Wyatt Earp Staffel 8 – Western. William Mark D.
riß im nächsten Augenblick einen Derringer hoch.
Wie ein Geschoß hechtete ihm der große Mann aus Missouri entgegen und riß ihn nieder.
Es bedurfte keiner weiteren Anstrengung, ihn dingfest zu machen.
Da riß der Begleiter des »Stationsmasters«, der offenbar im Caféhaus auf diesen gewartet hatte, ein Stilett aus der Jackentasche und stieß es auf den Marshal zu.
Gedankenschnell schlug Wyatt ihm den Arm hoch, packte nach und schleuderte den Mann gegen die Theke.
Frauen schrien entsetzt auf.
Geschirrteile wurden von einem Tisch gestoßen und zersprangen klirrend auf den Dielen.
Da flog vorn die Tür auf, und Doc Holliday erschien.
Gefolgt von dem keuchenden Hüter des Gesetzes.
Der »Stationsmaster« und sein Begleiter wurden festgenommen. Der kahlhäuptige Mann hieß Levis Abraham und stammte aus Arlington, wo er längere Zeit als Kalfaktor in der Strafanstalt gedient hatte.
Der andere war ein Holzarbeiter, ebenfalls aus Arlington.
Wyatt knöpfte sich den Kalfaktor vor. »Wo ist euer Boß?«
»Boß? Ich weiß nicht, was Sie meinen, Mister.«
Der Sheriff warf sich in Positur.
»Hören Sie zu, Abraham, dieser Mann ist Wyatt Earp. Ein Sheriff aus dem Westen, dessen Name auch Ihnen nicht unbekannt sein dürfte. Er behauptet, Sie und drei andere Männer hätten ihn und Mister Holliday überfallen.«
Abraham wurde weiß vor Schreck; er hatte also von Heeth noch nicht erfahren, mit wem er es an der verlassenen Pferdewechselstation zu tun hatte.
Wyatt stand mit gespreizten Beinen vor ihm.
»Ich lasse Sie hängen, Abraham, wenn Sie nicht sagen, wo sich euer Boß verbirgt.«
»Hängen? Allmächtiger! Ich habe doch nichts getan.«
»Nichts getan? Für diese Lüge bekämen Sie drüben im Westen eine Ohrfeige, Mann. Sie und Ihre Spießgesellen haben an der stillgelegten Overlandstation westlich von Arkansas City Miß Elizabeth Wardrup überfallen, ausgeraubt und erschossen!«
»Erschossen? Nein, Rod hat uns zwar schon vorgeschickt und erklärt, daß er die Frau nur ordentlich fesseln und knebeln müsse, aber…«
»Weshalb sind Doc Holliday und ich nicht getötet worden?«
»Wir hielten Sie auch für tot. Und…« Zu spät merkte der Verbrecher, daß er sich verraten hatte. Eine jähe Röte überflutete jetzt sein Gesicht.
Wyatt sah ihn aus Augen an, die etwas von der Farbe eines zugefrorenen Bergsees an sich hatten.
»Uns hieltet ihr also auch für tot. Tot – wie die Frau, die Sie niedergeschossen haben!«
Die letzten Worte hatte er dem Banditen donnernd entgegengeschleudert.
»Nein!« schrie der einstige Gefängnisaufseher entsetzt auf. »Ich war es nicht!«
»Wer denn?« herrschte Wyatt ihn an.
»Ich weiß es nicht!«
»Sie wollen Ihren Hals nur retten, Abraham, aber das wird Ihnen nichts helfen! Sie sind der Mordschütze, Sie sind der Mörder der Elizabeth Ward-rup. Ich übergebe Sie dem Sheriff.«
Da brach der Mann zitternd in die Knie und lallte:
»Rod war es. Ich war zu Tode erschrocken, als er die Frau niederschoß…, als sie ausstieg. Sie kam zu keinem Wort, zu keinem Schrei. Drei Kugeln schickte er in ihre Brust. Sie brach sofort tot zusammen.«
»Und der da, was ist mit dem?« Wyatt wies auf den Holzarbeiter.
»Er hat mit dieser Sache nichts zu tun.«
»Das wird sich herausstellen. Wo ist Rodney Heeth?«
»Ich weiß es nicht. Ich schwöre es. Es muß etwas dazwischen gekommen sein. Er wollte längst hier sein.«
»Wo ist das Geld?«
»Das hat er.«
Wyatt riß den Mann zum Schrekken des Sheriffs und der beiden Hilfsbeamten hoch und zog ihn mit einem Ruck zu sich heran.
»Sie werden mit Rodney hängen, Levis Abraham!«
»Er ist in der Apotheke.«
»Wo da?«
»Im Lagerraum, unter dem großen Flaschenbord steht eine Wismutkiste aus Cleveland…«
Diesmal hatte der Bandit nicht gelogen. Das drastische Verhör des Marshals aus dem Westen hatte eine Menge Arbeit, Mühe, Fahrten und dergleichen mehr erspart.
Das Geld war da. Und zwar alles, was Rodney Heeth bei Arkansas City geraubt hatte, bis auf wenige Dollars.
Der Apotheker war ein Bruder des Holzarbeiters Morris. Auch dieser Zusammenhang war also klar. Der Apotheker wurde mit ins Sheriffs Office genommen.
Allmählich kristallisierte sich das tödliche Spiel des Verbrechers Rodney Heeth heraus.
Noch aber fehlte das letzte Glied in der Kette: Wo war er selbst, und wie war es möglich gewesen, das Ganze in Szene zu setzen und durchzuführen?
Wyatt kombinierte, daß der Bandit gleich mit einigen Kumpanen, die ihm höchstwahrscheinlich bei der Flucht aus Arlington behilflich waren, in den Westen geflohen sein mußte.
Nach Arkansas City, auf der Ranch des Bruders.
Er hatte dem Bruder wahrscheinlich sofort nach seinem Ausbruch aus der Strafanstalt geschrieben. Hatty Heeth sei gestorben. Wie er das Geld für die Fahrt dann an sich gebracht haben mochte, war Wyatt noch ein Rätsel. Es mußte doch ins Shenandoah Valley nach Furnace gegangen sein.
Hatte er dort einen Verbündeten?
Wie ein Faustschlag traf den Marshal plötzlich die Erkenntnis: Elly Wardrup hatte ihn noch immer geliebt, war auf das falsche Spiel eingegangen und hatte ihre Liebe und ihre Partnerschaft mit einem Verbrecher mit dem Tod bezahlen müssen.
Rodney Heeth hatte ihr von der Ranch aus geschrieben und den Brief so abgefaßt, als käme er von seinem Bruder. Und dann war im Juli die alte Frau vor Gram plötzlich gestorben. Jetzt setzte Rod Heeth sein Spiel in Gang. Er schrieb einen Brief, worin er als James Heeth die junge Miß Wardrup aufforderte, sämtliche Geldmittel flüssig zu machen, die sich irgendwie rasch flüssig machen ließen, und damit sofort nach dem Westen zu reisen. Raffinierterweise hatte er sie dann irgendwie in eine falsche Overland gelockt und auf die entlegene, längst ausrangierte Linie geschickt, an deren Ende der Tod durch drei Kugeln aus der Mörderhand ihres Geliebten auf sie gewartet hatte.
Das war das grobe Bild dieser unfaßbaren Geschichte, die ein wahrhaft diabolischer Mensch ersonnen und auch eigenhändig durchgeführt hatte.
Da das viele Geld ihm auf der Ranch hinderlich gewesen wäre, hatte er es dem alten Vertrauten, Abraham, nach Shenandoah mitgegeben. Vielleicht hatte das auf dem Zettel gestanden, den er möglicherweise auf dem Vorbau der Station während des Pokerspiels gekritzelt und dem Genossen zugespielt hatte, der ihn dann später vielleicht zerrissen und weggesteckt hatte. Dabei mochte ihm einer der Schnitzel entglitten und unter den grobgezimmerten Tisch gefallen sein.
Shenandoah. Ohne dieses Wort wäre vielleicht niemals jemand auf die Spur dieses scheußlichen und so raffiniert eingefädelten Verbrechens gekommen.
Selbst wenn Wyatt Earp und Doc Holliday den Bruder des Ranchers verdächtigt hätten – erst das Wort Shenandoah, das dann auch der Rancher im Gespräch mit ihnen erwähnt hatte, löste die Gewißheit an der Mittäterschaft Rodneys an dem Verbrechen bei den beiden Dodgern aus und brachte sie auf seine so weitherkommende Fährte.
Daß er die Ranch hatte anzünden wollen und die Pferde geraubt hatte, war eine Panikhandlung seinerseits gewesen, mit der er ganz sicher versucht hatte, nicht nur die