Seefahrt ist not!. Gorch Fock

Seefahrt ist not! - Gorch  Fock


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entstiegen sie der Kambüse, winkten mit der Hand, zum Zeichen, daß sie verstanden hätten, und kamen über das Eis.

      Dann setzten sie sich drinnen zu Tisch, wie es sich gehörte. Auf der Bank mit dem Blumenkranz und dem Namen und der Jahreszahl saß zu oberst der Schiffer, rechts von ihm der Knecht, der Bestmann, vor ihm der Junge, Störtebeker aber neben ihm auf dem bunten Bankkissen.

       Gesa trug die vollen dampfenden Schüsseln auf. Es gab frische Suppe mit bunten Korintenklütjen. Safran, Suppenkraut und Muskatnuß fehlten nicht daran, und ein Stück Fleisch, wie ein halber Ochse groß, kam dazu auf den Tisch.

      Eine stille Pause, dann ergriff Klaus Mewes den großen, blanken Schöpflöffel und füllte sein Fatt, seinen Teller. Als er genug hatte, gab er den Löffel dem Knecht. Störtebeker bekam ihn zu allerletzt, obgleich er vielleicht am hungrigsten war. An der alten Schiffsordnung, die am Deich galt, durfte nicht gerüttelt werden, obschon Klaus Mewes sich sonst wahrlich nicht an das alte Wort kehrte: Fleesch förn Schipper, Klütjen förn Knecht, Kantüffeln förn Jungen. Er gab ein Essen, wie es selbst die großen Bauern nicht besser geben konnten.

      Bi Disch ward ne snackt: das war nichts für Klaus Mewes, da hätte ihm wohl einer ein Pechpflaster auf den Mund backen müssen, wenn er das gesollt hätte. Er sprach und lachte, ohne sich etwas dabei zu denken, und ließ sich auch durch die verweisenden Blicke seiner Frau nicht aus dem Kurs bringen.

      Störtebeker aß fünf Klöße, Gotts den Donner, wat kunnt angohn! „Vörre Hand weg, Vadder,“ versicherte er, „ohn uttoseuken; wenn ik no de lütjen langt harr, harr ik wenigstens söben upkregen.“

      „Oder söbenuntwintig,“ gab der Knecht trocken drein, aber Störtebeker verstand den Spott nicht.

      „Ik wull, wi eten irst lebennige Schullen, Vadder, de smeckt noch en barg beter!“

      „Dat wull ik ok,“ rief Klaus Mewes und blickte nach seinem Ewer hinaus.

      Er hätte ja die Schollen annehmen können, die Jan-Ohm von der Aue geschickt hätte, meinte Gesa, aber er wehrte ab und sagte, das wäre ja noch schöner, wenn der Fischermann sich die ersten Schollen ins Haus bringen ließe! Gott solle ihn bewahren: die müsse er selbst aus der See geholt haben oder sie schmeckten ihm nicht. Er sah seinen Jungen an:

      „Ne, Störtebeker?“

      „Jo, Vadder!“

      — — — — — — — — — —

      Nachmittag standen die drei am Fenster und knütteten, Klaus der Schiffer, Kap Horn der Knecht und Klaus Störtebeker. Hein Mück der Junge hatte Urlaub genommen: die drei aber klapperten mit den Schegern und fuhren mit den Nadeln in der Luft herum, obgleich Gesa mit der Sabbatschändung uppen Sünndagnomerdag keineswegs einverstanden war und eine Lippe zog. Aber die Netzmacher ließen sich nicht stören.

      Kap Horn war der Bestmann, der Steuermann, Klaus Mewes sein Knecht. Er hieß eigentlich anders, aber auf Finkenwärder nannten sie ihn allgemein Kap Horn. Viele sagten auch Korl Horn, namentlich die Gören.

      Er war ein Janmaat alten Schlages, der lange Jahre auf großen Schiffen gefahren hatte, auf hamburgischen und englischen, der im Süd-Atlantik Albatrosse geangelt und bei Grönland Walfische harpuniert hatte und dreißigmal unter der Linie durchgekommen war. Warum er dann noch von der großen Fahrt abgemustert hatte und vom Viermastvollschiff auf den Fischerewer geklettert war, weiß ich nicht: er fuhr aber schon zwölf Jahre bei Klaus Mewes und war schon fast zu einem Finkenwärder geworden, nur in seiner Sprache war noch ein hamburgischer Ton und er gab noch oft ein englisches Wort drein. Und dann hielt er sich als alt- und weitbefahrener Matrose für etwas Besseres als die anderen Fischerknechte, die doch höchstens einmal holländisch oder dänisch sprechen gehört hatten.

       Wenn jemand mit Fahrten und Reisen prahlte, dann pflegte er einfach zu fragen: „Kap Horn?“ Und wußte der andere dann nicht einmal, was gemeint war, so spuckte er minnachtig aus; verneinte er, so drehte er sich um und sagte, mit Bierfahrern verkehre er nicht, bekam er aber ein Ja als Antwort, so fragte er schnell: „Veel mol?“ „Dree oder so.“ Dann lachte er und sagte: „An mi kannst nich klingeln, old boy: ik bün soßtein Mol um Kap Horn seilt un nu lot dien Prohlen man en bitten no.“ Bei einer solchen Gelegenheit war er auch Kap Horn getauft worden.

      Nun stand er backbords von seinem Schiffer am Fenster und war bei einer weißen Manillakurre, Klaus Mewes arbeitete an einem Zungensteert, mit dem er nur langsam weiter kommen konnte, und Störtebeker hatte etwas in der Mache, von dem er steif und fest behauptete, daß es eine Bunge werden sollte, ein Reifenkorbnetz für Hechte und Schleie, während Kap Horn auf ein Zwiebelnetz riet und Klaus Mewes es für eine Staatsgardine für den Krähenkäfig hielt. Sie hatten es gleich wichtig. Wie Weberschiffchen flogen die Nadeln hin und her und auf den Schegern reihte sich Masche an Masche. Dabei aber wurde ausgiebig geklönt, denn niemand hatte uppen Stutz zu mindern und Maschen zu zählen, also besonders aufmerksam zu sein. Einmal frischte Kap Horn sogar ein altes Matrosendöntje von St. Pauli auf und begann zu singen:

      „In England geiht dat lustig her,

      dor bot se Scheepen grot un swor,

      een bannig Deert von Ungetüm

      dat sall jo de Gretj Astern sien!

      Lang is dat Deert twee dütsche Mil,

      hoch annerthalf von Deck to Kiel!

      Soß Masten, hoch bet an den Moon,

      acht Dog brukt een, um roptogohn ...“

       Weiter kam er aber nicht, denn Gesa, die nach dem Graben gewesen war und die Enten gefüttert hatte, trat in die Dönß und untersagte ihm den Hymnus mit den Worten: „Sünndogs ward ne sungen, Korl!“

      Gesa, die ihren Jungen stets Klaus nannte und von seinem gräßlichen Seeräubernamen nichts wissen wollte, gab auch Kap Horn nicht seinen Spitznamen, sondern nannte ihn ehrbar Korl und meinte ihm wunder was für einen Gefallen damit zu tun. Janmaat verdeffendierte sich aber:

      „Wenn ik arbein sall, mutt ik ok singen, Gesa.“

      „Arbein schall? Keen seggt di dat? Pack dien Kurr man getrost tohop un mok man Fierobend un les man mol inne Bibel,“ priesterte sie, und als Klaus Mewes herzlich lachte, fuhr sie erregter fort: „Ji dree sündt jo woll ne, sünd woll rein mall worden, stillt jo uppen Sünndag vört Finster hin un knütt! Weet ji ok, keen sünndogs arbeit?“

      „Uns Herr Pastur!“ sagte Klaus.

      „Ne, de Bedelmann! För uns Lüd is de Week dor!“

      Klaus erwiderte gelassen, es müsse aber sein, denn es sei Tauwetter und das Eis könne jede Tide abtreiben, so daß sie fahren müßten, er wolle und wolle die beiden Kurren bis dahin aber fertig haben, denn in der Fischerei unterbliebe das Knütten doch wieder.

      Und er müsse seine Bunge auch klar haben, verteidigte Störtebeker sich, denn sein Vater solle sie ihm noch einstellen. Was sie wohl meine, die ganzen Gräben säßen voller Hechte.

      Dann sollten sie mit ihrem Kram nach der Küche oder nach dem Boden oder nach dem Ewer gehen, fing Gesa wieder an, die sich über sie ärgerte. Sie sollten sich doch nicht von den Leuten sehen lassen, denn am Deich sprächen sie sicherlich wieder davon und hielten sich darüber auf.

       „Lot jüm, Mudder,“ erwiderte Klaus sorglos, „ik blief doch hier, mag to giern sehn, wenn welk uppen Diek langs goht un mi inne Finstern kiekt.“

      Und er füllte die Nadel, die leer geworden war, und knüttete weiter.

      Gesa aber ging kopfschüttelnd aus der Stube und machte sich in der Küche zu schaffen, von wo sie über die Bauerndächer und Obstbäume nach ihrer Heimat sehen konnte, nach den blaugrauen Bergen der Geest. Sie konnte die Fischer nicht verstehen! Sie war noch keine Fischerfrau geworden und fühlte wieder mit bitterem Schmerz, daß aus ihr niemals eine werden konnte. Immer noch graute ihr vor dem Wasser, und alle Schiffahrt war ihr fremd und unverständlich. Sie konnte sich nicht helfen. Das eine ließ sich nicht


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