Dr. Daniel Staffel 3 – Arztroman. Marie Francoise
Inhalt
Noch ahnt sie nichts von der Gefahr
Kinderlos – und keine Hoffnung?
Der Schmerz überfiel Marita Fendt mit solcher Wucht, daß ihr sekundenlang der Atem stockte. Sie preßte beide Hände gegen ihren Unterleib und stöhnte auf.
»Marita, um Himmels willen, was hast du denn?« fragte ihr Mann Simon erschrocken.
Doch Marita brachte kein Wort hervor. Noch immer tobte der Schmerz in ihrem Unterleib. Es war, als würde eine eiserne Hand ihre Organe zusammenpressen.
»Es tut so weh!« stöhnte sie schließlich mühsam.
Besorgt beugte sich Simon zu ihr hinunter. »Was tut weh, Liebling?«
»Mein Bauch.«
Der Blinddarm! durchfuhr es Simon sofort. Er erinnerte sich noch gut an seine eigene Blinddarmentzündung. Da hatte er auch schreckliche Bauchschmerzen gehabt.
»Wir fahren sofort in die Waldsee-Klinik hinüber«, erklärte er. »Vielleicht ist es der Blinddarm.«
Doch Marita schüttelte den Kopf. »Der Schmerz sitzt links. Wenn es der Blinddarm wäre, müßte es mir doch rechts weh tun.« Sie versuchte tief und gleichmäßig zu atmen und stellte fest, daß der Schmerz dadurch erträglicher wurde. »Ich glaube, es ist vorbei.«
»Das gibt’s nicht«, entgegnete Simon überzeugt. »Wenn du solche Schmerzen hattest, dann können sie nicht einfach vorbei sein. Du mußt dich untersuchen lassen, Marita, und zwar sofort. Eine solche Schmerzattacke hat etwas zu bedeuten.«
Sie seufzte. »Heute ist Sonntag, Simon. Da kann man doch nicht…«
»Wir könnten rasch zu Dr. Daniel hinüberfahren«, fiel er ihr ins Wort. »Der ist auch sonntags meistens zu Hause.«
»Also weißt du, Schatz, was soll ich mit einer möglichen Blinddarmreizung bei einem Frauenarzt?« Marita schüttelte den Kopf. »Ich werde morgen zu Frau Dr. Carisi gehen.« Sie zuckte die Schultern. »Vielleicht waren es ja nur Blähungen – von den Zwiebeln, die ich heute mittag gegessen habe.«
»Zwischen Blähungen und Schmerzen besteht aber ein gewaltiger Unterschied. Bitte, Marita, mit so etwas ist nicht zu spaßen.« Er sah auf seine Armbanduhr. »Es ist erst drei Uhr. Wenn wir doch rasch zu Dr. Daniel hinüberfahren würden… immerhin ist er ja Arzt. Er könnte bestimmt feststellen…«
»Nein, Simon!« fiel Marita ihm energisch ins Wort. »Ich denke gar nicht daran, Dr. Daniel in seiner verdienten Sonntagsruhe zu stören. Ich hatte diese seltsamen Schmerzen jetzt gerade zum ersten Mal. Da wird es sicher nichts ausmachen, wenn ich noch einen Tag warte. Und morgen früh gehe ich dann gleich zu Frau Dr. Carisi.«
Simon seufzte. »Na ja, vielleicht hast du recht. Aber wenn du noch mal Schmerzen bekommst, fahren wir in die Klinik hinüber. Da wird auch am Sonntag jemand sein.«
Marita nickte nur. Sie wollte nicht eingestehen, daß ihr dieser entsetzliche Schmerz Angst eingejagt hatte. Und sie fürchtete sich ein wenig vor dem, was die Ärztin ihr morgen, nach der Untersuchung, sagen würde.
*
Dr. Robert Daniel verlebte einen geruhsamen Sonntag. Seine Schwester Irene, die ihm nun schon seit geraumer Zeit den Haushalt führte, hatte ihn wieder einmal üppig bekocht. Anschließend hatten sie einen kleinen Spaziergang unternommen und genossen nun auf dem Balkon die letzten Sonnenstrahlen dieses Tages.
»Sag mal, Robert, setzt Wolfgang dem Jungen immer noch so zu?« wollte Irene wissen.
Mit »dem Jungen« meinte sie Stefan, Dr. Daniels fünfundzwan-
zigjährigen Sohn, der in der Steinhausener Waldsee-Klinik als Assistenzarzt beschäftigt war.
Dr. Daniel zuckte die Schultern. »Nicht daß ich wüßte.« Dann schmunzelte er. »Allerdings muß ich zugeben, daß Wolfgang ein sehr strenger Chefarzt ist. Irgendwelche Launen darf sich mein Herr Sohn bei ihm nicht erlauben, aber das durfte ich damals bei Professor Thiersch auch nicht. Ein strenger Chefarzt hat noch keinem Assistenzarzt geschadet – ganz im Gegenteil.«
Irene grummelte etwas Unverständliches. Sie hätte es zwar niemals zugegeben, aber Stefan war ihr ganz besonderer Liebling, und es mißfiel ihr, daß er von Dr. Wolfgang Metzler, dem Chefarzt der Waldsee-Klinik, so hart gehalten wurde.
Dr. Daniel grinste. »Mit welchen liebevollen Namen hast du Wolfgang und mich jetzt bedacht?«
Ärgerlich winkte Irene ab. »Ich habe euch mit überhaupt keinem Namen bedacht. Es ist nur…« Anklagend sah sie ihren Bruder an. »Würdest du genauso reden, wenn es um dein geliebtes Töchterlein ginge?«
Dr. Daniel zögerte. Er gestand es nur ungern ein, aber er war mit Stefan von Anfang an strenger gewesen als mit Karina. Natürlich hatte er darauf geachtet, sie nicht über die Maßen zu verwöhnen, aber vor allem nach dem frühen Tod seiner Frau war ihm Karina besonders ans Herz gewachsen. Stefan war damals schon mehr oder weniger eigene Wege gegangen, aber Karina hatte ihm den Trost gespendet, den er gerade in den ersten Monaten so bitter nötig gehabt hatte.
»Ich weiß es nicht«, gab Dr. Daniel jetzt offen zu. »Weißt du, Irene, ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht. Karina steht erst am Anfang ihres Medizinstudiums. Sie hat noch einen weiten Weg vor sich, und manchmal denke ich, sie wird heiraten, bevor sie damit fertig ist.«
Irene zuckte die Schultern. »Bist du dir da so sicher? Ich bezweifle, daß Karina jemals heiraten wird – es sei denn, Wolfgang würde seine Liebe zu ihr entdecken.«
»Das wird niemals passieren«, entgegnete Dr. Daniel entschieden. »Wolfgang wird in Kürze Erika Wieland heiraten, und Karina hat mir erst im letzten Brief wieder geschrieben, daß sie mit Jean glücklich ist.«
»Bis sie nach Steinhausen kommt und Wolfgang wiedersieht«, prophezeite Irene. »Sag mal, Robert, bist du denn blind? Für das Mädchen wird es niemals einen anderen Mann als Wolfgang geben. Was glaubst du, weshalb sie nach drei Jahren ihr Jurastudium hingeschmissen hat und auf Medizin umgesattelt ist? Sie will Ärztin werden, weil Wolfgang Arzt ist.«
Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Karina wollte eigentlich schon immer Ärztin werden. Sie hat sich damals nur für Jura entschieden, weil Stefan bereits Medizin studierte und sie davon ausgehen mußte, daß er meine Praxis einmal übernehmen würde. Das hat er allerdings nicht vor, und deshalb…«
»Du selbst hast das damals für eine Ausrede gehalten«, hielt Irene ihm vor. »Du warst doch auch überzeugt, daß sie nur wegen Wolfgang Medizin studiert.«
Dr.