ALTE WUNDEN (Black Shuck). Ian Graham

ALTE WUNDEN (Black Shuck) - Ian  Graham


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Blick abstrafte und ihre Jacke zusammenzog.

      »Du bist also fertig?«, fragte er.

      Constance sprang auf und antwortete: »Ja doch, auf jeden Fall.«

      »Dex, gute Arbeit, Mann«, lobte Declan, während er seiner Frau die Tür aufhielt. »Ich schau am Montag noch mal vorbei, um euch auf der Terrasse hinterm Haus zu helfen. Regan, du gibst dir in der Zwischenzeit Mühe, uns nicht die ganze Stadtverwaltung auf den Hals zu hetzen, ja?«

      Der Angesprochene brummelte noch irgendetwas, als Declan die Tür schloss.

      Vor dem Haus ließ sich Constance ein »Bist gefeuert« von den Lippen ablesen.

      Declan lächelte sie an. »Er arbeitet für ein geringes Gehalt«, sagte er, schlang einen Arm um ihren Oberkörper und führte sie zurück zum Wagen. »Fahren wir zum Hotel und checken ein.«

      Kapitel 5

      18:02 Uhr, Eastern Standard Time – Freitag, C.H. Barton Center – Liberty-Universität, Lynchburg, Virginia

      Gegen sechs Uhr am Abend hatte leichter Regen eingesetzt. Als sie zum Campus zurückkamen, folgte Declan den Anweisungen der Parkhelfer mit den orangefarbenen Westen und stellte den Sportwagen seiner Frau auf einem zugewiesenen Platz ab.

      Beim Aussteigen schaute er über die Candler's Mountain Road nach Süden. Man betrieb einen erheblichen Sicherheitsaufwand, gerade wie er es erwartet hatte. Weiße Geländewagen mit blinkenden LEDs blockierten Zufahrten und Männer in marineblauen Uniformen, an deren Gürteln gut sichtbar Glock-Pistolen vom Kaliber .40 hingen, standen am Bordstein der Bürgersteige. Nachdem er die Beifahrertür geöffnet hatte, wartete er, bis seine Frau ausgestiegen war.

      Aus der Ferne hörte man die empörten Rufe einer Gruppe Demonstranten, die auf einem Gehweg direkt vor dem Universitätsgelände ausharrten, wo eintreffende Gäste sie allerdings nicht übersehen konnten. Manche Dinge änderten sich nie … Abidan Kafni geriet wie viele andere, die lautstark für Amerika und Israel eintraten, ständig ins Kreuzfeuer der Kritik. Man winkte provokant mit Schildern, auf denen Sprüche wie ›für ein freies Palästina‹ oder ›Besatzung ist ein Verbrechen‹ prangten, und stimmte Sprechgesänge an, ein lautes »Stoppt die israelische Aggression« gegen jeden, der sich dem Pulk bis auf 50 Yards näherte.

      »Reist Kafni immer mit so viel Geleitschutz?«, fragte Constance, während sie zwischen geparkten Autos zum Haupteingang gelotst wurden.

      »Nein, ich glaube nicht – jedenfalls bisher nie. Abgesehen von ihm sind heute Abend ja noch viele andere Gäste da: Senatoren, Kongressabgeordnete und wahrscheinlich auch einige Botschafter. Sehen und gesehen werden.«

      »Dass du aber auch immer so ein Pessimist sein musst«, mäkelte sie und verdrehte die Augen.

      »Ich ziehe den Begriff ›Realist‹ vor, wenn es um Politiker geht.«

      Zwischen dem neuen C.H. Barton Center und dem Hauptcampus verlief die Route 460 vierspurig. Eingebettet im Hang des Liberty Mountain unter dem riesigen Universitätslogo am Berg gab es ein beeindruckendes Bild ab. Das Barton Center – so würden Studentenschaft und Fakultät es wohl verkürzt nennen – war ein ambitioniertes Architekturprojekt. Die Hochschule, die sich nie vor Herausforderungen scheute, hatte es wie erwähnt Thomas Jeffersons einstigem Ruhesitz nachempfunden, nur in einem größeren Maßstab.

      Es handelte sich um ein achteckiges, dreistöckiges Bauwerk mit je zwei raumhohen Fenstern pro Seite auf allen Ebenen. Das Gebäude verfügte wie Monticello, die Plantage des früheren Präsidenten, an Vorder- und Hintereingang über je einen weißen Portikus mit Giebeldach, das von vier Marmorsäulen gestützt wurde, während sich an der Ostseite – genau dort, wo auf dem ursprünglichen Anwesen die Bediensteten untergebracht waren – eine lang gezogene, einstöckige Halle anschloss. Am Fuß der Treppe zum Vorbau lag ein kreisrunder Platz, umgeben von einer Hecke, der mit Pflastersteinen ausgelegt an eine Haltestelle für Kutschen erinnerte. In der Mitte ragte ein stattlicher Thomas Jefferson aus Bronze auf, der einen Federkiel und eine Abschrift der Unabhängigkeitserklärung in den Händen hielt. Sein sanfter, aber wissender Blick zeugte von der Ernsthaftigkeit dessen, was er 236 Jahre zuvor auf den Weg gebracht hatte.

      Nachdem sie über den Platz zum unteren Treppenabsatz gegangen waren, betraten Declan und Constance ein Zelt, das als abgeschlossener Empfangsbereich fungierte. Mehrere Limousinen entließen ihre Smoking tragenden Insassen, die in den Vorbau eilten, als kämen sie zu spät zu einem wichtigen Treffen.

      »Siehst du, was ich meine?«, fragte Declan trocken, während sie auf das Sicherheitspersonal zugingen und einer jener piekfeinen Herren an ihnen vorbeilief, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen.

      »Ihr Name, bitte«, verlangte ein Wachmann an einem grauen, quadratischen Tischchen.

      »Declan und Constance Mc–«

      »Ich sagte Name, nicht Namen. Vorausgesetzt, sie ist nicht stumm, darf sie gleich für sich selbst sprechen.«

      »Offensichtlich hat sich der Umgangston im Lauf der Jahre nicht großartig geändert«, brummte Declan, ehe er sich laut und deutlich vorstellte: »Declan McIver.«

      Der Wachmann hakte ihn mit einem Kugelschreiber auf seiner Liste ab und verwies an zwei seiner Kollegen, die an der untersten Treppenstufe standen. »Wenn Sie bitte Ihre Jacke ausziehen, die Beine spreizen und die Arme von sich strecken würden, Sir«, sagte einer der beiden, als sich Declan an ihn richtete.

      Er streifte sein Oberteil ab und reichte es dem Mann, der es abklopfte und in den Taschen kramte. Unterdessen suchte der zweite Wächter seinen Körper mit einem Metalldetektor ab. Während er die Prozedur über sich ergehen ließ, fasste er seine Umgebung ins Auge. In dem Zelt hielten sich abgesehen von dem Mann am Tisch, der die Gästeliste abglich, und den beiden, die gerade mit Declan beschäftigt waren, mehrere junge Männer mit schwarzen Regenponchos auf, die Autos herein- und hinauswinkten sowie Türen aufhielten, damit die Gäste aussteigen konnten. Neben dem Unterstand parkte schräg ein weißer Ford Crown Victoria mit neutral weißen LED-Signallampen auf dem Dach und dem Hinweis ›Security‹ in leuchtend roten Buchstaben an einer Seite.

      »Sie dürfen weitergehen, Sir«, erlaubte der Wächter mit dem Metalldetektor und baute sich vor Constance auf, die ihren Namen tatsächlich selbst hatte nennen können und nun an der Reihe war. Declan blieb stehen, weil er seine Jacke zurückhaben wollte, doch der Verantwortliche überließ sie stattdessen einer Frau, die ebenfalls einen schwarzen Regenponcho trug. Sie schrieb eine Zahl auf eine Abrisskarte, durchtrennte diese in der Mitte und steckte eine Hälfte an einen Kleiderbügel, mit dem Sie die Jacke aufhängte.

      »Gut darauf aufpassen«, mahnte Declan, als sie ihm die andere Hälfte gab. »Ich trage diese Jacke gerne.«

      Die Frau lächelte kurz oberflächlich, bevor ihr der Wachmann den Mantel von Constance hinhielt, die sich dann ihrem Gatten anschloss. »Komm schon«, drängte sie. »Lass diese Leute ihre Arbeit machen.«

      »Was denn?«, fragte er, als sie seinen Arm nahm und ihn die Treppe hinaufführte. »Ich zieh das Ding echt gerne an.«

      Am Eingang waren zwei weitere Wächter postiert, und zwar jeweils seitlich der offenen Eichentür. Ein kleiner Mann mit einem Dreiteiler aus Tweed stand neben ihnen und blickte freundlich drein. Als die McIvers näherkamen, streckte er eine Hand aus.

      »Ich freue mich, Sie zu sehen, Declan«, begann er mit semitischem Akzent. »Verzeihen Sie all die Unannehmlichkeiten.«

      Declan drückte fest seine Hand und erwiderte: »Schätze, ich hätte Abes Angebot annehmen sollen, was den Chauffeur angeht.« Gerade stieg ein älterer Gentleman aus einem Lincoln und huschte an den Sicherheitsleuten vorbei. »Ich freue mich auch, Sie zu sehen, Levi. Das ist meine Ehefrau Constance.«

      »Hi«, sagte sie mit einem Lächeln, während Levi ihre Hand nahm und küsste.

      »Ich würde gern etwas auf Französisch sagen«, erwiderte der Israeli, »aber mir fällt im Augenblick nichts ein.«

      Da


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