Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
mir. Ich nehme Sie in mein Oxhoft auf und weder Rat noch Bürgerschaft soll Ihr den Aufenthalt darin streitig machen. Schäme Er sich, Monsieur Dunkelschön, daß Er so verzagt tut, einem armen Mädchen gegenüber, die keine andere Stütze hat, als Ihn. Komme Sie, Jungfer, ich will Ihr eine Herberge anweisen.«
Die Wirtin führte Christine fort. Da die Ruhe überall hergestellt war, zogen die Stadtsoldaten ab und ließen zur Sicherheit einen Posten zurück. Ueberall sprach man bis in die Nacht hinein von der nicht gesehenen Komödie des Pfarrers.
Seine Ehrwürden Herr Johannes Koch war in nicht besonders heiterer Stimmung zu Geesthacht angelangt. Das Los eines ausgepfiffenen Theaterdichters ist ein herbes. Dreifach herber ist es, dulden zu müssen, daß ein Schauspiel verurteilt wird, bevor es noch die Bretter beschritt. Mit bekümmerter Miene ging er in dem Garten der Pfarre auf und ab, ein Buch in der Hand, welches er leise in die Tasche gleiten ließ, als die Frau Pastorin erschien. Sie hatte vorhin mit einigen Nachbarinnen gesprochen und war nicht gesonnen, ihren Eheherrn so bald zu verlassen.
Das Gerücht von den Ereignissen in der Fuhlentwiete war auch bis nach dem stillen Dorfe gelangt, das fern von der großen Heerstraße träumerisch an der Elbe liegt. Die von dem Markte heimkehrenden Männer und Frauen hatten die Glocken läuten hören, doch wußten sie nicht den Ort anzugeben, wo sie hingen. Ihnen war nur bekannt, daß ihr Pastor dabei beteiligt, und da sie den Herrn, der in der Gemeinde sehr beliebt war, hoch in Ehren hielten, traten sie zu der Frau Pastorin mit der Bitte, Ehrwürden zu raten, sich vor dem bösen Volke in acht zu nehmen, das ihm eins anhängen wolle. Er möge lieber von Hamburg wegbleiben, oder zu seinem Schutze ein paar kräftige Männer aus der Gemeinde mitnehmen, denn der Herr Pastor wisse wohl, daß er sich auf seine Geesthachter verlassen könne.
»Ich bitte dich, Ilsabe,« entgegnete Johannes Koch, als seine Frau sich notgedrungen eine Pause gönnte, »lasse es endlich genug sein. Ich habe dir alles haarklein erzählt und du warst ruhig. Nun haben dir einige furchtsame Weiber wieder etwas in den Kopf gesetzt und der beigelegte Kampf beginnt auf's neue. Ich habe die Komödie von der männerfeindlichen Fürstin geschrieben, wie so manche andere. Daß es damit ein klägliches Ende nahm, ist ein Unglück, aber keineswegs ein von mir verschuldetes. Noch weniger ist es ein Verbrechen, wie du es dir gern in deinem Kopfe zurechtlegen möchtest. Ehe ich die Arbeit begann, erzählte ich dir den Inhalt und nachher habe ich dir Szene um Szene vorgelesen. Wie kommt es, daß eine Sache, die damals deinen Beifall fand, jetzt die entgegengesetzte Wirkung macht?«
Die Frau antwortete hierauf nichts und der Pastor fuhr fort:
»Der Augustin Moreto war ein frommer Mann und der Liebling seines Königs. Die hohe spanische Geistlichkeit, zu welcher er gehörte, hatte nichts gegen seine Komödien einzuwenden und hielt ihn hoch in Ehren. Welches verdammenswerte Tun kann also begangen werden, wenn man solche Komödie aus dem Spanischen in unsere Muttersprache übersetzt, damit auch wir des Genusses teilhaftig werden?«
»Ich kann dir darauf keine Antwort geben,« sagte Frau Ilsabe, »allein ich vermag den Gedanken nicht los zu werden, daß es eine Sünde ist, für die Komödianten zu schreiben, die doch alle miteinander Vagabunden sind. Außerdem sind die Spanier und also auch dein Don Augustin Katholische, mit denen ein rechter lutherischer Pastor keinerlei Gemeinschaft haben soll.«
»O Frau! Frau!« entgegnete der Pastor mit erhöhter Stimme. »Wie lebst du nun schon so lange mit mir unter einem Dache, hörst täglich und stündlich meine Stimme, die niemals ein unrechtes Wort zu dir sprach, und stehst mir doch so fern, daß ich dich kaum abzureichen vermag. Aber ich danke Gott, daß er mir bei aller Weichheit des Herzens einen festen Sinn gegeben hat und daß ich nicht von dem weiche, was ich einmal für gut und recht erkannt habe.«
»Was meinst du damit?« fragte die Pastorin rasch.
»Du denkst in deinem Sinn, ich müsse nicht nur alle meine früheren Theaterstücke verleugnen und mich nie wieder herbeilassen, eine solche Arbeit zu beginnen.«
»Das wäre gewiß ein gottgefälliges Werk und eines Seelenhirten würdig!« sprach Frau Ilsabe.
»Ich aber sage dir, daß es nicht geschehen wird. Meine dramatischen Gedichte sind, wie meine Predigten, die Kinder meines Geistes und ich werde nicht verleugnen, was meinem Geiste entsprungen ist. Ebensowenig werde ich meine Feder ruhen lassen, sondern denke vielmehr, sie binnen kurzem mit einem wichtigen Gegenstand zu beschäftigen.«
»Nein, daran denkst du nicht!« sprach sie lebhaft und klammerte sich unwillkürlich an ihn. Er zog das Buch, welches er vorhin verbarg, wieder aus der Tasche und sprach:
»Don Pedro de la Barca Calderon war ein kastilianischer Edelmann von hoher Abkunft und einer der großen geistlichen Würdenträger. Er herrschte wie ein Fürst der Kirche und schrieb zugleich für das Theater seines Volkes Werke des unvergänglichen Ruhmes.«
»Du verspottest das Luthertum, indem du es mit den Katholischen hältst!« eiferte die Pastorin. »Mann, gehe in dich, so lange es noch Zeit ist.«
Johannes Koch war von seinem Gegenstande so sehr erfüllt, daß er auf die Worte der Frau nicht weiter achtete, sondern das Buch aufschlagend, fortfuhr:
»Dies ist eines der schönsten seiner Geistesblüten: »Der weise König Basileus, oder der traumhafte Prinz.« Dieses wunderbare Gedicht, welches mich schon seit langer Zeit beschäftigt, müßte eine großartige Wirkung tun, wenn es vergönnt wäre, die Melodie der Sprache mit demselben Wohlklange in der Uebersetzung ...«
Der Pastor wurde in seiner Begeisterung auf eine nicht angenehme Weise dadurch unterbrochen, daß seine Frau ihm das Buch wegriß und es mit beiden Händen festhielt:
»Du sollst dergleichen katholische Bücher nicht lesen; nun und nimmer nicht. Ich sorge schon dafür, daß sie dir nicht wieder vor Augen kommen. Ich will auch nicht müde werden im Ermahnen und im Warnen, wozu mir Gott helfen möge, damit du endlich loslassest von diesem Lebenswandel, der dich nur in Unehre bringt und dich in Gemeinschaft setzt mit allerlei bösem Volke, das dir fern bleiben sollte in Ewigkeit. Lässest du nicht in Zeiten von ihnen, so werden sie sich immer fester an dich klammern und dich erst loslassen, nachdem sie dich verderbten.«
Die Pastorin ahnte nicht, wie nahe es daran war, daß ein Teil dieser Worte sich erfüllen sollte. Die Magd kam in aller Hast gelaufen und meldete, daß zwei Fremde, ein Mann und eine Frau, angekommen wären und auf den Herrn Pastor warteten.
Die Pastorin begleitete ihren Mann in das Haus, indem sie sagte:
»Der Besuch wird dich aus andere Gedanken bringen. Vielleicht eine Gutsherrschaft aus der Nachbarschaft, die irgend ein Anliegen hat.«
Die Pastorin sagte es, allein sie schrie vor Schrecken laut auf, als bei ihrem Eintritt in die Wohnstube ein junges Mädchen mit aufgelöstem Haar sich dem Pastor zu Füßen warf und ausrief:
»Rettet mich, ehrwürdiger Herr, und bringt mich zu Ehren, sonst bin ich verloren und muß jämmerlich umkommen.«
Johannes Koch war in der äußersten Verlegenheit. Er vermochte kein Wort zu sagen und suchte vergeblich, sich von dem Frauenzimmer loszumachen. Da kam ihm der junge Mann zu Hilfe, der das Mädchen vom Boden aufhub und dazu sagte:
»Du sollst nicht vor ihm knieen, wenn er auch ein Geistlicher ist. Durch sein Lustspiel sind wir in dieses Trauerspiel geraten und es ist seine Schuldigkeit, uns daraus zu erlösen.«
»Wehe! Wehe! Die Werke des Satans tragen ihre Früchte!« klagte die Pastorin.
Der Pastor hatte sich auf einen Stuhl niedergelassen. Er sammelte mühsam seine Gedanken und sagte zögernd:
»Dunkelschön und Maienblüte! Ihr seid es?«
»Namen, die in keinem christlichen Kalender stehen!« jammerte die Pastorin.
»Wir sind es,« sagte Dunkelschön. »Mir zur Liebe ist die Maienblüte auf das Theater gegangen. Wie es damit ablief, ist dem ehrwürdigen Herrn bekannt. Zu ihren Verwandten darf sie nicht zurück. Tagelang wandern wir auf und ab im Lande, von Dorf zu Dorf. Jetzt können wir nicht weiter. Maienblüte ist von der ungewöhnlichen Anstrengung erkrankt. Unsere Barschaft ist aufgezehrt. So stehen wir vor Euch