Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt
ja – und so weiter.«
Vergnügt fiel er in das Lachen der beiden Damen ein, wurde jedoch ernst, als er sich Elonie zuwandte.
»Lassen Sie den Parasiten sich erst gar nicht hier einnisten, gnädige Frau«, warnte er. »Sie werden ihn dann nicht mehr los. Wenn Sie Hilfe brauchen, ich bin immer ein grober Keil auf einen groben Klotz. Und nun entschuldigen mich die Damen, die Pflicht ruft.«
Der vielbeschäftigte Mann enteilte.
An der Tür wäre er fast über Viola gestolpert, die ihm in den Weg lief.
»Hoppla, das war man gerade knapp«, lachte er. »Geh wieder nach oben, hier unten dürftest du doch nur Unheil stiften, du echte Tochter deiner Mutter.«
Weg war er, und das Kind trat näher. Rekelte sich in einen Sessel und maulte:
»Mir ist langweilig. Ich möchte gern fort, denn es gefällt mir hier gar nicht. Aber meine Mami sagt, wir müßten noch solange bleiben, bis sie wieder Geld kriegt. Sie hat nämlich keins mehr.«
Die beiden Damen sahen sich vielsagend an, und Frau von Gehldorn fragte mit gespielter Harmlosigkeit:
»Woher bekommt deine Mami denn Geld?«
»Pension von meinem Papi«, antwortete sie verdrießlich. »Er ist gestorben, weil er schon so schrecklich alt war, sechzig Jahre oder so. Doch wir kommen mit dem Geld nie aus. Und dann fährt die Mami mit mir zu Bekannten oder Verwandten. Aber die wollen uns nicht haben, wir müssen immer bald abfahren. Ach, ich geh’ jetzt. Bei euch ist ja auch nichts los.«
Als sie fort war, sagte Frau Irene:
»So scheint Herr Isbeck einer von den alternden Narren gewesen zu sein, die sich von den verführerischen Künsten einer bedeutend jüngeren Schönen hat einfangen lassen. Eigentlich kann das Kind einem leid tun, daß ihm der Vater wegsterben mußte. An ihm hätte es ganz sicher mehr Halt gehabt als an der minderwertigen Mutter.«
Sie konnte nicht aussprechen, da der Hausherr eintrat.
»War der Arzt da?« fragte er kurz.
»Ja, Herr Doktor.«
»Was sagt er?«
»Daß Frau Isbeck einen leichten Schnupfen hat. Morgen wird sie bereits aufstehen.«
»Das ist ja erfreulich.«
Damit schien die Angelegenheit für ihn erledigt zu sein, denn er kam nicht mehr darauf zu sprechen. Allerdings sah man ihn an dem Tage nicht mehr, da er eine kurze Geschäftsreise antreten mußte, von der er abends nicht zurückkehrte.
Der Tag verlief ohne weitere Zwischenfälle. Livia lag im Bett, betreut von Ottilie, der selbst diese impertinente Dame nicht gewachsen war. Gleich bei der ersten Unverschämtheit hatte sie eine Abfuhr erhalten, die sie sprachlos machte. Und mehr wollte die biedere Ottilie ja nicht. Was unbedingt zu reden war, na schön, doch alles andere war von Übel.
Eben brachte sie für Mutter und Tochter das Abendessen. Gut und reichlich. Denn hungern sollte hier keiner. Das durfte sie als Köchin nicht zulassen.
»Setz dich an das Tischchen«, gebot sie Viola, die widerspruchslos gehorchte, denn der drohende Kochlöffel saß ihr sozusagen im Nacken. Sie bekam ihre Mahlzeit, Livia gleichfalls, und als diese mit ungewohnter Höflichkeit fragte, ob Ottilie später die Kleine nicht zu Bett bringen wollte, wurde ihr kurz und bündig erklärt:
»Nein, das kann ich nicht, weil ich keine Zeit habe, und das will ich nicht, weil ein so großes Mädchen sich allein ausziehen kann. Das Geschirr werde ich holen.«
Das war Ottilie – und sie war Goldes wert.
*
Es war am nächsten Vormittag. Die Hausdame befand sich gerade in der Küche, um mit der Köchin den Tagesplan zu besprechen, als Nanny hereingestürmt kam, schreckensbleich.
»Viola schlägt den Hund!« keuchte sie atemlos vom schnellen Lauf. »Mit dem Stock – oh, das arme Tier!«
Schon war Ottilie an ihr vorüber. Frau von Gehldorn folgte, hinterher die Zofe und der Diener. So stark vereint, kam man dem Liebling des Hauses zur Hilfe, der sich unter den Stockschlägen des brutalen Kindes jämmerlich schreiend wand.
Und die Frau Mama? Ja, die saß im Sessel und freute sich über die Heldentat ihres herzigen Kindchens.
Allein, die anderen waren zutiefst empört, und Ottilie sah rot. Sie riß Viola den Stock aus der Hand und schlug auf die Übeltäterin ein, die wie am Spieß brüllte. Der Hund, der jetzt auf Nannys Arm saß, winselte herzzerreißend. Und Livia kreischte.
In den Tumult hinein sprach eine gebieterische Männerstimme:
»Was geht hier vor?«
Die Köpfe fuhren herum, und sechs Augenpaare starrten den Mann an, der wie ein drohendes Unheil in der Tür stand.
»Das üble Subjekt hat mein Kind geschlagen!« kreischte die Mutter hysterisch.
»Ruhe!« gebot die herrische Männerstimme. »Frau von Gehldorn, ich bitte um Ihren Bericht.«
Er bekam ihn, und erläuternd setzte die Dame hinzu:
»Um das Tierchen nicht weiter quälen zu lassen, haben wir es in den Wirtschaftsräumen behalten, wo es trotz allen Aufpassens entschlüpft ist. Die Gelegenheit nahm Viola wahr, um sich zu rächen.«
»Danke, das genügt mir. Wo befindet sich meine Frau?«
»Im Tattersal, wie gewöhnlich um diese Zeit. Sie muß jeden Augenblick zurückkommen.«
»Danke. Sie können alle gehen.«
Was sie nur zu gern taten. Sie hörten noch, wie die hysterische Frau kreischte:
»So ungestraft entläßt du dieses Pack?« Da schloß Niklas als letzter die Tür, und so hörte man die Antwort des Gebieters nicht mehr.
»Das ist kein Pack«, entgegnete er drohend. »Das sind anständige Menschen, denen du nicht das Wasser reichen kannst. Nimm deinen rüden Rüpel und verschwinde so schnell wie möglich, damit ich mich nicht doch einmal an ihm vergreife. Wage es nicht noch einmal, hier Unheil zu stiften.«
Er bemerkte die Gestalt im Reitdreß nicht, die soeben sichtbar wurde, weil er der Tür den Rücken kehrte.
Aber Livia sah sie. Und schon setzte sie eine Niedertracht in Szene, worin sie ja groß war. Laut aufschluchzend fiel sie dem Mann um den Hals und bettelte.
»Aber Liebster, sei doch nicht so böse. Hast du denn alles vergessen?«
»Oh«, wechselte sie verschämt die Szene, ehe der überrumpelte Mann noch antworten konnte. »Da ist ja deine Frau. Verzeihung, das ahnte ich natürlich nicht. Komm, mein herziges Kindlein.«
Es mit sich ziehend, verschwand sie schleunigst, und Diederich, der nun auch seine Frau bemerkte, trat auf sie zu, die da erstarrt zwischen Tür und Angel verharrte, blaß bis in die Lippen.
»Ich hoffe, daß du dieser üblen Szene keine Bedeutung beimißt«, sagte er kurz. »Es ist nichts Wahres daran, das schwöre ich dir.«
»Schwör lieber nicht«, winkte sie müde ab. »Ich kann dir das ja doch nicht glauben. Daß du Amouren hast, das weiß ich. Aber daß eine davon sogar in dein Haus kommt, diese Li, die dir so einen schwülen Liebesbrief schickte...«
Ihre Stimme brach, und überrascht blitzte es in seinen Augen auf.
»So hältst du Livia für diese Li?«
»Na, für wen denn sonst?«
»Wunderbar«, lachte er hart auf. »Mein liebes Kind, wenn ich auch kein Heiliger bin – oder es wenigstens vor meiner Ehe nicht war –, so tief bin ich denn doch noch nicht gesunken, um mir meine Techtelmechtel ins Haus kommen zu lassen. Das habe ich von jeher rein gehalten. Ich habe mir eine weiße Lilie erwählt als Hüterin meines Heimes und Herdes«, setzte er ironisch hinzu und merkte, wie sie zusammenzuckte.
»Livia