Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur. Thomas Henry Huxley
Bemerkungen über dasselbe mit der ausdrücklichen Absicht, seine völlige Verschiedenheit vom Orang und seine Verwandtschaft mit den Pavianen zu beweisen.
Selbst in Cuvier's »Tableau Elémentaire« und in der ersten Ausgabe seines grossen Werkes, des »Règne animal«, wird der Pongo als eine Species Pavian aufgeführt. Es scheint indessen, dass Cuvier schon zeitig, im Jahre 1818, veranlasst wurde, seine Ansicht zu ändern und der Meinung beizutreten, die mehrere Jahre früher Blumenbach[13] und nach ihm Tilesius ausgesprochen hatte, dass der Pongo von Borneo einfach ein erwachsener Orang sei. Im Jahre 1824 wies Rudolphi aus dem Zustande der Bezahnung ausführlicher und vollständiger, als es von seinen Vorgängern geschehen war, nach, dass die bis zu jener Zeit beschriebenen Orangs sämmtlich junge Thiere wären und dass der Schädel und die Zähne des Erwachsenen wahrscheinlich so sein würden, wie sie der Wurmb'sche Pongo darböte. In der zweiten Ausgabe des »Règne animal« (1829) zieht Cuvier aus »den Verhältnissen aller Theile« und »den Anordnungen der Löcher und Nähte des Schädels« den Schluss, dass der Pongo der erwachsene Orang-Utan sei, »wenigstens eine sehr nahe verwandte Art«, und dieser Schluss wurde dann später ausser allen Zweifel gestellt durch die Abhandlung Professor Owen's, in den »Zoological Transactions« für 1835, und von Temminck in seinen »Monographies de Mammologie«. Temminck's Abhandlung ist ausgezeichnet durch die Vollständigkeit des beigebrachten Nachweises über die Modificationen, denen die Form des Orang nach Alter und Geschlecht unterliegt. Tiedemann veröffentlichte zuerst einen Bericht über das Gehirn des jungen Orang, während Sandifort, Müller und Schlegel die Muskeln und Eingeweide des erwachsenen beschrieben und den ersten detaillirten und glaubwürdigen Bericht über die Lebensart des grossen indischen Affen im Naturzustande gaben; da dann noch von spätern Beobachtern wichtige Zusätze gegeben worden sind, so sind wir in diesem Augenblicke besser mit dem erwachsenen Zustand des Orang-Utan bekannt, als mit dem irgend eines der andern grösseren menschenähnlichen Affen.
Er ist sicher der Pongo von Wurmb's[14]; und er ist ebenso gewiss nicht der Pongo Battell's, da wir jetzt sehen, dass der Orang-Utan gänzlich auf die grossen asiatischen Inseln Borneo und Sumatra beschränkt ist.
Und während die aufeinander folgenden Entdeckungen so die Geschichte des Orang aufklärten, wurde noch nachgewiesen, dass die einzigen andern menschenähnlichen Affen in der östlichen Welt die verschiedenen Arten von Gibbon seien — Affen von kleinerer Statur, und daher die Aufmerksamkeit weniger fesselnd als die Orangs, obgleich sie eine viel weitere Verbreitung haben und deshalb der Beobachtung viel zugänglicher sind.
Obgleich der geographische Bezirk, der von dem »Pongo« und »Engeco« Battell's bewohnt wird, Europa so viel näher ist, als der, in dem der Orang und Gibbon sich findet, so hat doch unsere Bekanntschaft mit den afrikanischen Affen langsamer zugenommen; und in der That ist die wahrheitsgetreue Erzählung des alten englischen Abenteurers erst in den letzten paar Jahren völlig verständlich gemacht worden. Erst 1835 wurde das Skelet des erwachsenen Chimpanze bekannt durch die Publication von Professor Owen's oben erwähnter ausgezeichneter Abhandlung »On the osteology of the Chimpanzee and Orang« in den Abhandlungen der Zoologischen Gesellschaft, — eine Abhandlung, welche durch die Genauigkeit der Beschreibung, die Sorgfalt in der Vergleichung und die Vortrefflichkeit der Abbildungen epochemachend war in der Geschichte unserer Kenntniss des knöchernen Baues nicht bloss des Chimpanzes, sondern aller menschenähnlichen Affen.
Durch die hier mitgetheilten detaillirten Untersuchungen wurde erwiesen, dass der alte Chimpanze in Bezug auf Grösse und Ansehen von den Tyson, Buffon und Traill bekannten jungen Formen so weit abweicht, wie der alte Orang vom jungen Orang; und die spätern äusserst wichtigen Untersuchungen der Herren Savage und Wyman, eines amerikanischen Missionars und eines Anatomen, haben nicht bloss diesen Schluss bestätigt, sondern viele neue Einzelheiten beigebracht[15].
Eine der interessantesten unter den vielen werthvollen Entdeckungen, die Dr. Thomas Savage gemacht hat, ist die Thatsache, dass heutigen Tages die Eingebornen des Gaboonlandes den Chimpanze mit einem Namen bezeichnen — »Enché-eko« — der offenbar identisch ist mit dem »Engeko« Battell's, eine Entdeckung, die von allen späteren Forschern bestätigt worden ist. War hierdurch aber bewiesen, dass Battell's »kleineres Ungeheuer« wirklich existirte, so lag natürlich die Vermuthung sehr nahe, dass sein »grösseres Ungeheuer«, der »Pongo«, früher oder später auch entdeckt werden würde. Und in der That hatte ein neuerer Reisender, Bowdich, unter den Eingebornen starke Beweise für die Existenz eines zweiten grossen Affen gefunden, der »Ingena« genannt wird, »fünf Fuss hoch und vier über die Schultern breit« ist, ein rohes Haus baut, ausserhalb dessen er schläft.
Dr. Savage war 1847 so glücklich, einen weiteren und äusserst wichtigen Beitrag zu unserer Kenntniss der menschenähnlichen Affen liefern zu können; denn als er wider Erwarten am Gaboonfluss zurückgehalten wurde, sah er im Hause des dort residirenden Missionars, Mr. Wilson, »einen Schädel, der von den Eingebornen als der eines affenähnlichen Thieres bezeichnet wurde, das durch seine Grösse, Bösartigkeit und Gewohnheiten merkwürdig wäre«. Durch die Umrisse des Schädels und die Berichte mehrerer intelligenter Eingebornen »wurde ich zu dem Glauben veranlasst«, sagt Dr. Savage, »dass er einer neuen Art von Orang angehöre«, wobei er den Ausdruck Orang in seinem älteren allgemeineren Sinne brauchte. »Ich drückte diese Meinung gegen Mr. Wilson aus mit dem Wunsche weiterer Untersuchung und mit der Bitte, wenn möglich die Frage durch Inspection eines lebendigen oder todten Exemplars zu entscheiden.« Das Resultat der vereinten Bemühungen der Herren Savage und Wilson war nicht bloss ein sehr vollständiger Bericht über die Lebensweise des neuen Geschöpfes, sondern sie leisteten der Wissenschaft noch einen wichtigeren Dienst dadurch, dass sie den bereits erwähnten ausgezeichneten amerikanischen Anatomen, Professor Wyman, in den Stand setzten, nach einem reichen Material die unterscheidenden osteologischen Charaktere der neuen Form zu beschreiben. Das Thier wurde von den Eingebornen des Gaboon »Engé-ena« genannt, ein offenbar mit dem »Ingena« Bowdich's identischer Name. Dr. Savage kam zu der Ueberzeugung, dass dieser letztentdeckte aller grossen Affen der lange gesuchte »Pongo« Battell's sei.
Die Richtigkeit der Folgerung ist in der That ausser allem Zweifel; denn es stimmt der »Engé-ena« mit Battell's »grösserem Ungeheuer« nicht bloss in den hohlen Augen, der grösseren Statur, der schwärzlichen oder grauen Färbung überein, sondern der einzige andere menschenähnliche Affe, der jene Breiten bewohnt, der Chimpanze, ist sofort durch seine geringere Grösse mit dem »kleineren Ungeheuer« zu identificiren, und selbst die Möglichkeit, dass er der »Pongo« sei, wird ausgeschlossen durch die Thatsache, dass er schwarz und nicht schwarzgrau ist, wobei kaum auf den wichtigen bereits erwähnten Umstand aufmerksam gemacht zu werden braucht, dass er noch jetzt den Namen »Engeko« oder »Enché-eko« führt, unter dem ihn Battell kannte.
Bei dem Aufsuchen eines specifischen Namens für den »Engé-ena« vermied Dr. Savage wohlweislich den vielfach missbrauchten Namen »Pongo«; da er vielmehr in dem alten Periplus des Hanno das Wort »Gorilla« fand als Bezeichnung für ein gewisses behaartes wildes Volk, welches der carthagische Reisende auf einer Insel an der afrikanischen Küste entdeckt hatte, gab er seinem neuen Affen den specifischen Namen »Gorilla«, woher denn seine bekannte Benennung rührt. Vorsichtiger indessen als einige seiner Nachfolger identificirt Dr. Savage seinen Affen keineswegs mit Hanno's »Wilden«. Er sagt nur, dass die letzteren wahrscheinlich »eine der Arten Orang seien«; und ich stimme mit Brullé überein, dass kein Grund vorhanden ist, den heutigen »Gorilla« mit dem des carthagischen Admirals zu identificiren.
Seit dem Erscheinen der Abhandlung von Savage und Wyman ist das Skelet des Gorilla von Professor Owen und dem verstorbenen Professor Duvernoy vom Jardin des Plantes untersucht worden; der Letztere hat ferner eine werthvolle Beschreibung des Muskelsystems und vieler anderen Weichtheile geliefert. Auch haben afrikanische Missionare und Reisende den ursprünglich von der Lebensweise dieses grossen menschenähnlichen Affen gegebenen Bericht bestätigt und erweitert, eines Affen, der das eigenthümliche Geschick hatte, zuerst der Welt im Allgemeinen bekannt und zuletzt wissenschaftlich untersucht zu werden.
Zwei und ein halbes Jahrhundert sind verflossen, seitdem Battell seine Geschichten vom »grösseren und kleineren Ungeheuer« dem Purchas erzählte, und beinahe so viel Zeit hat es bedurft, um zu dem klaren Resultate zu kommen, dass es vier bestimmte Arten menschenähnlicher Affen gebe — in Ost-Asien die Gibbons und Orangs,