DIE BÃœCHSE DER PANDORA (Die Ritter des Vatikan 4). Rick Jones
href="#u75b38d3f-c1c2-5e33-bcb6-4ae20b805404">Kapitel 35
Prolog
Jerusalem, 956 v. Chr.
Gerade, als sich der Himmel über Jerusalem während des Sonnenaufgangs blutrot zu färben begann, stand der alte Priester auf den Zinnen, welche die Stadt umringten, und sah auf die unermessliche Größe von Shishaks Armee hinunter, die sich scheinbar endlos über die Wüstenlandschaft erstreckte.
Tage zuvor hatten Boten gemeldet, dass Shishaks Reihen bereits die Stadt Judah im Norden eingenommen hatten und nun nach Jerusalem marschierten, um deren Schätze ihren falschen Göttern opfern zu können.
Die Hebräer nannten ihn Shishak. Für die Ägypter war er als Sheshong I. bekannt, als Kriegerkönig, der keine Grenzen kannte, wenn es um den Krieg ging. Seine Legion aus 1.200 Streitwagen und 60.000 Reitern, bestehend aus Libyern, Sukkitern und Kuschiten, bahnte sich so dicht gedrängt ihren Weg, dass man zwischen ihnen keinen Fußbreit Land mehr sehen konnte.
Während der alte Priester auf dem Wall der Stadt stand und seinen Blick schweifen ließ, wehte eine warme Brise heran und blies seinen spitz zulaufenden Bart über seine Schulter. Eine unleugbare Traurigkeit angesichts der drohenden, furchtbaren Realität ergriff ihn. Selbst die sengende Wüstenhitze als Verbündeter und die hoch aufragenden Mauern würden nicht genügen, um die Armee des Pharao aufzuhalten.
Jerusalem würde fallen.
Hoch oben, aus den Wachtürmen, ertönte das Warnsignal der Hörner, ein harscher und beißender Klang, der die Massen in Aufruhr versetzte. Die Reichen rafften so viel Geld zusammen, wie sie nur konnten, während die niedrigeren Kasten sich bewaffneten, um die Truppen an der Stadtmauer zu verstärken. Jene, die jedoch die Sinnlosigkeit erkannten, sich Shishaks Reihen entgegenzustellen, flohen durch das Südtor, wo sie bereits von den Sukkiten erwartet und von deren Kampfeslust wie berauscht barbarisch abgeschlachtet wurden.
Der Priester, dessen Gesicht angesichts des Gemetzels durch die Schwerter der Armee Shishaks die Verlorenheit einer Gummimaske angenommen hatte, musste an die Schätze in ihrem Heiligen Tempel denken. Von Alter und Gebrechen gezeichnet, begann Abraham, langsam die Leiter hinabzusteigen, und betete zu Gott, dass dieser ihm genügend Zeit gewähren möge, um die wertvollste Seiner Gaben vor Shishak bewahren zu können.
Er setzte seinen Fuß auf den Boden Jerusalems, bahnte sich seinen Weg durch die aufgeschreckten Massen und versuchte zu dem Heiligen Tempel zu gelangen.
Die kunstvoll verzierten Säulen, die riesigen Bögen und die goldene Kuppel des Tempels schienen ihm zu weit entfernt, egal, wie sehr sich der alte Mann auch mühte, die Lücke zu schließen. Seine Schritte kamen ihm unendlich langsam vor, während er durch die Horden von Menschen watete, die selbstvergessen durch die Straßen rannten.
Als er schließlich den Zugang zu dem Tempel erreichte, wusste er, dass dies sein letzter Sonnenaufgang sein würde.
Mit Augen, die so schwarz erschienen, als würden sie über keine Pupillen verfügen, beobachtete Shishak von einer weit entfernten Erhöhung aufmerksam die Stadt Jerusalem. Und doch wohnten in seinem Blick auch eine große Intelligenz und das Gewicht uneingeschränkten Selbstvertrauens.
Vom Sattel seines weißen Rosses, dessen Mähne so goldgelb wie Mais schimmerte, ließ Shishak seinen Blick über seine Truppen schweifen. Er war groß und schlank, seine Haut von der Farbe gegerbten Leders. Seine Statur war kräftig, sein Kopf kahlrasiert und sein Kinn knochig und kantig. Mit seinem sehnigen Hals, der aus einer kunstvoll verzierten Halskette aus Gold und Juwelen herausragte, wurde Shishak seinem Titel als Kriegerkönig mehr als gerecht.
Neben ihm befand sich Darius, sein gefeierter Leutnant, dessen Haut so schwarz war, dass sie an Auberginen erinnerte. Seine breiten Schultern, sein gewölbter Brustkorb und die dicken Oberarme waren durch jahrelangen Umgang mit Schwert und Schild entstanden.
Augenscheinlich hatte Darius Schwierigkeiten, sein Pferd unter Kontrolle zu halten. Das Ross wieherte und stieg mit seinen Vorderläufen in die Luft, bevor es sich schließlich nach einem Ruck an den Zügeln der Kontrolle des Leutnants beugte.
»Mein König«, sagte Darius, »der Himmel besitzt die Farbe von Blut, was nie ein gutes Omen ist. Selbst mein Pferd wittert die unguten Vorboten.«
Shishak sah seinen Leutnant von der Seite an. »Dein Pferd ist nicht imstande, die Vorhersage eines Orakels zu wittern. Das dunkle Omen, welches du zu sehen glaubst, entspringt einzig deinem Herzen.« Daraufhin widmete er sich mit scheinbar teilnahmsloser Ruhe wieder der Beobachtung der Stadt Jerusalem. »Wo du eine Gefahr zu sehen glaubst«, erklärte er tonlos, »sehe ich ein Zeichen von Ra, dass das Blut unserer Feinde den Boden bedecken und eins mit dem Himmel werden wird. Und wie bereits in Judah wird ihr Blut Zeugnis unseres Sieges sein. Rot wird heute eine gute Farbe sein, Darius. Und bevor dieser Tag vorbei ist, werden die Hufabdrücke meines Hengstes im Sand von Blut gefüllt sein.«
Shishak ließ sein Pferd ein paar Schritte nach vorn traben, um seine Armee besser überblicken zu können. Ihre schiere Stärke ließ sich kaum ermessen. Das gesamte Gelände vor ihnen war mit Soldaten bedeckt, soweit das Auge reichte.
»Gewiss, mein König.« Eilig gab Darius seinen Kommandeuren das Signal, sich auf die Schlacht vorzubereiten, indem er sein Schwert hoch in den Himmel streckte, wo sich die Klinge dunkel vor dem blutroten Himmel abzeichnete. Dann ritt er an der Frontlinie entlang und heizte mit Tiraden den Blutdurst der sechzigtausend Männer an.
Als er wieder zu seinem Platz neben dem Pharao zurückgekehrt war, steckte er sein Schwert zurück in die Scheide. Um sie herum reckten Shishaks Krieger ihre Speere und Schwerter in die Höhe und skandierten ihren Sieg im Namen Ras.
»Sie warten auf Deinen Befehl, mein König.«
Shishak ließ sein Schwert aus seiner mit Juwelen besetzten Scheide gleiten und hob es gen Himmel. Das Kriegsgeschrei seiner Armee eskalierte wie im Fieber in Erwartung des bevorstehenden Kampfes. Dann wandte er sich Darius zu, mit Augen, in denen die Entschlossenheit brannte, zu kämpfen, zuzustoßen und zu töten. Er würde sich nicht zurücklehnen und das Geschehen aus der Ferne beobachten, sondern selbst in das Blutvergießen stürzen, bis die Luft kupfern stank. »Ich will alle Reichtümer des Heiligen Tempels«, erklärte er. »Alles davon soll im Tempel des Ra als Huldigung unseres Sieges dargeboten werden.«
»Gewiss, mein König.«
»Aber