THE ASCENT - DER AUFSTIEG. Ronald Malfi

THE ASCENT - DER AUFSTIEG - Ronald  Malfi


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in Spinnweben eingewickelten Skeletts erschien vor meinem geistigen Auge. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und es gelang mir, im Licht der Taschenlampe die andere Hand ebenfalls aufwärts zu bringen. Der Geruch von Schwefel war allgegenwärtig.

      Das ist nicht Sulfur, sondern Chlor, versuchte mich eine hartnäckige Stimme in meinem Kopf zu überzeugen. Das ist nicht viel anders als Schwimmen. Und du schwimmst. Du schwimmst in einem Pool, siehst du das nicht?

      Alles klar. Ich konnte es sehen, ich konnte es spüren. In Ordnung.

      Die Taschenlampe fiel aus meiner Hand. Ich hörte sie gegen die Wände prallen, während sie runterfiel, und den hellen Strahl mit sich zog. Sie landete mit einem hohlen, gummiartigen Platschen im Wasser. Augenblicklich danach wurde der Schacht wieder in Finsternis getaucht.

       Das ist wie Schwimmen. Das ist wie Schwimmen …

      Jetzt erst stellte ich fest, dass ich den Atem angehalten und meiner Lunge seit geraumer Zeit keine frische Luft zugeführt hatte. Daher holte ich tief Luft, die Lunge stöhnte unter der Belastung, und meine Brust weitete sich wieder, drückte gegen das mich umgebende Gestein.

      Das beklemmende Gefühl, in dieser Enge ersticken zu müssen, war wieder zurückgekehrt. Ich konnte keinen normalen Atemzug tätigen. Die Angst, hier unten allein zu sterben, verlieh mir jedoch die erforderliche Kraft, weiter emporzuklettern.

      Meine Finger streckten sich über die Oberfläche der Wand, um sich um günstige Kerben und Vorsprünge zu schließen, während die Muskeln in Armen und Schultern vor Anstrengung brannten und ich mich vom Boden hochzog, ohne dabei die Beine unterstützend einzusetzen. Der Schacht war einfach zu eng, als dass ich ein Knie hätte anwinkeln und hochbringen können. Meine Beine hingen als nutzloser Ballast unter mir. Das gebrochene, linke Bein fühlte sich an, als wäre es mit Glas gefüllt, und über einen Kleiderbügel geworfen.

      Ich bekam einen Vorsprung zu fassen und konnte den zurückweichenden Schacht hinter meinen Schultern spüren. Der Tunnel wurde breiter. Das ist wie Schwimmen. Das ist wie Schwimmen. Ich schob mich weiter nach oben.

      Meine Hände glitten weg und ich sah den Fall, bevor dieser tatsächlich eintrat. Als ich schließlich unten aufschlug, war der Schmerz so gewaltig, dass mein Geist davongeschleudert wurde …

      Ich stand am Ende eines langen Piers und beobachtete ein in der Dämmerung träge kreisendes Riesenrad. In meinem Hals kratzte es unangenehm und ich hustete in meine Hand. Beunruhigt nahm ich zur Kenntnis, dass einige Leute auf der Promenade in meine Richtung schrien und dabei auf mich zeigten. Ich legte die Hände an meinen Mund und hustete wieder. Überrascht stellte ich fest, dass ich diesmal eine Narzisse ausgehustet hatte, feuchtglänzend von meinem an ihr klebenden Speichel.

       Und ohne Vorwarnung bin ich wieder dort, stehe in der Ferne, und blicke prüfend auf die saftigen, grünen Hänge des Abhangs, irgendwo in Italien. Sobald ich realisiere, wo ich mich befinde, sehe ich auch schon das Fahrzeug um die Kurve rasen. Ich winke mit den Armen, flehe den Fahrer an, langsamer zu fahren.

      Ich fand mich in einem pechfinsteren Raum wieder, als eine Figur aus den Schatten tauchte. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, wie es mir gelungen war, in der Dunkelheit die Umrisse der Gestalt erkannt zu haben, aber als sie sich mir näherte, konnte ich deutlich ihre Präsenz spüren, fast schon wie eine Art Strahlung, die sie abzugeben schien, und eine sonderbare Erwartungshaltung regte sich in mir.

      Dann öffneten sich meine Augen in der Schwärze der realen Welt.

      Hier, dachte ich. Hier unten werde ich sterben.

      Der Schmerz war so intensiv gewesen, dass ich sofort in barmherzige Bewusstlosigkeit gefallen war. Nach dem Aufwachen spürte ich mein linkes Bein nicht mehr – diese entsetzliche Vorstellung, das es nicht mehr da war – aber der Schmerz, der mir vorher das Bewusstsein versengt hatte, der nicht auszuhaltende, wahnsinnige Schmerz, war nicht mehr da.

      Ich lag inmitten des eisigen Wassers auf dem Grund. Mir war durchaus bewusst, das ich wieder bei Sinnen und verstandesmäßig klar war, aber ich verweigerte jede Regung. Die Taschenlampe war hinüber, wahrscheinlich kaputtgegangen, nachdem ich draufgefallen war, doch es kümmerte mich nicht. Das war es. Ich sah den Wagen über den Abhang hinausschießen; fort waren die Gedanken um den eigenen Jeep Cherokee.

      Ich war nicht allein hier unten.

      Die Empfindung war nicht falsch zu deuten. Als ich noch ein kleines Kind war, pflegte meine Mutter mich auf ihren Schoß zu nehmen, und mit ihren Fingernägeln über meinen Rücken zu streichen. Sie zog verschiedene Formen und Figuren über meine Haut und ich musste erraten, um welche es sich dabei handelte – eine Schildkröte, ein Löwe, ein Wolkenkratzer. Sekunden, bevor sie ihre Fingernägel auf meine Haut aufsetzte, konnte ich ihre Anwesenheit spüren, wie ein Stechen entlang meines Rückens, ein Kribbeln am Steißbein. Das war dasselbe Gefühl: das unverrückbare Wissen um die Anwesenheit eines anderen.

      »Ich sterbe«, sagte ich. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob ich das laut ausgesprochen hatte.

      –Nein, tust du nicht, widersprach Hannah. Mein Herz tat einen Sprung in meiner Brust. Ich wünschte mir Licht, damit ich sie sehen konnte, aber natürlich gab es hier kein Licht. Dies hier war eine Gruft unter der Erdoberfläche.

      –Steh auf, befahl sie mir.

      »Ich kann nicht«, schaffte ich zu entgegnen, und diesmal war ich sicher, die Worte ausgesprochen zu haben, denn meine eigene, krächzende Stimme wurde in der kleinen Höhle auf mich zurückgeworfen.

      »Kann … mich nicht … bewegen.«

      –Du darfst hier unten nicht sterben, warf sie ein.

      Sie sprach noch weitere Worte. Worte, die keinen Sinn ergaben, aber darauf abzielten, mich zum Weitermachen anzuheizen, mich aus dem eisigen Wasser aufzurichten, und wieder den Aufstieg ins Auge zu fassen.

      Die Hand, die sich aus der Finsternis nach mir streckte, blieb meinem Blick verborgen, aber ich konnte deutlich wahrnehmen. Das Gefühl war ähnlich dem, welches ich als Kind immer hatte, wenn meine Mutter das Spiel mit ihren Fingernägeln auf meinem Rücken trieb; ich bekam eine Gänsehaut, und ein Kribbeln kroch an meiner Wirbelsäule entlang abwärts.

      Ich wusste natürlich, dass sich keine echte Hand in der Dunkelheit befand, die mir unterstützend zur Seite gestanden hätte – das mein gemarterter Verstand dieses Hirngespinst von einer Emotion und die Hand erschaffen hatte – aber die Vorstellung war so klar und stark umrissen, das ich begann, wieder neue Kraft zu schöpfen, zu hoffen, und eine Zuversicht in mir zu spüren, die schon an Euphorie grenzte.

      Diesmal brachte ich die Arme gleich zu Beginn über meinen Kopf, denn ich hatte aus meinem vorherigen Fehler gelernt. Ich tastete mit den Fingern entlang der Wand, bis ich geeignete Kerben gefunden und diese ergriffen hatte. Mit meiner wiedergefundenen Stärke und Entschlusskraft hievte ich mich vom Boden und aus dem frostigen Wasser, in dem ich seit meiner Landung gelegen hatte, doch bei der Bewegung schoss wieder der übelkeitserregende Schmerz durch mein linkes Bein, von dem ich angenommen hatte, das er nun völlig taub sei. Der Schmerz war nicht auf das Bein beschränkt, sondern pulsierte durch meinen gesamten Körper, nahm jeden Nerv, jede Zelle in Beschlag, und ließ mich die Zähne aufeinanderbeißen. Aber ich schob mich weiter in Richtung des kleinen Lochs über meinem Kopf, wobei mir nur die Hände und das Eine, gesunde Bein zur Verfügung standen.

      Aufgrund der klaustrophobischen Maße des Schachtes, konnte ich meine Ellbogen nicht über den vollen Bewegungsradius zurückziehen und anwinkeln. Mir blieb in etwa ein Spielraum von 30 Grad, wodurch ich mit den Armen nur eine kurze Strecke über die Wand ertasten und mich hochziehen konnte, aber daran konnte ich nichts ändern. Die Wände waren so nah aneinandergerückt, dass sie an den Spitzen meiner Ellbogen scheuerten, und der aufgewirbelte Staub in meine Lunge drang. Es bedurfte einiger Anstrengung und Überwindung, eine Hand von der Kerbe zu nehmen, und damit an der Wand nach einer höher gelegenen Nische zu greifen, während ich wie das Pendel einer Uhr über dem Boden schwang. Ich streckte den Arm geradewegs nach oben und der Raum um mich wurde etwas größer. Dann zog ich mich mit der anderen Hand, die ich immer noch um


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