Robert Blum: Ein Zeit- und Charakterbild für das deutsche Volk. Blum Hans

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Später können Sie einmal bei mir anfragen, nachdem Sie eine bessere Schule der Erfahrung durchgegangen seyn werden, als die, deren Sie sich jetzt rühmen. Hr. Grebin wird Ihnen zustellen, was Ihnen gebürt. Schmitz.“

      Robert war zu arm, das schnöde hingeworfene Almosen auszuschlagen. Am 5. August quittirte er Herrn A. L. Grebin in Berlin über sechsunddreißig Thaler, mit welchen der „Lohn“ vom 18. Mai bis „ultimo July d. J.“ und die „Reisekosten von hier nach Cölln“ beglichen waren, und machte sich am 9. August über Potsdam, Brandenburg, Genthin, Magdeburg, Helmstedt, Braunschweig, Hildesheim, Hameln, Paderborn, Soest, Lennep zu Fuß auf den Heimweg nach Köln. Am 22. August langte er hier an, nachdem er neunundsiebenzig ein halb Postmeilen in dreizehn Tagen zurückgelegt.

      Das Verhältniß zu Schmitz war für immer gelöst, der Riß unheilbar geworden. Es nützte nichts, daß Robert auf die Rückseite einer leeren Schulheftseite seiner ältesten Stiefschwester, die sich auf der Vorderseite abmühte, den Worten: „Mit dem Maß, womit ihr messet, wird auch euch gemessen werden“ einen bedenklich unkalligraphischen Ausdruck zu geben, das Concept eines rührend-versöhnlichen Briefes schrieb.

      Die Geschäfte des Beleuchtungsmannes gingen noch zu schlecht. Das Rüböl war soeben auf’s Haupt geschlagen. Das Gas triumphirte. Das war der Grund von Roberts Entlassung, alles Andere Vorwand.

      Nichts charakterisirt aber wohl den Egoismus und die unedle Empfindung des Herrn Schmitz besser als die Thatsache, daß er nach einer solchen Behandlung Blum’s es wagte, schon nach einem halben Jahr, als Blum literarische Verbindungen in Köln gewonnen hatte, sich unverfroren an den mißhandelten jungen Mann zu wenden, um von diesem eine Reclame für eine von Schmitz neu herausgegebene Zeitschrift zu erlangen. Blum war großmüthig genug, die Unterstützung des Unternehmens zuzusagen.

      Vorläufig aber, d. h. im August 1830, verdankte Blum dem nämlichen Herrn Schmitz den Blum leider nicht mehr ganz unbekannten Zustand der Brodlosigkeit.

      5. Theaterdiener und Dichter.

       Inhaltsverzeichnis

      In tiefster Kümmerniß sahen wir Robert Blum jene Julitage des Jahres 1830 verleben, welche für die geistige Bewegung von ganz Europa im Laufe der folgenden achtzehn Jahre tonangebend werden sollten. Während der Thron der Bourbonen zusammenstürzte und das Triumphlied des siegreichen Bürgerthums in allen Landen ein frohes Echo weckte, weil hier zum ersten Male seit fünfzehn Jahren die geistlose Metternich’sche Politik des absoluten Stillstandes, die den Continent beherrschte, eine furchtbare Niederlage erlitt, sahen wir Robert Blum mit seinem harten Brodherrn um die nothwendigsten Bedürfnisse des Lebens kämpfen; die Jubelwochen des Bürgerkönigthums fanden Robert auf einer mühsamen Fußreise von Berlin nach Köln begriffen, hier brodlos. Aus purer Barmherzigkeit warf J. W. Schmitz dem jungen Manne, dem er in seinem Dienstzeugnisse nachrühmte, daß er „fleißig und willig zu jeder Arbeit sei, und daß seine erprobte Treue, Gehorsam, bescheidenes und gesittetes Betragen das ausgezeichnetste Lob und Empfehlung verdienen“, in Köln noch vier Thaler zu. Das war aber auch Alles, was Robert vom 22. August bis 1. October 1830 einnahm. Und an diesem Tage trat er mit einem Monatsgehalt von acht Thalern (vom December ab von zehn Thalern) und fünf Thalern Neujahrsgeschenk in die Dienste des Schauspieldirectors Ringelhardt als Theaterdiener.

      Man sollte kaum für möglich halten, daß ein Mann in solcher Lage, so schwer gefesselt an die niedersten Erdensorgen, so tief gestellt in der menschlichen Gesellschaft, den sittlichen Muth und die kühne Schwungkraft besessen hätte, in den wenigen Stunden seiner Muße rein geistig, ja dichterisch zu schaffen, und allen Wandlungen der großen Zeitgeschichte mit gespanntestem Interesse zu folgen. Und doch hat Robert Blum dies gethan. Um die Charakterstärke völlig zu würdigen, die dazu gehörte, einen so tiefen Gegensatz zwischen der Wirklichkeit und der Welt des Dichters zu überwinden, muß man die traurige Lage, in der Robert Blum damals lebte, doch etwas näher in’s Auge fassen. Nach seinen eigenhändigen Buchungen[7] hatte er in Berlin an Kostgeld durchschnittlich acht Thaler pro Monat bezahlt, einschließlich des Logisgeldes elf Thaler. Daß er für diesen Preis nichts Vorzügliches erhielt, haben wir früher in einem seiner Briefe an Schmitz von ihm selbst erfahren. Hier in Köln aber hatte er seinen Eltern für Kost und Logis bis October 1830 nicht mehr als — einen Thaler pro Monat zu bieten. Von der Zeit seines Engagements bei Ringelhardt an konnte er anfangs vier, 1831 bis 1832 (bis 20. Juli) fünf Thaler und schließlich sechs Thaler an seine Eltern pro Monat zahlen. Wir sind aber wohl berechtigt anzunehmen, daß in diesem Betrage mehr gegeben wurde, als er dagegen empfing[8]. Denn zu allen Zeiten hat er Eltern und Geschwister nach Kräften unterstützt, und gerade damals war seine Familie der Unterstützung bedürftiger als je: der Stiefvater und die Mutter kränklich, die Stiefschwesterchen noch nicht erwerbsfähig; sogar zu gerichtlichen Klagen scheint es gekommen zu sein, denn im Monat Mai 1829 bucht Robert drei Thaler „an meine Eltern für Gerichtskosten“. Man kann sich also denken, wie kümmerlich Robert in jenen Jahren für seine materiellen Bedürfnisse sorgen konnte — ohne deren reichliche Fülle nach Ansicht unserer heutigen Materialisten nicht einmal die gemeine Gehirnsubstanz normal functioniren, geschweige denn einen solchen Ueberschuß an Durchschnittsleistung zu Tage fördern kann, wie ihn die Beschäftigung mit dem allgemeinen Wohl und poetisches Schaffen unter allen Umständen darstellt.

      Man vergegenwärtige sich aber weiter auch die Niedrigkeit und Widerwärtigkeit der Dienste, aus denen Robert Blum seinen Lebensunterhalt gewann. Mit jenem unverwüstlichen Humor, der dem Manne in allen Lagen des Lebens treu geblieben ist, hat er selbst später seine damaligen Leistungen für die Kölner Schaubühne also geschildert: er mußte als Theaterdiener alle Bestellungen des Directors und der Schauspieler besorgen — sie enthielten nicht immer Liebenswürdigkeiten — Rollen, Geld austragen, Vorstellungen und Proben ansagen und dabei alle Anmaßungen und Plackereien der „Künstler“ ruhig und lammfromm hinnehmen. Er mußte „dem überstolzen Schauspieler die Grobheiten des Directors“ — möglicherweise, schalten wir ein, auch der Frau Directorin, denn Madame Ringelhardt war eine sehr energische und geschäftseifrige Dame — „dem zweiten Liebhaber die Ungezogenheiten des dritten Bösewichts hinterbringen, bald der Primadonna den Hund bewachen, bald einer anderen Dame einen andern Dienst besorgen.“ Zudem behandelte und benutzte ihn Ringelhardt zwar ohne jede herrische und verletzende Form, doch nur als Theaterdiener, das heißt als einen der untersten Angestellten seiner Bühne.

      Dem stolzen Gefühl, Berather und Mitarbeiter des Chefs zu sein, das Blum in den letzten Jahren seiner Stellung bei Schmitz hegen durfte, war hier schlechthin zu entsagen. Der üble Geschäftsgang in Köln hat zudem den Director jedenfalls nicht mit der rosigsten Laune erfüllt. Gleichwohl hat Blum auch diesem Brodherrn mit größter Treue und Dankbarkeit gelohnt. Ohne ein Wort vorher zu verrathen, schrieb Blum anonym gegen Ende des Jahres 1830 in einem der gelesensten Kölner Blätter mehrere Zeitungsartikel unter der Ueberschrift „Ein Wort zu seiner Zeit“, in welchen er den schweren Druck, der auf dem Theaterunternehmer durch die enorme Armenabgabe von einem Zehntel jeder Brutto-Einnahme, die fast unerschwingliche Miethe von zwanzig Thalern pro Abend, die vielen Freibillets &c. lastete, mit warmen Worten und großer Sachkenntniß darlegte. Als Ringelhardt erfuhr, aus welcher Feder die tapfere Vertheidigung seiner Interessen geflossen war, hat er seinem Theaterdiener alles Liebe und Gute gethan, was er konnte, vor Allem ihm die Theaterbibliothek zu freiester Benutzung angeboten und ihn für außergewöhnliche Arbeiten durch Geld besonders entschädigt, auch später bei seiner Uebersiedelung nach Leipzig dafür gesorgt, daß Robert ihm dahin nachfolgte.

      In dieser Stellung und Lage fand nun Robert Blum die Freude und den Muth zu dem eifrigsten poetischen Schaffen.

      Schon in Berlin, vom Jahre 1829 an, hatte er sich schriftstellerisch versucht. Sein erstes Werk war freilich der reinsten Geschäftsprosa gewidmet, der Straßenbeleuchtung[9]. Aber hauptsächlich war seine schriftstellerische Thätigkeit doch auf „poetische Versuche“ gerichtet. Die Gedichte, die er unter diesem Titel selbst zusammengestellt, umfassen im Manuscript 308 Ouartseiten und vertheilen sich auf die Jahre 1829 bis mit 1834. Einige derselben sind schon 1829 und 1830 in der von Saphir herausgegebenen „Schnellpost“ erschienen,


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