Wyatt Earp Staffel 8 – Western. William Mark D.
Ist ja eine Patrone drin! Und hier auch!«
Der jüngere Heeth grinste und lehnte sich in die Fensternische. »Ich weiß.«
Sein Bruder blickte ihn entrüstet an.
»Aber du hast doch die Trommeln rotieren lassen!«
»Stimmt!«
»Ja, bist du denn des Teufels?«
»Ich denke nicht.«
Doc Holliday wischte eine Tabakwolke vor seinem Gesicht auseinander.
»Sie sollten es nicht so wichtig nehmen, Mister Heeth. Wenn in jeder Trommel nur eine Patrone ist und Ihr Bruder etwas von Revolvern versteht, so ist es gar nicht einmal schwer, diese einzelne Kugel immer wieder dahin zu schleudern, wo der Hammer sie nicht trifft.«
Der Rancher musterte den Spieler mit harten Augen.
»Das sagen Sie. Aber ich glaube nicht, daß mein Bruder ein so großer Revolverkenner ist…«
Der Rancher hob den Colt, stieß den Daumen gegen die Trommel und ließ die Walze rotieren. Dann spannte er den Hahn und zog den Stecher durch.
Die Kugel bohrte sich anderthalb Yard neben Rodney in die Wand.
Ein düsterer Schatten kroch über das faltenzersägte Gesicht des Ranchers.
»Wie Sie sehen, Doc Holliday, ist mein Bruder doch sehr leichtsinnig gewesen.«
Der Spieler stand auf und nahm den zweiten Revolver von dem Rancher entgegen.
Er wog die Waffe in der Hand und bemerkte plötzlich, wie die Rechte von Rodney Heeth zum Revolverkolben kroch.
Wie ein Rad wirbelte der große Revolver um den Mittelfinger des Gamblers. Dann stand er plötzlich still wie ein Stein.
Die Mündung deutete in die Fensternische.
Die Trommel rotierte.
Blitzschnell flog der Hahn zurück, und fast im selben Augenblick zog der Georgier den Stecher durch.
Klick!
Das harte, metallische Geräusch riß an den Nerven der drei anderen Männer.
Rodney Heeth war aschgrau geworden.
»Sie sehen, Rancher, es ist doch nicht so schwer«, sagte der Spieler.
Dann nahm er aus Rodneys Waffengurt, der noch um die Stuhllehne hing, eine neue Patrone heraus und behielt sie in der linken Hand.
»War das kein Zufall?« wollte der Rancher wissen.
»So wenig wie die beiden Hammerschläge Ihres Bruders vorhin.«
»Na, ich weiß nicht.«
Und was sich dann vor den Augen der drei Zuschauer abspielte, war geradezu verblüffend und geschah so schnell, daß sie kaum zu atmen wagten.
Holliday ließ die Kugel in den linken Jackenärmel rutschen, warf den Revolver von der rechten in die linke Hand, ließ die Trommel kurz rotieren, spannte den Hahn und – Klick!
Blitzschnell flog die Waffe in die rechte Hand zurück.
Und da das gleiche Spiel.
Hin und her flog der Revolver. Siebenmal, achtmal, neunmal. Dann ging Holliday zum Tisch.
»Wenn Sie aber natürlich den Schuß haben wollen…« Gedankenschnell flog die Rechte mit dem Revolver wieder hoch, und noch nie hatten die Gebrüder Heeth einen Mann so kurz das Ziel anvisieren und einen so meisterlichen Schuß abfeuern sehen.
Holliday blickte längst nicht mehr dahin und ließ sich am Tisch nieder.
»Ich habe mir erlaubt, Mister Heeth, die Kugel in das gleiche Loch zu setzen, das sie schon in die Holztäfelung gebohrt haben. Es ist jetzt etwas mehr Blei drin, aber kaum wesentlich größer.«
Rodney Heeth flog herum und starrte auf das Loch in der Holzwand.
Dann zog er ein Messer aus der Tasche und holte das Blei aus der Wand. Tatsächlich, es waren zwei gleichartige verformte Bleigeschosse übereinander in demselben Kugelloch gewesen.
Rod ging zum Tisch, nahm seinen Waffengurt und schnallte ihn um.
»Das ist ja interessant«, preßte er durch die Zähne.
»Aber wenn ich jetzt beispielsweise einen Revolver zöge, Doc, dann wären Sie doch geschlagen.«
Der Gambler lächelte ihn hintergründig an.
»Das ist ein Irrtum, Mister. Jetzt sitzt die Patrone genau vor dem Lauf.«
»Die Patrone haben Sie verschossen!«
In den Augen des anderen glomm es auf.
Der Gambler erhob sich. »Ich will Sie nicht fragen, Mister Heeth, ob ich den kleinen Spaß von vorhin wiederholen soll. Das wäre nicht fair, und außerdem liebe ich solche Dinge nicht. Kommen Sie her.«
Der junge Heeth kam zögernd näher.
Holliday stand neben ihm und zeigte ihm den Revolver.
Heeth schluckte. »Damned, Sie haben die Kugel doch verschossen.«
»Wenn Sie da in Ihren Waffengurt sehen, werden Sie feststellen, daß eine Patrone fehlt.«
Außer dem Marshal war die Bewegung, mit der Holliday vorhin die Patrone an sich genommen hatte, allen entgangen. Und außer ihm hatte auch niemand bemerkt, wie Holliday, als er sich hinsetzte, rasch nachgeladen hatte.
Ein seltsam blechernes Lachen kam von Rods Lippen.
»Sie sind wirklich ein gefährlicher Mann, Doc Holliday«, sagte er gedehnt.
»Gefährlich?« meinte sein Bruder ziemlich verärgert. »Ich finde ihn großartig. Und ich wäre froh, Tod, wenn du aus der Lektion vorhin etwas gelernt hättest. Ich bin nicht scharf darauf, daß du die Kunststücke Doc Hollidays etwa alle nachzuahmen versuchst, aber was mir wünschenswert erscheint, ist, daß du auch etwas von der Vorsicht gelernt hast, mit der der Doc die Waffe handhabt. Denn ein Revolver ist kein Spielzeug.«
Rodney Heeth stand an der Tür zum Hof. Mit belegter Stimme fragte er:
»Das war also kein Spiel, das uns der Doc da vorgeführt hat?«
»Nein«, entgegnete Holliday und senkte den Kopf.
Rod verließ den Raum.
Der Rancher stellte eine Brandyflasche auf den Tisch und holte Gläser.
»Ach, nehmen Sie es ihm nicht übel, er ist manchmal richtig albern. Die Tante, bei der er aufgewachsen ist, hielt sich leider mehr in der Kirche auf als daheim. Ich habe nichts gegen Leute, die in die Kirche gehen und freue mich immer, wenn ich sonntags nach Arkansas City reiten kann, um das Gesangbuch herauszuholen und mit den anderen Männern und Frauen dem lieben Gott einige Lieder vorsingen kann. Aber Tante Hatty hat über der Kirche ihr Haus vergessen und ihr Leben. Und das nehme ich ihr verdammt übel. Vor allem, weil ich ihr meinen Bruder anvertraut hatte, damals, kurz nach dem Tod meiner Mutter oben in Lexington. Sie zog mit ihrem Mann und dem Baby hinauf nach Shenandoah. Und sobald ich ein paar Dollars erübrigen konnte, habe ich sie ihr geschickt. Rod war damals zehn Jahre alt. Tante Hatty ist achtzig geworden. Ich dachte immer, ich schuldete ihr ganze Berge voll Dank. Aber sie hat den Kleinen doch vernachlässigt. Als er mir schrieb, daß sie tot wäre, habe ich ihn kommen lassen. Fragen Sie nicht, was für einen Burschen ich erwartet hatte und was für ein Häufchen Elend hier ankam. Well, er ist gesund und sieht gut aus. Er ist auch ziemlich kräftig und kann reiten – und überhaupt macht er nach außen hin den Eindruck, den eben ein Mann von achtunddreißig Jahren machen sollte. Aber wenn ich ihn dann manchmal reden höre, dann kommt er mir vor wie ein halbwüchsiger Junge. Nein, Tante Hatty hat sich nicht genug um ihn gekümmert.«
»Arbeitet er denn mit auf der Ranch?« fragte Wyatt.
Der Rancher zog die Schultern hoch und ließ sie wieder fallen.
»Wer