Dr. Daniel Staffel 3 – Arztroman. Marie Francoise
»Wird sie denn jemals wieder zu sich kommen?« fragte Frau Dr. Wieland leise.
Dr. Daniel wandte sich ihr zu. »Ja, Erika, ich bin sicher, daß sie bald aufwachen wird.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ihr Mann müßte inzwischen zu Hause sein. Ich war um die Mittagszeit schon mal bei ihm, aber da war er offensichtlich noch in der Arbeit.«
Erika nickte. »Schwester Bianca sagte, daß er vor einer Viertelstunde hier angerufen und sich nach seiner Frau erkundigt hat.«
»Bianca hat ihm am Telefon doch hoffentlich keine Auskunft gegeben?«
»Natürlich nicht«, antwortete
Erika sofort. »Sie hat ihn lediglich gebeten hierherzukommen. Er müßte jeden Augenblick eintreffen.«
In diesem Moment betrat Schwester Bianca auch schon die Intensivstation.
»Herr Fendt sitzt in Ihrem Büro, Herr Doktor«, erklärte sie. »Er ist sehr aufgeregt.«
Dr. Daniel runzelte die Stirn. »Haben Sie ihm etwas gesagt?«
»Nein, aber ich fürchte, genau das ist der Grund für seine Aufregung. Er spürt, daß etwas nicht in Ordnung ist, weil er eben keine Auskunft bekommt.«
Dr. Daniel nickte. »Ich kümmere mich sofort darum.« Er warf seiner Patientin einen letzten Blick zu, dann suchte er sein Büro auf. Simon Fendt erhob sich bei seinem Eintreten und kam ihm entgegen.
»Herr Doktor, was ist mit meiner Frau?« wollte er sofort wissen, und seine Stimme vibrierte vor Nervosität. »Ist etwas passiert?«
»Bitte, Herr Fendt, setzen Sie sich«, bat Dr. Daniel, dann nahm auch er Platz. »Es hat tatsächlich Komplikationen gegeben, und ich wollte Sie bereits heute mittag davon unterrichten, konnte Sie aber zu Hause nicht erreichen.«
»Ich bin vor einer halben Stunde aus dem Betrieb gekommen«, erklärte Simon, war aber nicht recht bei der Sache. »Was für Komplikationen hat es denn gegeben? Es sollte doch eine einfache Operation sein… lediglich eine Routinesache…«
»Der Eingriff an sich barg auch wirklich keine großen Gefahren«, entgegnete Dr. Daniel ernst. »Leider kam es bei Ihrer Frau jedoch zu einer sehr seltenen, aber überaus gefährlichen Narkose-Komplikation.«
Simon erschrak. »Ist sie… es ist doch alles in Ordnung mit ihr?«
Dr. Daniel umging eine direkte Antwort auf diese Frage. »Ihre Frau liegt im Moment auf der Intensivstation. Die unmittelbare Gefahr ist gebannt, aber… im Augenblick ist sie noch ohne Bewußtsein, und ich will ehrlich sein, Herr Fendt – ich weiß nicht, wie lange diese Bewußtlosigkeit andauern wird.«
Simons Gesicht verfärbte sich kalkweiß.
»O mein Gott«, brachte er mühsam hervor.
Dr. Daniel stand auf. »Kommen Sie, Herr Fendt. Ich bringe Sie jetzt zu Ihrer Frau.« Er zögerte. »Bitte, erschrecken Sie nicht. Ihre Frau wird im Moment noch künstlich beatmet, und sie bekommt auch noch Infusionen. Das alles sieht für einen Laien recht erschreckend aus, aber seien Sie versichert, daß wir für Ihre Frau alles tun, was in unserer Macht steht.«
»Heißt das… sie kann noch immer sterben?«
Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Nein, Herr Fendt, das nicht, aber… die Krise hat sie noch nicht überwunden.«
Simon schwankte leicht. »Herr Doktor… ich… ich verstehe das nicht. Marita hatte nie Probleme mit Medikamenten.«
»Herr Fendt, Ihre Frau leidet an sogenannter maligner Hyperthermie. Bei dieser Krankheit steigt die Körpertemperatur während der Narkose rasch auf gefährlich hohe Werte an. Es handelt sich dabei um eine relativ seltene Komplikation, aber sie endet sehr oft tödlich. Bei Ihrer Frau ist es uns gelungen, sie am Leben zu erhalten, und ich bin sicher, daß es sich nur um ein paar Tage handeln wird, bis sie wieder zu sich kommt.« Dr. Daniel griff stützend an Simons Arm. »Ich
bringe Sie jetzt zu Ihrer Frau.
Sie können bleiben, solange Sie wollen, und wenn Sie möchten, stellt Ihnen Schwester Bianca gern ein Behelfsbett auf, damit Sie auch die Nacht hier verbringen kön-nen.«
Simon nickte dankbar. »Das wäre sehr nett. Ich… ich möchte meine Frau jetzt keine Sekunde allein lassen.«
»Das verstehe ich sehr gut«, meinte Dr. Daniel.
Dann hatten sie die Intensivstation erreicht, und Simon erschrak zutiefst, weil seine Frau an so viele Apparate angeschlossen war. Doch schließlich überwand er seine Furcht vor all diesem Fremden und setzte sich neben Marita. Ganz vorsichtig griff er nach ihrer Hand und hielt sie fest.
»Liebling«, flüsterte er.
Da verließ Dr. Daniel diskret den Raum.
»Herr Fendt wird eine Weile hierbleiben«, erklärte er der diensthabenden Schwester. »Sorgen Sie bitte dafür, daß ein zweites Bett hineingestellt wird, damit er hier übernachten kann.« Er warf noch einen Blick durch die großen Glasscheiben und sah, wie Simon Fendt leise auf seine bewußtlose Frau einsprach. Dabei streichelte er immer wieder zärtlich ihr Gesicht und ihre Hände.
»Hoffentlich kommt Frau Fendt bald wieder zu sich«, flüsterte die Schwester.
Dr. Daniel nickte. »Ja, das hoffe ich auch.«
*
Die Mammographie hatte bei Rabea Gessner tatsächlich einen krankhaften Befund ergeben.
»Aber allein aufgrund des Röntgenbildes kann ich natürlich nicht erkennen, ob es sich um Krebs handelt oder nicht«, erklärte Dr. Scheibler.
»Das weiß ich auch«, entgegnete Rabea ein wenig patzig. »Schließlich habe ich Medizin studiert.«
Mit plötzlichem Zorn im Blick sah Dr. Scheibler sie an. »Ich soll dir doch helfen, oder? Dann bemüh dich bitte um einen anderen Ton. Sonst gehe ich nämlich den normalen Dienstweg und schicke dich in die Gynäkologie hinüber.«
Schuldbewußt senkte Rabea den Kopf. »Tut mir leid, Gerrit. Es ist ja nur… ich habe solche Angst vor dem Ergebnis.«
Dr. Scheibler nickte. »Dafür habe ich volles Verständnis. Und ich denke, gerade in einer solchen Situation solltest du versuchen, dich an die Menschen in deiner Umgebung anzulehnen, und nicht, sie zu vergraulen.«
Rabea seufzte. »Du sprichst schon wieder von Stefan. Also schön, ich werde ihm alles erzählen – wenn ich weiß, was die Untersuchung ergeben hat.«
Doch Dr. Scheibler schüttelte den Kopf. »Nein, Rabea, du wirst vorher mit ihm sprechen. Er wird dir nämlich beistehen, wenn du das Untersuchungsergebnis erfährst, und gerade in einer solchen Situation ist es sehr wichtig, einen Menschen bei sich zu haben, den man liebt.«
Rabea sah ihn an, und sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, daß er nicht nachgeben würde. Er würde darauf bestehen, daß sie mit Stefan sprechen würde.
»Also schön, du hast gewonnen«, erklärte sie ergeben.
»Gut. Dann leg dich auf die Untersuchungsliege«, bat nun Dr. Scheibler. »Ich werde jetzt die Biopsie vornehmen.« Er lächelte. »Da du Medizin studiert hast, er-übrigt sich eine weitere Erklärung wohl.«
Rabea nickte nur. Die Angst war ihr jetzt wieder deutlich anzusehen.
Dr. Scheibler nahm ihre Hand und drückte sie einen Augenblick lang.
»Es tut nicht weh, Rabea«, meinte er tröstend. »Und es muß auch nicht zwangsläufig ein unerfreuliches Ergebnis herauskommen. In achtzig Prozent der Fälle sind solche Knoten harmlos.«
Dr. Scheibler wartete einen Moment, aber als von Rabea keine Erwiderung kam, nahm er die örtliche Betäubung vor, dann trat er mit einer speziellen Spritze zu ihr. Unwillkürlich fühlte Rabea Übelkeit aufsteigen.
»Vielleicht ist es besser, du schaust dabei weg«, riet Dr. Scheibler ihr.
Rabea