Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman. Karin Bucha
doch«, bemerkt er gelassen, nimmt die Speisekarte zur Hand und beginnt mit Hilfe des herbeigerufenen Kellners ein auserlesenes Menü zusammenzustellen. Der Kellner eilt davon, und der Fremde schaut Pat mit einem amüsierten Lächeln an. »Hoffentlich schreien Sie nicht abermals um Hilfe?«
Langsam färben sich Pats Wangen rot. Sie schiebt die Unterlippe etwas vor. »Bis jetzt haben Sie sich sehr gütig zu mir benommen. Weshalb sollte ich wohl um Hilfe schreien?«
Sein Lächeln vertieft sich. »Ich wollte nur hören, ob Ihr Wortschatz aus dem einzigen Wort Hilfe besteht. Weiter haben Sie bisher noch nichts gesagt.«
»Verzeihen Sie«, flüstert sie und weicht den forschenden grauen Augen hilflos aus. »Die vielen Menschen verwirren mich.«
»Und warum haben Sie sich in den Karnevalstrubel gestürzt?«
Voll Verlegenheit hebt sie abermals die Augen zu ihm auf.
»Meine – meine Mutter wollte es so. Viel lieber wäre ich bei ihr geblieben. Sie ist krank, schon sehr lange krank. Ich kann mich nicht freuen über die Ausgelassenheit. Immer muß ich an daheim denken.«
Sehr ernst blickt er auf den schöngeformten Mund, der nur zögernd seine Frage beantwortet hat.
»Und nun möchten Sie am liebsten sofort heim?«
Sie nickt heftig. »Eigentlich – ja!«
»Und uneigentlich?«
Sie sieht an ihm vorbei, bewundert die Schönheit des weiten Raumes mit seiner intimen Beleuchtung und den farbenfrohen Läufern. Sie spürt die Wärme angenehm durch den Körper ziehen. Leicht legt sie die immer noch kalten Hände um das heiße Glas Punsch.
»Nun?« drängt er.
Gedankenverloren blickt sie vor sich hin. »Meiner Mutter wäre es nicht erwünscht, käme ich jetzt schon wieder zurück. Ich sollte einmal fröhlich sein, meinte sie.«
»Sind Sie immer eine so gehorsame Tochter?«
Ihre schweren dunklen Wimpern heben sich. Etwas wie Entsetzen liest er in ihren Augen. »Ist das nicht selbstverständlich?« Kühl klingt ihre Stimme. Es ist, als würde sie sich ein Stock von ihm entfernen. »Mein Vater ist tot. Ich habe so gut wie keine Erinnerung an ihn. Meine Mutter hat nur für mich gelebt. Ist es nicht meine Pflicht als gute Tochter, ihr jeden Wunsch zu erfüllen?«
»Verzeihen Sie«, sagt er beschämt und drückt seine Lippen auf ihre Hand, die sie ihm sogleich heftig und erschreckt entzieht. »Ich war eben taktlos. Also habe ich Ihrer Frau Mutter ebenfalls dankbar zu sein, denn ihr verdanke ich Ihre angenehme Gesellschaft.«
Sie fällt von einer Verwirrung in die andere. Nimmt er sie nun ernst oder nicht? Sein spöttisch wirkendes Lächeln hat er verloren. Aufmerksam betrachtet sie ihn. Er paßt in diese vornehme Umgebung. Der Frack kleidet ihn ausgezeichnet. Seine Bewegungen sind beherrscht, seine Sprache ist gewählt. Das Gesicht trägt einen kühn zu nennenden Zug.
»Eine angenehme Gesellschafterin bin ich bestimmt nicht.« Wieder gleitet ihr Blick über sein gepflegtes Äußeres. »Sicher haben Sie etwas Besseres vorgehabt.«
Er schweigt sekundenlang und denkt mit einigem Unbehagen, daß er wegen dieser schönen Unbekannten Mary mit ihrer Mutter, Lady Kingston, im Ring-Hotel hat sitzenlassen. Mary, die kühle Blondine, die man allgemein für seine Braut hält.
Aber nur Sekunden bringt er in Gedanken bei Mary zu. Das schöne liebreizende Menschenkind vor ihm nimmt ihn wieder völlig gefangen.
»Es stimmt«, gibt er zu. »Ich habe eine Verabredung. Aber viel lieber möchte ich meine Zeit mit Ihnen verbringen. Wenn Sie gestatten, werde ich einmal telefonieren.«
»Aber ich muß doch –«
»– heim«, vollendet er ihren Satz. »Auch ich muß einmal heim. Doch vorher wollen wir zusammen fröhlich sein. Einverstanden?«
Sie kann nur nicken. Eigentlich ist sie kaum gewohnt zu widersprechen. Das Zusammenleben mit ihrer kranken Mutter hat sie fügsam gemacht. Bei diesem Fremden kommt noch das Imponierende seiner Erscheinung dazu. Ihr Herz schlägt rascher als gewöhnlich.
Sie sieht hinter ihm her, wie er sich von dem Kellner den Weg zur Telefonzelle zeigen läßt.
Tief in Gedanken versunken ist sie, als er wieder vor ihr auftaucht. Sie glaubt etwas wie Verdruß in seinen Zügen zu lesen. Doch dieser Ausdruck verflüchtigt sich sofort wieder, als ihr Blick in den seinen taucht.
»Erledigt, kleines Fräulein«, sagt er, und schon beginnt man, ihnen zu servieren. Er überwacht alles mit kritischen Augen und nickt zufrieden, als die Bedienung sich zurückzieht.
Zunächst schenkt er ihr das Glas voll und schiebt es ihr zu.
»Und nun wollen wir erst einmal anstoßen. Auf unsere Bekanntschaft und den Zufall, der Sie mir in den Weg geführt hat!«
Hell klingen die Gläser aneinander. Pat nippt und stellt das Glas wieder ab.
»Schmeckt der Wein Ihnen nicht?« erkundigt er sich besorgt.
Sie errötet. »Doch – doch«, stammelt sie. »Nur – ich bin Wein gar nicht gewohnt.«
»Dann wollen wir gleich noch einmal anstoßen«, schlägt er gutgelaunt vor. Und auch diesmal gibt sie ihm Bescheid.
Allmählich verliert sich ihre Scheu. Ihre Augen beginnen zu glänzen und die Wangen zu glühen.
Er muß sich zwingen, sie nicht immerfort anzusehen. Er möchte ihr die Befangenheit nehmen und empfindet mit steigender Freude, wie sie nach und nach aus sich herausgeht und ih-re Unterhaltung immer lebhafter wird.
Wann hat er einmal ein so reizvolles, liebenswertes Menschenkind getroffen, das sich dazu noch nicht einmal seiner Schönheit bewußt ist…
»Und nun wollen wir tanzen«, schlägt er vor, als man ihnen den Mokka serviert hat.
»Tanzen?« Bestürzt sieht sie ihn an. »Ich – ich kann nicht tanzen.«
Er lacht hellauf. »Sie mit Ihrer elfenhaften Gestalt wollen nicht tanzen können? Kommen Sie, versuchen wir es einmal.«
Er zieht sie halb aus dem Sessel. »Übrigens, ich weiß noch nicht einmal Ihren Namen.«
Sie sieht ihn ernsthaft an. »Ich kenne Ihren Namen doch auch nicht!«
»Richtig, meine kleine Dame. Heute ist Narrenfreiheit, heute sind Namen nicht so wichtig. Nennen Sie mich Donald.«
»Ich heiße Patricia«, antwortet sie, und sie muß über den Ausdruck seines Gesichtes leise auflachen.
»Patricia, wunderschöne Patricia«, wiederholt er fast andächtig. »Einen besseren Namen kann ich mir für Sie nicht vorstellen.«
Verwirrt senkt Pat die Augen und folgt ihm widerstrebend auf die Tanzfläche.
»Ich werde Sie blamieren«, flüstert sie ihm zu. Er schüttelt nur lachend den Kopf, legt den Arm um ihre zarte Gestalt und wirbelt mit ihr davon.
Pat folgt ihm nunmehr willig. Fester schmiegt sie sich in seinen Arm, der sie sicher führt. Sie meint auf einer rosaroten Wolke zu schweben, hinter der sogar ihre Umgebung verschwindet. Nur allzu deutlich schält sich das schmale, kühne Gesicht des Fremden heraus. Sie sieht schrankenlose Bewunderung in seinen grauen Augen, und schnell legen sich die Lider mit den dichten, seidig glänzenden Wimpern über ihre geheimnisvoll leuchtenden Augen.
So wird dieser erste Tanz mit dem Fremden für Pat zu einem beseligenden Erlebnis.
Wie aus einem wunderschönen Traum erwacht sie, als die Musik verstummt ist und die Gäste um eine Fortsetzung des Tanzes klatschen.
»Nun?« fragt Donald und neigt sich über das schöne Gesicht Pats. »Haben Sie mich blamiert?«
»Ich – ich weiß nicht«, stammelt sie, dabei packt sie seinen Arm. »Bitte, wollen wir nicht lieber an unseren Tisch zurückkehren? Ich bin durstig.«
»Ich