Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt
du, dich schwärmt sie auch ganz nett an.«
Beide lachten, und die verführerische Jella stand unbeachtet dabei. Na, so was gab’s ja gar nicht! Sie konnte sich doch unmöglich von dem Gänschen ausstechen lassen, sie, die schöne, mondäne Frau. Sie mußte unbedingt des Grafen Aufmerksamkeit auf sich lenken. Doch zu spät. Schon lief der Zug ein, und aus einem Abteil langbeinte Christine, strahlend über das ganze Gesicht.
»Was, so ein großer Bahnhof für mich kleines Etwas, wie komm’ ich denn zu so viel Ehre?«
Als man es ihr gesagt hatte, meinte sie lachend:
»Das ist ganz meine fürsorgliche Familie. Aus lauter Besorgnis, daß man mich nicht rechtzeitig abholen könnte, avisiert man mich an zwei Stellen. Und was machen wir nun? Halbieren kann ich mich nicht.«
»Das nicht, aber in den Wagen steigen, der dir am meisten zusagt.«
»Das tun beide. Ich möchte ins Schloß, ich möchte ins Gylthaus.«
»Stimmen wir ab«, entschied Folko und setzte das bekannte Fragespiel mit den Streichhölzern in Szene. Christine zog aus seiner Hand das Hölzchen mit Kopf und wußte nun, wo sie hingehörte.
Das alles war genau beobachtet worden; denn die vom Schloß und ihre Freunde standen nun mal im Blickfeld der Neugierde. Alles was sie sagten und taten wurde bekrittelt, aber mehr noch bewundert und nachgeahmt.
Jetzt beobachteten diejenigen, die sich auf dem Bahnhof befanden, das Spielchen mit den Streichhölzern sahen, wie der Graf die beiden Mädchen unterfaßte und mit ihnen davonging.
Sahen aber auch die Mondäne, deren Mienenspiel so unbeherrscht war, daß man ihr die Gedanken vom Gesicht ablesen konnte. Natürlich waren ihre Bemühungen um den Grafen nicht unbeobachtet geblieben, aber die Trauben schienen ihr da verflixt hoch zu hängen.
Na was, so was heiratet ein Mann wie Graf Björn nicht, mit so was techtelmechtelte man. Heiraten tat man ein Mädchen wie Armgard von Hollgan, jung, von bezaubernder Schönheit, aus vornehmer Familie, die Erbin ihres sehr reichen Großvaters und ohne jede Vergangenheit. Wenn ein Graf Björn so ein Mädchen heiratete, würde sich kein Ahn im Grab umdrehen, aber bei einer Jella? Na, man wußte ja schließlich Bescheid.
Neugierig sah man ihr nach, wie sie dem Grafen und seinen beiden Begleiterinnen folgte. Keinen Blick hatte man für sie, hatte ihre Anwesenheit wahrscheinlich vergessen.
Zuerst fuhr das Fräulein vom Gylthaus ab, dann der Graf mit der Senatortochter, und dann die schöne Jella, die aber momentan gar nicht schön aussah mit dem wutverzerrten Gesicht.
Und sollte man da nicht wütend sein, wo man so schofel behandelt wurde? Was dachte dieses hochnäsige Volk sich eigentlich, war es denn mehr als sie, die doch auch aus guter Familie stammte?
Stammte wohl, aber was sie daraus gemacht hatte, gereichte ihr nicht immer zur Ehre. Es gab da manches, an das sie lieber nicht zurückdachte, das sie möglichst weit von sich schob, und das dem Grafen Björn aber auch gar nicht gefallen hätte. Ach was, woher sollte der das wohl erfahren.
Aber: Es ist nichts so fein gesponnen…
Jedenfalls war Jella in Rage, und wenn man in Rage ist, sollte man sich nicht ans Steuer setzen, da sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Nun, es genügte ein Baum, der dem so miserabel gesteuerten Wagen Halt gebot. Es gab einen verbeulten Kühler, für die Fahrerin eine blutende Nase, mit der sie gegen die Schutzscheibe geknallt war, ein verstauchtes Handgelenk und ein aufgeschlagenes Knie.
Aus. Und wer hatte Schuld? Natürlich die andern.
Nur daß diese keine Ahnung davon hatten, was hinter ihnen geschah. Sie jedenfalls kamen unversehrt an, Armgard zum Gylthaus, Christine und Folko zum Schloß, wo dieser Feriengast genauso mit offenen Armen empfangen wurde, wie einige Tage vorher der andere.
Und die beiden gaben ein gutes Gespann oder besser gesagt, es gab einen flotten Viererzug. Denn Armgard wurde ja mit eingespannt und auch der fidele Onkel Hans, der sich immer mittenmang der Jugend befand, wie er sich ausdrückte.
Nur Folko war wie das fünfte Rad am Wagen, obwohl er mit seinen noch nicht ganz dreißig Jahren bestimmt noch zur Jugend gehörte. Aber in ihm wurde der Gutsherr respektiert, der dafür verantwortlich war, daß der in diesem Jahr so reiche Erntesegen knistertrocken unter Dach und Fach kam.
So lag er denn stramm in den Sielen, wie es in der Bauernsprache heißt, und befand er sich einmal unter den fröhlichen Vier, war er still und in sich gekehrt, was man seiner Abgespanntheit zuschob.
Nun ja, abgespannt war er schon, aber da gab es noch etwas anderes, was er mit sich selbst abmachen mußte und was ihm so manche verbitterte Stunde schuf.
Und der Grund war Armgard. Wenn sie ihm ausgewichen wäre, das hätte er zur Not noch verstehen können, aber daß er für sie einfach nicht vorhanden war, das ging denn doch zu weit, da mußte er sich mal ganz nachdrücklich bemerkbar machen.
Doch nicht jetzt, dafür fehlte ihm die Zeit. So was Schwerwiegendes ließ sich nicht sozusagen zwischen Tür und Angel erledigen. Aber der Tag, an dem er alles klären konnte, was jetzt so unklar war, der Tag, der kam schon noch, darauf konnten sich die nichtswürdige Jella und die stolze, widerspenstige Armgard verlassen.
»Verflixter Kram!« stieß Graf Björn verbissen hervor und starrte das Briefblatt in seiner Hand mit solchem Ekel an, als züngelten daraus Schlangen. Da verlangte doch diese Kreatur, die er nicht abschütteln konnte, in aller Unverfrorenheit, daß er zu ihr kommen und sie trösten sollte. Sie hatte einen Autounfall gehabt und lag nun schwerverletzt auf ihrem Schmerzenslager.
Schrieb sie, was ja nur mit Vorsicht zu genießen war; denn dieser Intrigantin kam es auf ein paar faustdicke Lügen nicht an. Aber da hatte sie in ihrer Beschränktheit mit Lutz nicht gerechnet, der über den Unfall seiner Schwester ja Bescheid wissen mußte. Als Folko ihn danach fragte, entgegnete er gleichmütig:
»Ach, die Jella, ja, die ist mit ihrem Wagen gegen einen Baum gerasselt. Kühler eingedrückt, Handgelenk verstaucht und Knie aufgeschlagen. Ist noch ganz gut davongekommen, gibt aber fürchterlich an.«
»Bist du dagewesen?«
»Ja. Aber ich gehe nicht mehr hin, um weiteren Ohrfeigen auszuweichen.«
»Und weshalb ohrfeigte sie dich?«
»Weil ich nicht augenblicklich da war, als sie mich telefonisch zu sich beorderte. Ich befand mich gerade im Gylthaus, als der Anruf kam; Armgard fuhr mich in ihrem Flitzer hin, na ja, und da fand ich meine Schwester in der Pose einer Schwerkranken. Bloß ihr Mundwerk war recht beweglich und ihr Handgelenk nicht minder.«
»Ich dachte, das wäre verstaucht.«
»Sie hat ja zwei Hände.«
»Befindet sie sich im Krankenhaus?«
»Ach wo, dazu langt das bißchen nicht aus. Sie wird zu Hause von einer Pflegerin betreut. Woher weißt du überhaupt von dem Unfall, den ich euch doch absichtlich verschwieg?«
»Jella hat an mich geschrieben.«
»Du sollst kommen und sie trösten?«
»Ja.«
»Tu das nicht, Folko, bitte, tu das nicht. Wenn Armgard davon erfährt, zieht sie wieder ihre Schlüsse daraus, und Jella lacht sich ins Fäustchen«, stotterte er mit rotem Kopf, und der Graf sah ihn durchdringend an.
»Merkwürdig, wie gut du Bescheid weißt. Hat Armgard mit dir über die heikle Angelegenheit gesprochen?«
»Armgard? Na hör mal, die beißt sich eher die Zunge ab, als über so was, na ja, zu sprechen. Aber da ich meine Schwester kenne und außerdem noch weiß, wie toll sie hinter dir her ist, hat sie bestimmt Intrigen gesponnen, in denen sie ja groß ist. Wenn du nun zu ihr gehst, wird sie das gegen Armgard ausspielen. Und dann, ach, Folko, tu es nicht.«
»Nein, mein Junge, ich tu es nicht«, gab er ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Wange. »Ich danke dir, bist ein