Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt
wir mal eine Ausnahme machen«, schmunzelte der Vater. »Da Frank ja sowieso um sieben Ecken herum mit uns verwandt ist. Nehmen wir ihn feierlich in die Sippe auf.«
Das fand allgemeinen Beifall. Und da bei so einer Gelegenheit nicht nur ein Schnaps, sondern auch ein Kuß fällig zu sein pflegt, so machte Frank ungeniert davon Gebrauch. Selbst Frau von Gehldorn bekam einen, wogegen sie sich allerdings zu sträuben versuchte.
»Aber ich bin doch da nicht einbegriffen. Ich gehöre doch nicht zur Sippe!«
»Ja!« kam es lachend von allen Seiten. »Mitgefangen, mitgehangen!«
So wurde sie denn Tante Irene für das Jungvolk, in das allerdings auch der dreißigjährige Diederich mit eingeschlossen war, und Irene für das Arztehepaar. Man war fortan eine Gemeinschaft, die miteinander lachte und weinte.
Die letzten Tage des Urlaubs vergingen besonders schnell, übermorgen hieß es für Frank, Abschied zu nehmen. Das Flugzeug flog zwar erst in fünf Tagen ab, aber er wollte noch bei Knut vorsprechen, um alles Erforderliche in die Wege zu leiten, wobei der Student ihn beraten sollte.
»Hör mal, Elo, du wolltest mir doch das idyllische Schlößchen zeigen, das dein Entzücken erregt«, versuchte Frank die Base aufzumuntern, die auf der Terrasse im Liegestuhl faulenzte.
»Zu heiß«, winkte sie gelassen ab. »Außerdem ist Tante Irene beim Zahnarzt und kommt spät wieder.«
»Na wenn schon! Wir können auch einmal ohne sie fahren. Los, Elo, sei kein Frosch. Tu mir doch den Gefallen. Übermorgen muß ich schon fort von hier. Ich interessiere mich doch nun mal für Schlösser.«
»Wieso, willst du etwa eins kaufen?«
»Man muß nicht immer alles gleich kaufen wollen, wofür man Interesse hat. Mach mich nicht rasend mit deiner Pomadigkeit. Hier herumzusitzen halt’ ich einfach nicht aus, mir kribbelt das Reisefieber im Blut. Kannst du das verstehen?«
»Nein.«
»Elo, bitte!«
»Na schön«, gab sie nach, während sie sich seufzend erhob. »Mach meinen Wagen flott, indes zieh’ ich mich um. Aber zum Abendessen müssen wir unbedingt zu Hause sein, sonst brummt mein Herr Gemahl.«
Eine Viertelstunde später wurde sie am Portal sichtbar. Wunderschön sah sie aus in ihrem leichten Kleid, das einem eleganten Modesalon entstammte. Ebenso der helle Mantel, den sie über dem Arm trug. Lang und schlank waren die feingefesselten Beine, die kleinen Füße steckten in hellfarbenen Sandaletten. Dann die leuchtenden Augen und das herrliche Haar. Wahrlich, kein Wunder, daß es dem guten Frank ganz heiß unter der seidenen Hemdbrust wurde, der vor dem Auto stand und den Schlag für die Base offenhielt. Sie nahm Platz und rief dem eben erscheinenden Diener zu:
»Wenn die gnädige Frau zurück ist, bestellen Sie ihr, daß wir zum Schlößchen gefahren sind.«
Das letzte klang nur noch verweht zu dem Mann hin, weil Frank bereits den Wagen in Bewegung gesetzt hatte.
»Du kannst wohl nichts dafür«, sagte sie ärgerlich. »Wenn Niklas mich nun nicht verstanden hat?«
»Süße, du hast ja laut genug geschrien, und der Mann ist nicht taub. Mach bloß nicht so ein böses Gesicht, sonst krieg’ ich Angst.«
»Könnte dir gar nichts schaden, du unruhiger Geist. Ich möchte gern wissen, ob du auch zu Hause ständig herumwirbeln mußt.«
»Da falle ich nicht weiter auf, da wirbelt alles«, lachte er, daß seine prachtvollen Zähne nur so blitzten. »Selbst meine Mami, die im Laufe der Jahre ganz nett behäbig geworden ist. Geruhsamkeit ist bei uns verpönt, da heißt es immer Tempo, Tempo!«
»Das merkt man an deinem Rasen«, sagte sie trocken. »Fahr gefälligst langsamer, damit ich auf den Weg achten kann. Wir müssen nämlich bald rechts abbiegen. Ich glaube, da ist es schon. Fahr rechts rein, aber nimm bei der Kurve nicht den Baum mit. Am liebsten möchte ich mich ans Steuer setzen.«
»Nein, dann werde ich zappelig.«
»Das ist, was ich befürchte. Jetzt biege ab. Gott sei Dank, der Baum steht!«
»Aber dafür gibt es zu beiden Seiten um so mehr Bäume. Und der Weg ist auch nicht besonders.«
»Dafür ist es auch eine Nebenstraße. Schlösser pflegen nämlich nicht an der Chaussee zu liegen.«
»Aha. Nun, ich will versuchen, deine Mordskutsche durch das Labyrinth zu schlängeln, einmal müssen wir doch auf dem richtigen Weg sein. Ist wenigstens genug Benzin im Tank?«
»Er ist heute aufgefüllt worden.«
»Wenigstens ein Trost.«
So fuhren sie denn eine halbe Stunde langsam dahin.
Und plötzlich wurde es dunkel. Der junge Mann konnte gerade noch das Verdeck hochklappen und Elonie in den Mantel helfen, da brach auch schon ein Sturm los, der nicht von schlechten Eltern war, wie man so sagt. Ein schweres Gewitter war im Gange.
»Mein Gott!« stöhnte Elonie. »Ich habe ohnehin schon Angst vor Gewitter, und nun hier, wie von aller Welt abgeschnitten…«
»Nun, nun, es wird nicht so arg werden«, tröstete er. »Komm, zieh’ die Decke über den Kopf. Da siehst du die Blitze nicht so.«
Und so saßen sie da, den tobenden Elementen schutzlos ausgeliefert. Frank hatte die Scheinwerfer abgestellt, damit die Batterie nicht leer wurde. Das Standlicht nur gab einen trüben Schein.
Es war tatsächlich, als wären alle Teufel losgelassen. Es donnerte fast unausgesetzt, was sich im Wald besonders schauerlich anhörte. Die Blitze zuckten, der Sturm ließ Bäume zusammenstürzen. Es wäre kein Wunder gewesen, wenn ein fallender Baum das Auto getroffen hätte.
Allein, davon sollten die beiden Menschen verschont bleiben. Sie hatten auch ohnehin schon genug Angst auszustehen, zum mindesten Elonie. Denn Frank machte das rasende Gewitter weniger aus. Aber um die Base ängstigte er sich. Wenn ihr etwas passierte, durfte er ja gar nicht wagen, Diederich unter die Augen zu treten.
»Hätte ich dich doch nicht zu der Fahrt überredet«, sagte er gepreßt. »Ich mache mir die heftigsten Vorwürfe.«
»Das ist doch Unsinn, Frank. Wir stecken doch nur in dieser Klemme, weil ich dir den falschen Weg wies. Also bin ich schuld, nicht du.«
»Nun, wir wollen jetzt nicht unsere Schuld aneinander messen, sondern tapfer durchhalten. Du mußt nur nicht weinen, Elo, das kann ich nicht ertragen.«
»Ich weine nicht, Frank.«
»Das ist lieb. Nimm fest die Decke um. Du bist zu leicht angezogen, trotz des Mäntelchens.«
»Aber auch du bist zu leicht gekleidet, was bei der vorangegangenen Hitze kein Wunder ist. Komm mit unter die Decke, sie reicht für beide.«
»Lieber nicht«, brummte er. »Meine Jacke allein wärmt mehr als dein flittriger Kram zusammen. Jetzt einen Kognak, der täte uns beiden gut.«
»Im Handschuhfach wirst du ein kleines Fläschchen finden, das ich immer für alle Fälle mitführe. Auch eine Taschenlampe nebst Reservebatterie liegt im Kasten.«
»Na wunderbar. Die Sachen sind direkt ein Geschenk des Himmels.«
Elonie durfte sich zuerst laben, und es war gut, daß sie die Flasche gleich an Frank weitergab. Sonst hätte sie diese vor Schreck fallen lassen, und das kostbare Naß wäre versickert. Denn ein Donner krachte, der durch Mark und Bein ging. Gleichzeitig erhellte ein besonders greller Blitz das Innere des Wagens. Ganz in der Nähe ein Krachen und Splittern – und dann eine unheimliche Stille.
»Verflixt, das muß dicht bei uns eingeschlagen haben«, murmelte Frank, vor Schreck erblaßt. »Und zwar in den krachenden Baum. Ein Glück, daß er nicht den Wagen traf. Du siehst also, Elonie, daß wir einen Schutzengel haben, der uns auch weiterhin behüten wird. Hast du dich sehr erschreckt?«
»Ja, Frank. Mir zittern die Glieder wie Espenlaub.«
»Du