Kosmos. Alexander von Humboldt
die Erde besitze, biete etwas analoges dar; und sollten sich die Gegensätze dieser tellurischen Polarität auf die Sonne beziehen, so könne sich ein Einfluß davon in der Vorrückung der Nachtgleichen zeigen.« Es ist hier nicht der Ort die Gründe näher zu entwickeln, auf welche Erklärungen gestützt worden sind, die den Erscheinungen entsprechen; aber so denkwürdige Beobachtungen Bessel in Schum. astr. Nachr. 1836 No. 300–302: S. 188, 192, 197, 200, 202 und 230; derselbe in Schum. Jahrb. für 1837 S. 149–168. William Herschel glaubt auch in seinen Beobachtungen des schönen Cometen von 1811 Beweise der Rotation des Kerns und Schweifes (Philosoph. Transact. for 1812 P. I. p. 140) gefunden zu haben, ebenfalls Dunlop im dritten Cometen von 1825 zu Paramatta., so großartige Ansichten über die wunderbarste Classe aller Weltkörper, die zu unserm Sonnensystem gehören, durften in diesem Entwurf eines allgemeinen Naturgemäldes nicht übergangen werden.
Ohnerachtet der Regel nach die Cometenschweife in der Sonnennähe an Größe und Glanz zunehmen und von dem Centralkörper abgewendet liegen, so hat doch der Comet von 1823 das denkwürdige Beispiel von zwei Schweifen gegeben: deren einer der Sonne zu, der andere von ihr abgewandt war, und die unter einander einen Winkel von 160° bildeten. Eigene Modificationen der Polarität und die ungleichzeitige Vertheilung und Leitung derselben können in diesem seltenen Falle zweierlei, ungehindert fortgesetzte Ausströmungen der nebligen Materie verursacht haben Bessel in den astr. Nachr. 1836 No. 302 S. 231 (Schum. Jahrb. 1837 S. 175). Vergl. auch Lehmann über Cometenschweife in Bode’s astron. Jahrb. für 1826 S. 168..
In der Naturphilosophie des Aristoteles wird durch solche Ausströmungen die Erscheinung der Cometen mit der Existenz der Milchstraße in eine sonderbare Verbindung gebracht. Die zahllose Menge von Sternen, welche die Milchstraße bilden, geben eine sich selbst entzündende (leuchtende) Masse her. Der Nebelstreif, welcher das Himmelsgewölbe theilt, wird daher von dem Stagiriten wie ein großer Comet betrachtet, der sich unaufhörlich von neuem Aristot. Meteor. I. 8, 11–14 und 19–21 (ed. Ideler T. I. p. 32–34); Biese, Philos. des Aristoteles Bd. II. S. 86. Bei dem Einflusse, den Aristoteles auf das ganze Mittelalter ausgeübt hat, ist es unendlich zu bedauern, daß er den großen und der Wahrheit mehr genäherten Ansichten vom Weltbau, welche die älteren Pythagoreer hatten, so abhold war. Er erklärt die Cometen für vergängliche, unserer Atmosphäre zugehörige Meteore in demselben Buche, in welchem er die Meinung der pythagoreischen Schule anführt (Aristot. I. 6, 2), nach der die Cometen Planeten von langem Umlauf sind. Diese Lehre der Pythagoreer, welche nach dem Zeugniß des Apollonius Myndius noch viel älter bei den Chaldäern war, ging zu den, immer nur wiederholenden Römern über. Der Myndier beschreibt die Bahn der Cometen als eine weit in die oberen Himmelsräume abführende. Daher Seneca (Nat. Quaest. VII, 17): Cometes non est species falsa, sed proprium sidus sicut solis et lunae: altiora mundi secat et tunc demum apparet quum in imum cursum sui venit; und (VII, 27): Cometas aeternos esse et sortis ejusdem, cujus caetera (sidera), etiamsi faciem illis non habent similem. Plinius (II, 25) spielt ebenfalls auf den Apollonius Myndius an, wenn er sagt: Sunt qui et haec sidera perpetua esse credant suoque ambitu ire, sed non nisi relicta a sole cerni. erzeugt.
Bedeckungen der Fixsterne durch den sogenannten Kern eines Cometen oder seine nächsten dunstförmigen Hüllen können Licht über die physische Beschaffenheit dieser wunderbaren Weltkörper verbreiten; aber es fehlt an Beobachtungen, welche die sichere Ueberzeugung Olbers in den astr. Nachr. 1828 S. 157 und 184; Arago de la constitution physique des comètes im Annuaire pour 1832 p. 203-208. Schon den Alten war es auffallend, daß man durch die Cometen wie durch eine Flamme sehen kann. Das älteste Zeugniß von den durch Cometen gesehenen Sternen ist das des Democritus (Aristot. Meteor. I. 6, 11). Diese Angabe führt Aristoteles zu der nicht unwichtigen Bemerkung, daß er selbst die Bedeckung eines der Sterne der Zwillinge durch Jupiter beobachtete. Seneca erwähnt bestimmt nur der Durchsichtigkeit des Schweifes. »Man sieht«, sagt er, »Sterne durch den Cometen, wie durch ein Gewölk (Nat. Quaest. VII. 18); man sieht aber nicht durch den Körper selbst des Cometen, sondern durch die Strahlen des Schweifes: non in ea parte qua sidus ipsum est spissi et solidi ignis, sed qua rarus splendor occurrit et in crines dispergitur. Per intervalla ignium, non per ipsos, vides« (VII, 26). Der letzte Zusatz ist überflüssig, da man allerdings, wie schon Galilei im Saggiatore (Lettera a Monsignor Cesarini 1619) untersuchte, durch eine Flamme sieht, wenn sie nicht eine zu große Dicke hat. gewähren, daß die Bedeckung vollkommen central gewesen sei: denn, wie wir bereits oben bemerkt, in dem dem Kerne nahe liegenden Theile der Hülle wechseln concentrische Schalen von dichtem und sehr undichtem Dunste. Dagegen ist es keinem Zweifel unterworfen, daß am 29 September 1835, nach Bessel’s sorgfältigsten Messungen, das Licht eines Sternes zehnter Größe, der in 7”,78 Entfernung von dem Mittelpunkt des Kopfes des Halley’schen Cometen durch einen sehr dichten Nebel durchging, während dieses Durchganges durch alle Theile des Nebels nicht von seiner geradlinigen Bewegung Bessel in den astron. Nachr. 1836 No. 301 S. 204–206; Struve in den Actes de la Séance publique de l’Acad. de S. Pétersb. 1835, p. 140–143 und astr. Nachr. 1836 No. 303 S. 238. »Für Dorpat stand der Stern in der Conjunction nur 2”,2 vom hellsten Punkt des Cometen ab. Der Stern blieb unausgesetzt sichtbar, und ward nicht merklich geschwächt, während der Kern des Cometen vor dem Glanze des kleinen Sterns (9–10ter Größe) zu verlöschen schien.« abgelenkt wurde. Ein solcher Mangel von strahlenbrechender Kraft, wenn er wirklich dem Centrum des Kernes zukommt, macht es schwer den Cometenstoff für eine gasförmige Flüssigkeit zu halten. Ist derselbe alleinige Folge der fast unendlichen Dünnigkeit einer Flüssigkeit? oder besteht der Comet »aus getrennten Theilchen«: ein kosmisches Gewölk bildend, das den durchgehenden Lichtstrahl nicht mehr afficirt als die Wolken unsrer Atmosphäre, welche ebenfalls nicht die Zenith-Distanzen der Gestirne oder der Sonnenränder verändern? Bei dem Vorübergange der Cometen vor einem Sterne ist oft eine mehr oder minder beträchtliche Schwächung ihres Lichts bemerkt worden. Man schreibt sie mit vielem Rechte dem hellen Grunde zu, von dem während der Bedeckung die Sterne sich abzuheben scheinen.
Die wichtigste und entscheidendste Beobachtung, welche über die Natur des Cometenlichtes gemacht worden, verdanken wir Arago’s Polarisations-Versuchen. Sein Polariscop belehrt uns über die physische Constitution der Sonne, wie über die der Cometen; das Instrument deutet an, ob ein Lichtstrahl, der aus einer Entfernung von vielen Millionen Meilen zu uns gelangt, directes oder reflectirtes Licht ist, ob im ersten Falle die Lichtquelle ein fester und tropfbar-flüssiger oder ein gasförmiger Körper ist. Es wurden auf der Pariser Sternwarte in demselben Apparat das Licht der Capella und das Licht des großen Cometen von 1819 untersucht. Das letztere zeigte polarisirtes, also zurückgeworfenes Licht: während der Fixstern sich, wie zu vermuthen stand, als eine selbstleuchtende Sonne Die ersten Versuche Arago’s, die Polarisation auf den Cometen anzuwenden, geschahen am 3 Julius 1819, am Abend der plötzlichen Erscheinung des großen Cometen. Ich war auf der Sternwarte zugegen, und habe mich, wie Mathieu und der jetzt verstorbene Astronom Bouvard, von der Ungleichartigkeit der Lichtstärke im Polariscop, wenn dasselbe Cometenlicht empfing, überzeugt. Bei der Capella, welche dem Cometen nahe und in gleicher Höhe stand, waren die Bilder von gleicher Intensität. Als der Halley’sche Comet erschien, im Jahr 1835, wurde der Apparat so abgeändert, daß er nach der von Arago entdeckten chromatischen Polarisation zwei Bilder von ComplementärFarben (grün und roth) gab. Annales de Chimie T. XIII. p. 108, Annuaire pour 1832 p. 216. »On doit conclure«, sagt Arago, »de l’ensemble de ces observations que la lumière de la comète n’était pas en totalité composée de rayons doués des propriétés de la lumière directe, propre ou assimilée: il s’y trouvait de la lumière réfléchie spéculairement ou polarisée, c’est à-dire venant du soleil. On ne peut assurer d’une manière absolue que les comètes brillent seulement d’un éclat d’emprunt. En effet, en devenant lumineux par eux-mêmes, les corps ne perdent pas pour cela la faculté de réfléchir des lumières étrangères.« erwies. Das Dasein des polarisirten Cometenlichtes verkündigte sich aber nicht bloß durch Ungleichheit der Bilder: es wurde bei der Wieder-Erscheinung des Halley’schen Cometen im Jahr 1835 noch sicherer durch den auffallenderen Contrast der Complementar-Farben, nach der von Arago im Jahr 1811 entdeckten chromatischen Polarisation, begründet. Ob außer diesem reflectirten Sonnenlichte die Cometen