Robert Blum: Ein Zeit- und Charakterbild für das deutsche Volk. Blum Hans

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Hier fand ihn Dr. Andree, wie er im Grase lag und sein Buch studirte. Andree redete ihn an. Die Männer wurden bald innig befreundet.

      

      Selbstverständlich hielt sich der junge Theatersecretair in den ersten Jahren seines Leipziger Aufenthaltes fern von politischer Parteinahme und fern von dem regen Parteitreiben Leipzigs in communalen Angelegenheiten. Unklar und formlos sprudelte ein grenzenloser Freiheitsdrang in den Köpfen der „Literaten“, die Robert Blum’s hauptsächlichen Umgang ausmachten. Einer dieser trutzigen Denker, die Oesterreich ausgespieen hatte und die nun an der Pleiße ihre tiefen Offenbarungen der Welt kundthaten, schrieb in jenen Tagen die denkwürdigen Verse:

      „Deutschland braucht noch viele Seife,

       Daß es sei gewaschen reiner,

       Und es braucht zu seiner Reise

       Noch viel Kerls wie Unsereiner“.

      Unendlich roh und materiell führten Manche dieser Schriftsteller ihr Leben. Einer der fruchtbarsten unter ihnen, Sporschil, arbeitete wochenlang unablässig und trank dann zur Abwechslung tagelang unablässig. Er verbarg sich dann auf irgend einem Bierdorfe bei Leipzig, bestellte hier 24 oder 36 Glas Bier auf einmal und rastete nicht, bis sie vertilgt waren.

      Einer der begabtesten und maßvollsten dieses Kreises, Dr. Georg Günther, später Blum’s Schwager, reckte sich bei einer Kegelei, zu der befreundete Meßfremde der Provinz eingeladen waren, plötzlich in die Höhe und verkündete mit heiliger Begeisterung die harte Nothwendigkeit, „daß alle deutschen Fürsten sofort zum Teufel gejagt werden müßten“. Blum wandte sich mit würdevoller Ruhe, als ob er die blutige Rede Günthers durchaus ernst nehme, an einen der entsetzten Provinzler mit der Frage: was er dazu meine? Und als der Biedermann schaudernd versicherte, daß sich bei ihm zu Hause nicht fünf Leute zu einem so ungeheuren Frevel finden würden, klopfte ihm Blum lachend auf die Schulter und sagte: „Brav so. — Siehst Du, Günther, das habe ich Dir immer gesagt.“ Vielleicht hat Robert Blum gerade durch den Umgang mit so excentrischen, unklaren Menschen den Werth der maßvollen Ruhe und der realistischen Betrachtung der Dinge, zu welcher seine Natur hinneigte, um so besser erkannt.

      Bald versuchte er das Leipziger Leben, wie es ihm sich darstellte, zu schildern. Der erste Versuch dieser Art ist eine Satire, betitelt „Die Poetenfacultät der Universität Leipzig und Kronos“, gedruckt im „Verkündiger am Rhein“, Köln 4. Aug. 1833. Der breite und wenig witzige Artikel gipfelt in der Versicherung des Kronos, daß er „drei Sächsische Dinge wahrhaft unsterblich machen wolle: einen Leipziger Doctorhut, eine Inauguraldissertation und ein Titelblatt vom Brockhausischen Lexicon.“ Sehr viel interessanter und werthvoller ist eine Abhandlung Blum’s über die Leipziger Messen, welche im „Kölner Correspondenten und Staatsboten“ Nr. 147–155 im Jahre 1834 erschien. In diesem Essay wird zunächst sehr hübsch der segensreiche Einfluß des Zollvereins auf den Leipziger Meßverkehr dargelegt, dann eine in der Hauptsache noch heute richtige Aufzählung der Waarengattungen geboten, welche hauptsächlich auf der Leipziger Messe gehandelt werden und Ziffern für ihren Umsatz gegeben. Besonders lebendig und interessant aber sind die Schilderungen des Leipziger Meßlebens. Trefflich ist das Hasten der Meßvermiether, die Verscheuchung der Studenten durch die Meßfremden, das Gewühl unter den Buden mit seinem gräulichen Chaos von Tönen, Gestalten und Genußanerbietungen aller Art, die Eigenthümlichkeit der Budenstädte auf den Hauptplätzen der Stadt und endlich das charakteristische Gepräge jeder einzelnen Meßwoche, beschrieben. „Das Tageblatt selbst, diese literarische Fundgrube, die schwerlich in Deutschland ihres Gleichen finden möchte[12], wird täglich voluminöser. Ganze Schaaren langbärtiger Israeliten mischen sich in frohem Zuge, als ob es zum gelobten Lande ginge, in das bunte Gewühl. Männer aller Länder und aller Meinungen leben in der ungetrübtesten Eintracht nebeneinander. Die leider nur zu sehr Mode gewordene politische Kannegießerei ist verschwunden; Alles spricht, denkt und empfindet nur den Handel und entwirft Speculationen und Hoffnungen für die beginnende Messe.“ Auch längst verschwundene Eigenthümlichkeiten der Leipziger Messe, der Pferdemarkt und der Judenmarkt, sind hier geschildert. Ueber letzteren heißt es: „Vor dem Hallischen Thore, an einer Stelle, wo die sich rings um die Stadt ziehende Promenade am breitesten ist, wird den Söhnen Isaaks und Jakobs ein Breter-Eldorado aufgeschlagen, in welchem sie vierzehn Tage ihr Wesen treiben. Achtzig bis hundert eng zusammengedrängte kleine Buden vereinigen hier die bärtigen und unbärtigen Hebräer aller Zonen zu einer dichtgeschlossenen Handelskolonie; und in ewig entzweiter Einigkeit — da einer dem andern beständig den Käufer abzulocken sucht — feiern sie im Kleinen das Fest der Wiedererhebung ihrer großen Nation. Band aller Art, englische und deutsche Manufacturwaaren und Bijouterien sind ihre vorzüglichsten und fast einzigen Handelsartikel und es ist interessant zu beobachten, welche unzähligen kleinen Künste in Bewegung gesetzt werden, um die Waare anzupreisen und den Durchwanderer zum Kaufe zu veranlassen. Findet auch der Unkundige den beim Einkaufe gemachten Profit, bei Lichte besehen, zuweilen weit unter Erwartung, so steht der Judenmarkt doch im Allgemeinen im Rufe der möglichsten Billigkeit und wird sehr zahlreich, selbst von den höheren Ständen besucht.“ Dann heißt es weiter: „Auch die deutschen Buchhändler tragen wesentlich zur Belebung dieser Woche bei; denn schaarenweise kommen sie im Anfange derselben aus allen deutschen Gauen hierher und beginnen gegen Mittwoch oder Donnerstag, nach Durchsicht der ihnen vorangegangenen Krebse, ihre sonderbare Berechnung, bei der gewöhnlich große Summen, aber wenig Baarschaft zum Vorschein kommen!“

      So irrig Blum hier über das Abrechnungssystem des deutschen Buchhandels urtheilt, so falsch urtheilt er wenige Zeilen nachher über die „in der letzten Zeit stattgefundene Anregung einer Eisenbahn nach Dresden.“ Er sagt, „man habe mit Recht gegen dieses Project eingeworfen, daß man eine Bahn in der Richtung anlegen müsse, wo sie Handelsvortheile gewährt, nicht aber in einer Richtung, wo sie, wie nach Dresden, als eine bloße Promenadenbahn zu betrachten sei, die nach klaren (?) Berechnungen nicht einmal das Anlagekapital decken, viel weniger einen soliden Gewinn geben könne[13]. Die Urheber des Planes scheinen jedoch darauf beharren zu wollen und streben durch einen unrichtigen Patriotismus ihre Landsleute zur Theilnahme zu bewegen, welche Mühe jedoch bis jetzt fruchtlos blieb, da noch kein Groschen zum Anlagekapital unterzeichnet ist. Ueberhaupt dürfte, wenn man auf dem bisher verfolgten Wege beharrt, die Bahn in den nächsten 25 Jahren nicht zu Stande kommen.“ Die Bahn wurde bekanntlich wenige Jahre später eröffnet, und erfreute sich unter dem wackeren Gustav Harkort, dem jüngst in Leipzig ein Denkmal gesetzt wurde, Jahrzehnte lang einer trefflichen Leitung. Seltsamerweise finden wir Robert Blum, der in dem obigen Urtheil die allgemeine öffentliche Meinung jener Tage sowohl, als die Ansicht kluger Volkswirthe aussprach, fast auf allen Generalversammlungen der Actionäre der Leipzig-Dresdner Bahn als Oppositionsredner gegen die Verwaltung[14].

      Endlich enthält dieser Essay Blum’s über die Leipziger Messe am Schlusse noch folgendes bemerkenswerthe Urtheil über den Buchhändler-Meßkatalog von 1834: „er ist sehr arm, so voluminös er sein mag, und fast keine einzige ausgezeichnete literarische Erscheinung ist darin zu bemerken. Die Pfennig-Gelehrsamkeit scheint sich immer mehr auszudehnen, und das Pfennig-Magazin von Bossenge père, die erste Erscheinung in diesem Genre, welches jetzt 50,000 Abonnenten zählt, hat nach Ablauf seines ersten Jahrganges ein neues Reizmittel für die Leser erfunden, indem es ein historisches „Gratis-Magazin“ als Zugabe giebt, die jedoch auch allein für den Preis von 12 Gr. jährlich zu haben ist. Im Gebiete der Musik hat sich ebenfalls die Pfennigmanie — über die die Aerzte so wenig wie über die Cholera einig sind, ob sie contagiös oder epidemisch ist — verbreitet und wir zählen jetzt bereits drei musikalische Pfennig-Magazine, die manches Gute, aber auch manches höchst Mittelmäßige bringen, was nicht einmal einen Pfennig werth ist.“

      Eifrige Selbstfortbildung, namentlich in Geschichte und Staatswissenschaften, und ebenso eifrige schriftstellerische und poetische Production füllen in diesen ersten Jahren seines Leipziger Aufenthaltes Robert Blum’s Mußestunden. An der Hochschule hörte er bei Drobisch Logik, bei dem Privatdocenten Dr. Burkhardt, seinem intimen Freunde, Geschichte der neuesten Zeit. Fast sämmtliche belletristische Zeitschriften jener Tage bringen lyrische Gedichte, Recensionen, auch größere Essays über literarische Tageserscheinungen von Robert Blum. Die Honorareinnahmen, die er von der „Aurora“, der „Abendzeitung“, den „Rheinblüthen“, „Unser Planet“,


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