Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt
befand sie sich wieder einmal in Geldnöten, ein chronischer Zustand bei ihr. Dann pflegt sie sich bis zur neuen Zufuhr bei Bekannten oder Verwandten einzunisten, was sie auch hier versuchte. Wenn sie nicht unpäßlich geworden wäre, hätte sie bereits am nächsten Tag mein Haus verlassen müssen. Das ist alles, was ich dir zu sagen habe, Elonie.«
Seine Blicke hingen an der grazilen Gestalt im eleganten Reitdreß, die doch bestimmt einen erfreulichen Anblick bot. Und doch verfinsterte sich der Blick des Mannes immer mehr, bis er sich brüsk abwandte.
»Ich sehe, daß ich wieder einmal tauben Ohren gepredigt habe«, sagte er erbittert. »Du steckst voller Mißtrauen bis zur Halskrause. Dieses Mißtrauen ist es, das unsere Ehe langsam, aber sicher völlig zerstören wird. Denn sich verdächtigen lassen, immer wieder grundlos verdächtigen lassen, das hält kein Mensch auf die Dauer aus.«
Er wandte sich ab und ging davon, und Elonie hatte das Gefühl, als habe er ihr mit brutaler Hand das Herz aus der Brust gerissen.
»Nicht weinen, nur nicht weinen«, sprach sie sich selber zu, als sie das Zimmer verließ, die Halle durchquerte und die Treppe emporstieg, ganz langsam, als trüge sie Blei an den Füßen. In ihrem Wohnzimmer ließ sie sich in den nächsten Sessel sinken und drückte aufstöhnend das Gesicht in die Hände.
Dieses Mißtrauen ist es, das unsere Ehe langsam, aber sicher zerstören wird.
Er hatte ja so recht. Aber das Mißtrauen war doch nun einmal da. Fraß sich in ihrem Herzen weiter wie ätzendes Gift.
Sie schrak zusammen, als es klopfte und Nanny eintrat, um ihrer Herrin beim Umkleiden zu helfen. Mühsam riß Elonie sich zusammen, durfte sich um alles in der Welt nicht gehenlassen. Die Kleine achtete ohnehin schon ängstlich auf ihre Stimmung, las ihr jeden Wunsch von den Augen ab.
Doch heute war sie unaufmerksamer als sonst. Und als Elonie sie lächelnd ermunterte, doch ja nur ihr Herz zu erleichtern, da sprudelte es nur so über die Lippen der niedlichen Maid.
Überrascht horchte Elonie auf. Sie war ja nicht dabei gewesen, als der Entrüstungssturm sich gelegt hatte. Fand ja nur den Gatten vor, an dessen Hals die bettelnde Livia hing.
»Gnädige Frau hätten nur sehen sollen, wie brutal das vermaledeite Gör unsern süßen Hund schlug!« Die Stimme schwankte bedenklich. »Und die Mutter saß im Sessel und sah lachend zu. Mein Gott, das sind ja gar keine Menschen!
Nur gut, daß unser Herr dazukam«, fuhr sie triumphierend fort. »Sonst wäre diese Furie – Verzeihung, aber sie benahm sich so – Ottilie womöglich noch an den Kopf gegangen. Denn solche Wei… Verzeihung – Damen – kriegen das nämlich fertig, wenn sie in Rage sind. Aber jetzt ist sie fort, Gott sei Dank. Und mit ihr ist das Veilchen verduftet. Denn Viola heißt doch Veilchen, nicht wahr, gnädige Frau?«
»Richtig«, lachte Elonie, so wenig ihr auch danach zumute war. »Daran habe ich ja noch gar nicht gedacht. Wenn ein Mensch seinen Namen zu Unrecht trägt, dann diese Viola. Denn die ist alles andere, nur kein bescheidenes Veilchen.«
»Ob unser Herr diese – hinausgeworfen hat?« fragte das Zöfchen freudig und erwartungsvoll.
»Wahrscheinlich, Nanny. Der fackelt nicht lange, wenn er auf Gemeinheiten stößt.«
»Uijeh, das weiß ich. Aber er ist ein guter Herr, ein gerechter Herr. Vornehm bis in die Fingerspitzen.«
»Nanny, wo haben Sie diese Bezeichnung denn aufgeschnappt?« lachte Elonie hell heraus, und fröhlich fiel die Kleine ein:
»Frau von Gehldorn sagte es einmal. Und die muß es ja wissen. Sie ist eine so feine, gebildete Dame.«
»Das ist sie«, bekräftigte ihre Herrin. »Aber nun wollen wir machen, daß wir fertig werden, damit ich nicht an der Tafel zu spät erscheine.«
Sie kam auch nur geradeso zurecht. Denn als sie das Speisezimmer betrat, fand sie Frau von Gehldorn und den Gatten bereits darin vor. Scheu tastete sich ihr Blick zu seinem Gesicht hin, doch es war verschlossen wie immer. Nichts in seinem Benehmen ließ darauf schließen, daß er der Gattin irgendwie gram war. Auf den Besuch kam er nicht mehr zu sprechen. Die kurze, stürmische Episode war wohl für ihn abgetan.
Beim Mokka sagte er in seiner gelassenen Art:
»Ich habe bei der Auflösung eines Gestüts einige Reitpferde übernehmen müssen. Die beiden schönsten möchte ich für uns behalten. Nachdem mein altes, treues Pferd an Altersschwäche einging, habe ich mir kein anderes angeschafft, da ich während der Neueinrichtungen im Werk ständig unterwegs war. Das ist nun vorbei. Ich habe jetzt Zeit für private Dinge, zumal ich über einen vorzüglichen Mitarbeiterstab verfüge. Der tägliche Ritt bot mir von jeher einen gesunden Ausgleich für meine Arbeit. Du kannst dir nachher das Pferd einmal ansehen, Elonie. Wenn es dir gefällt, darfst du es behalten.«
Entzückt hatte sie seiner sonoren Stimme gelauscht, die ihr heute mehr denn je wie Musik klang. Scheu sah sie ihn an und sagte leise:
»Danke, Diederich. Ein eigenes Pferd zu haben, ist schon lange mein Wunsch.«
»Dann kannst du ihn dir jetzt erfüllen.«
Er reichte ihr die Mokkatasse, die sie unter die Maschine hielt. Ihre Hand zitterte dabei.
Es muß etwas zwischen ihnen gegeben haben, dachte Frau Irene bekümmert. Wahrscheinlich eine Auseinandersetzung wegen dieser Livia. Sein Gesicht ist heute ganz besonders hart, und ihre Augen brennen von ungeweinten Tränen. Anstatt ihren Herzen freien Lauf zu lassen, legen sie ihnen Fesseln an, damit sie nur nicht wieder zueinanderstreben können. Aber einmal muß der Mann doch wieder dem Zauber dieses betörenden Menschenkindes erliegen, wie er ihm schon erlag. Und auch sie kann doch unmöglich einem so wunderbaren Mann auf die Dauer widerstehen. Wie sagte Beate Norber:
»Da möchte man am liebsten die beiden Dickköpfe nehmen und sie so lange aneinanderschlagen, bis sie weich geworden sind. Einer will nicht nachgeben, der andere auch nicht. Einer spielt dem anderen Theater vor. Anstatt den Riß mit Liebe zu kitten, den Mißverständnis in ihre Ehe schnitt, zerren sie ihn immer weiter auseinander durch ihr törichtes Verhalten.«
O ja, die kluge Beate Norber hatte recht. Es waren törichte Herzen.
*
Eine halbe Stunde später schritten die jungen Gatten durch den Park, der an diesem herrlichen Sonnentag, den der launenhafte April den Menschen heute gnädig gewährte, wie verzaubert anmutete in seinem frischen Grün, den samtenen Rasenflächen und dem bunten Blumenflor. Langsam ging das Paar dahin, beide im Reitdreß, der ihre prachtvollen Gestalten so richtig zur Geltung brachte. Eine hohe Mauer, oben mit einzementierten Glasscherben und Stacheldraht versehen, trennte den Park vom Fabrikgelände. Brendor schloß die in die Mauer eingelassene Bohlentür auf, schloß sie hinter Elonie wieder sorgsam zu. Vor ihnen lag ein Riesenkomplex mit hohen Gebäuden, langen Hallen, Speichern und Schuppen. Das war das Reich eines Mannes, der Elonie Brendor laut Gesetz gehörte, was sie zum erstenmal mit Stolz erfüllte, ihr ein Gefühl der Bevorzugung gab.
Vor einem kleinen Gebäude aus roten Backsteinen machte er halt und winkte dem Mann freundlich zu, der unter der breiten Tür stand und über das ganze wie aus Leder gegerbte Gesicht lachte. Es war ein Werkveteran, der schon immer die Reitpferde der Herrschaft betreut hatte und nun auch die beiden betreute, die seit gestern in dem sauberen Stall standen.
»Das sind schon zwei Racker«, berichtete er strahlend. »Rasse und Klasse. Hoffentlich gibt es bei der gnädigen Frau keine Karambolage.«
»Sie scheinen mir ja wenig zuzutrauen«, lachte sie den biederen Alten so lieblich an, daß es ihm warm unter der Joppe wurde. Schmunzelnd wandte er sich ab und führte die beiden gesattelten Pferde vor, einen Schimmel und einen Braunen, beide edles Blut. Elonie trat auf den weißen Prachtkerl zu, beäugte ihn eingehend und strahlte dann den Gatten an.
»Danke, Diederich. Den gebe ich nicht wieder her.«
Schon saß sie im Sattel und meisterte das Pferd mühelos, das natürlich erst mal versuchte, seine Kapriolen zu machen. Doch bald gab es auf, die kleine Faust schien aus Eisen zu sein.
Diederich