendigkeit heraus, mit der Leitung der Geschäfte jemand zu betrauen, der in diesem Lande nicht allein zu Hause war, sondern auch durch seinen Stand über seine Mitbürger in diesen Strecken herausragte, auf daß der Gehorsam den kaiserlichen Befehlen gegenüber leicht werde durch die damit Hand in Hand gehende Neigung der Unterwerfung unter den, der mit der Ausführung der Befehle beauftragt war. Gleichzeitig wurden so die Ausgaben für ein stehendes Heer zu Lasten der Staatskasse oder, wie es meist geschah, den Gegenden, die durch ein solches Heer bewacht werden mußten, ganz oder teilweise entbehrlich.

      So wurden die ersten Grafen aus den Edlen des Landes genommen, und, genau genommen, ist daher »Graf« kein adeliger Titel, sondern einfach die Bezeichnung einer mit einem gewissen Amt betrauten Persönlichkeit. Ich glaube denn auch, daß im Mittelalter die Ansicht galt, der deutsch Kaiser habe das Recht, »Grafen« (Landschaftsverwalter) und »Herzöge« (Heerführer) zu ernennen; andererseits behaupteten die Barone, was ihre Geburt betraf, dem Kaiser gleichgestellt zu sein und allein von Gott abzuhängen, unbeschadet ihrer Pflicht, dem Kaiser zu dienen, sofern dieser mit ihrer Zustimmung und aus ihrer Mitte gewählt war. Ein Graf bekleidete das Amt, zu dem ihn der Kaiser berufen hatte; ein Baron betrachtete sich als Baron »von Gottes Gnaden«. Die Grafen vertraten den Kaiser und führten dementsprechend sein Banner; ein Baron brachte Kriegsvolk auf unter seiner Fahne als Bannerherr.

      Der Umstand nun, daß Grafen und Herzöge gewöhnlich aus den Baronen gewählt werden, hatte zur Folge, daß sie das Gewicht ihres Amtes in die Wagschale legten neben dem Einfluß, den sie von Geburtswegen beanspruchten, und daraus scheint später, besonders als man sich an die Erblichkeit dieser Ämter gewöhnt hatte, der Vorrang entstanden zu sein, den diese Titel vor dem Baronstitel erhielten. Noch heutzutage könnte es vorkommen, daß eine freiherrliche Familie  ohne kaiserliches oder königliches Patent, d.


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