Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman. Karin Bucha
du«, droht sie und weint wieder in ihr Taschentuch. »Wenn du nur so viel von dem Mann an dir hättest.« Sie mißt mit Daumen und Zeigefinger. Er bleibt aber ganz ungerührt.
»Vielleicht darf ich mich als Ersatz zur Verfügung stellen, Monika?«
»Du?« Unsicher blickt sie zu ihm auf. »Was soll denn das nun wieder bedeuten?«
»Ich mache dir in aller Form einen Heiratsantrag. Merkst du das nicht?«
Sein Lächeln vertieft sich.
»Da mußt du doch erst Vati fragen«, gibt sie kleinlaut zurück. Er reißt sie förmlich aus dem Sessel und preßt seinen Mund auf ihre Lippen. Als er sie freigibt, sind sie beide außer Atem.
»So macht man das. Das Jawort hole ich mir hinterher. Oder liebst du mich nicht?«
»Doch – sehr!« Sie blitzt ihn aus verdunkelten Äugen an. »Endlich hast du dich einmal als Mann gezeigt. Immer hast du alles getan, was ich wollte.«
Er zieht sie noch fester an sich und flüstert ihr ins Ohr:
»Du wirst zwar wütend sein, aber das werde ich in Zukunft auch tun, weil ich dich über alles liebe. Und wenn du versuchst, aus der Reihe zu tanzen, dann lege ich dich übers Knie. Verstanden?«
»Oh, Klaus-Dieter!« Sie fällt ihm um den Hals und küßt ihn stürmisch.
Reserl bekommt bald einen Herzschlag, als sie das junge engumschlungene Paar bemerkt.
»Wird nun geküßt oder Geburtstag gefeiert?« fragt sie trocken.
»Wir feiern gar keinen Geburtstag«, lacht Klaus-Dieter ihr zu.
»Was? Wo ich mir so viel Mühe gemacht habe und die gnädige Frau auch!«
Reserl fühlt sich plötzlich von zwei Armen umschlungen und auf beide Wangen geküßt.
»Wir feiern Verlobung, Reserl, und du kannst mit all den guten Dingen angetanzt kommen.«
»Verlobung?« Reserl kneift die Augen zu. »Ich werde verrückt. Und das alles hinter dem Rücken der Herrschaften?«
»Du bist Muttis Vertretung, Reserl«, schmeichelt Monika. »Oder magst du ihn nicht leiden, meinen Klaus-Dieter?«
Reserl seufzt tief auf. Es könnte einen Stein erweichen.
»Daß ihr einmal ein Paar werdet, damit habe ich gerechnet. Aber ein solches Tempo vorzulegen!« Kopfschüttelnd wackelt sie hinaus.
Klaus-Dieter und Monika halten sich an den Händen, und Monika schüttelt ebenfalls den Kopf. »Sie hat kein Wort gesagt, ob sie dich mag.«
Er lacht vergnügt und küßt sie.
»Hauptsache, du magst mich.«
»Und wie!«
»Mutti, wenn ich groß bin, nicht wahr, dann arbeite ich für dich?«
Die bleiche, traurige Frau legt dem plappernden Kind erschrocken den Zeigefinger auf den Mund.
»Pssst, Liebling! Du sollst beten – und dann endlich schlafen!«
Frau Irene gleitet von ihrem Stuhl herab auf die Knie, legt ihre Hände um die gefalteten des Kindes. Mit weher, leiser Stimme spricht sie mit ihm das Nachtgebet: »Lieber Gott, mach mich fromm –«
Die Augen des Kindes schließen sich, ein glückliches Lächeln umspielt den roten Kindermund, während die Dämmerung sich in dem kälter werdenden Zimmer ausbreitet.
Regungslos, weitab mit ihren Gedanken, sitzt Frau Irene auf dem Stuhl neben dem Bettchen der Kleinen, den Kopf weit zurückgelehnt.
Friedrich kann sie unmöglich verlassen haben, schon um des Kindes willen nicht.
Wie ist das nur gewesen?
Eine Meinungsverschiedenheit hatte es zwischen ihnen gegeben. An sich eine Geringfügigkeit. Aber gereizt, wie sie beide in der letzten Zeit sehr häufig waren, hatte es zuletzt eine heftige Szene gegeben, und er war schließlich mit der Drohung gegangen: »Ich habe es satt, mir deine ewigen Nörgeleien anzuhören, satt bis obenhin habe ich das!«
Was hatte sie denn Schlimmes getan? Hatte sie ihn nicht nur liebevoll darauf aufmerksam gemacht, daß sie sparsamer wirtschaften müßten?
Es ist heute der vierte Tag, daß er sich zu Hause nicht mehr hat sehen lassen. Gott im Himmel – wenn er nun überhaupt nicht wiederkommt?
»Mutti!«
Mit großen, weit offenen Augen, die nichts von der Mutter Sorgen und Leid wissen, sitzt das Kind aufrecht auf seinem Lager.
Im Nu kniet die junge Frau neben dem Bettchen.
»Magda, Liebling – du schläfst immer noch nicht?« stammelt Frau Irene.
»Mutti – ist Vati jetzt da?« lispelt die Kleine.
Frau Irene schüttelt den Kopf.
»Mutti – wollen wir Vati suchen?« Die Augen des Kindes strahlen, als sei es beglückt von dem eigenen Gedanken.
Frau Irene nimmt das Kind in ihre Arme. Über dessen Kopf hinweg irren ihre Blicke ins Leere.
Suchen? – Friedrich suchen?
Schnell kleidet sie das Kind an und wickelt es in eine Decke.
Es ist ihr bekannt, wo Friedrich in letzter Zeit immer verkehrte. Sie wird schon irgendwie erfahren, wo er sich aufhält.
*
Nun ist Irene mit Magda stundenlang durch die Straße geirrt. Überall, wo sich Friedrich vielleicht aufhalten könnte, hat sie nachgeforscht. Immer wieder und immer wieder, vergeblich!
Auf Straßen und Plätzen der Stadt liegt eine dichte weiße Schneedecke.
Immer menschenleerer, einsamer wird die Gegend, nur vereinzelt werfen noch Straßenlaternen ihr Licht auf den glitzernden Schnee.
Magda ist auf ihrem Arm eingeschlummert.
Endlich hält Irene im Laufen inne, blickt um sich mit Augen, die geblendet sind von dem eintönigen Weiß der Schneedecke.
Verirrt!
Sekundenlang kommt sie die Versuchung an, sie möchte sich in das weiße weiche Schneebett legen und schlafen – nur schlafen. Müdigkeit übermannt sie, aber eine einzige Bewegung des Kindes reißt sie aus ihrer Stumpfheit empor.
Nein – nicht sterben! Sie muß leben, leben um des Kindes willen!
Und wieder läuft sie, schleppt sie sich vorwärts, über die endlose weiße Fläche.
Irgendwo taucht ein Licht auf. Wie eine Verheißung dünkt es Irene. Dort, wo Licht ist, müssen auch Menschen sein.
Sie nimmt die letzte schwache Kraft zusammen, schleppt sich weiter und bricht vor Freude in die Knie, als etwas Langgestrecktes, Dunkles vor ihr auftaucht.
Ein Gehöft
Das ist die Rettung! Das ist Hilfe in der Not – denkt die arme, gehetzte Mutter.
Nur noch wenige Schritte hat sie zurückzulegen – aber plötzlich dünkt sie der kurze Weg bis zu dem schützenden Dach endlos zu sein.
Irene fühlt deutlich, wie es siedendheiß über ihre Glieder rinnt – ein einziger weher Schmerz läßt sie an der Mauer des Gehöftes zusammenbrechen.
*
Der Wind braust um das Gut, fährt mit schaurigem Geheul durch den Schornstein.
Christine, die junge Bäuerin, legt das Strickzeug auf den Tisch und erhebt sich, steht einige Minuten mit vorgebeugtem Oberkörper still, angestrengt lauschend.
Da