Morde am Fließband: Kriminalgeschichten. Alexis Willibald

Morde am Fließband: Kriminalgeschichten - Alexis Willibald


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war die Zwanziger auf Empfehlung des eigenen Sohnes desselben gekommen. Mit dem ersten Tritt ins Haus faßte sie auch festen Fuß darin. Sie wußte sich durch anschmiegende Zudringlichkeit in das Vertrauen des neuen Herrn einzuschmeicheln und sich durch ihre Künste und Unverschämtheiten mit ihm auf einen gewissen Fuß von Gleichheit zu stellen.

      Sie unternahm für eine Person in ihrer Lage etwas kaum Glaubliches. Glaser, ein Mann in den Fünfzigen, lebte seit Jahren von seiner Gattin getrennt, wie es heißt, ohne seine Schuld. Sie, die fremde, kaum ins Haus gekommene Person, die Dienerin des Herrn, unternahm es, unaufgefordert von irgend jemand, die Versöhnung zwischen den Eheleuten zu stiften, sie, deren neue Stellung durch die wirklich erfolgte Aussöhnung mindestens bedroht werden mußte. Denn wenn eine Hausfrau da war, was bedurfte es einer bezahlten Haushälterin? Unermüdlich geschäftig und mit Weiberschlauheit ging sie zu Werke. Da wurde jede schwache Stunde des Herrn benutzt, da wurden hinter seinem Rücken Briefe an die geschiedene Gattin geschrieben, auch an Freunde der Familie, daß sie zum Versöhnungswerke hülfen. Sie, die Protestantin, schrieb sogar an einen katholischen Pfarrer unter Übersendung eines Zwanzigkreuzerstückes mit dem Ersuchen, für das Gelingen des frommen Werkes eine Messe lesen zu wollen!

      Das Werk gelang. Die geschiedene Frau ließ sich überreden, zurückzukehren. Der Mann war durch die Überredungskünste der Zwanziger vollkommen ausgesöhnt. Aber mit schwerem Herzen reiste die Frau nach Kasendorf, ob allein durch böse Ahnungen oder auch durch Gewissensschläge beunruhigt, bleibt ungesagt. Denn unterwegs schrieb sie an ihre Verwandten: »Wie mir ist, kann ich euch nicht sagen; fürchterlich tobt es in mir. Ob mir vielleicht etwas ahnt? Ich bin wie verwirrt.«

      Glaser war seiner Frau entgegengefahren. Als er zurückkehrte, hatte die Zwanziger den durch sie verführten Ehegatten einen lauten, fast theatralischen Empfang bereitet; einen, wie er sich für jedes feinere Gefühl bei der Wiederanknüpfnng eines so gebrochenen Verhältnisses am wenigsten schickte. Der ganze Ort war auf den Beinen, Blumen und Gewinde überall an Türen, Pfosten, Fenstern, Wänden. An dem mit Kränzen umhangenen Ehebette hing ein zierlich ausgeschnitztes Papier, worauf die Versöhnerin den selbst gedichteten Spruch mit großen Buchstaben geschrieben hatte:

      Der Witwe Hand

       Knüpft dieses Band.

      Der unzarte Aktus, angestiftet von der Frau, welche nicht genug ihre Delikatesse zu rühmen wußte, scheint von den beteiligten Personen ohne Arg aufgenommen worden zu sein.

      Die diabolische Absicht der Zwanziger ist kein Geheimnis. Die häßliche, alte und, wie uns noch zum Überfluß gesagt wird, mit einem ekelhaften Schaden behaftete Witwe hatte nichts Geringeres zur Absicht, als Justizamtmännin in Kasendorf zu werden. Sie hoffte, »sich endlich noch in ihrem Alter ein ruhiges Leben zu bereiten«. Die Schwelle, über die sie notwendig mußte, war der Tod der Glaser. Für das Weitere glaubte sie dann leichter sorgen zu können. Die fromme Rolle der Friedensstifterin, wurde ohne Zweifel nur in der Absicht übernommen, das Opfer in ihre Gewalt zu bekommen. Wahrscheinlich lagen die Gifte schon bereit, als sie das arme Opfertier mit Blumen und Kränzen empfing und es streichelte und liebkoste.

      Glaser behandelte seine Frau mit aller Liebe und Aufmerksamkeit. Aber schon nach einigen Wochen fühlte sie sich unwohl und mußte sich erbrechen. Die Zwanziger hatte ihr, angeblich nur ein halbes Teelöffelchen, Mückenstein in den Tee geschüttet. Sie dachte dabei: Du willst dir doch ein ruhiges Alter machen; und wenn ihr das Gift diesmal nicht hilft, so gibst du es ihr öfter. Einige Tage darauf goß sie einen guten Eßlöffel aufgelösten Mückensteins in eine Tasse Kaffee, rief die Glaser ins Zimmer und lud sie zum Trinken ein. Nachts erkrankte die Hausfrau unter den gewöhnlichen Symptomen und war am zehnten Tage eine Leiche. »Als ich das Gift in die Tasse goß und das dicke Zeug sah, dachte ich gleich: Herr Jesus, die muß gewiß sterben!«

      Mit diesem Giftmorde an der Glaser ist ein vorangehender Vorfall zugleich zur Untersuchung gekommen, der aber doch kein genügendes Resultat geliefert hat; denn die Geständnisse der Zwanziger blieben bis zu ihrem Tode Stückwerk und wurden ihr gleichsam nur abgepreßt. Der Amtmann Wagenholz mit Frau und Sohn besuchte bald nach der Versöhnung der Ehegatten die Glasersche Familie. Nach dem Abendessen wurden alle, die davon genossen hatten, von Übelkeit und Erbrechen befallen. Als die Zwanziger am Tage darauf den Rest einer Schüssel dem Sohn des Nachtwächters gab, mußte auch dieser heftig sich erbrechen und ins Bett kriechen. Es ist möglich, daß die Zwanziger hier nur ein Probestück versuchte, gleichwie die Brinvillier, ehe sie zu den beabsichtigten Vergiftungen schritt, eine Probe an Tieren, armen Leuten und ihrer Kammerjungfer versucht haben soll. Möglich auch, daß ihr die Gäste lästig waren, sie fürchtete, durch ihre wiederholten Besuche in ihrem Plan gestört zu werden und gebrauchte die Vergiftung als ein Abschreckungsmittel.

      Die Zwanziger wollte den Verdacht auf den Justizamtmann Glaser wälzen. Er sei wie der Satan auf die Wagenholzschen Eheleute erbost gewesen und möchte wohl etwas in die Speisen getan haben; denn sie habe sich selbst nachher davon erbrechen müssen. Aber das weibliche Ungeheuer wollte auch die Vergiftung der Glaser selbst zur größeren Hälfte von sich auf den unschuldigen Ehemann abwälzen. Indem sie gestand, ihr Gift gegeben zu haben, behauptete sie, es sei auf Anstiften des Mannes geschehen, der seine Frau für immer habe los sein wollen. Bei der Kaffeevergiftung habe er ihr den Mückenstein mit den Worten gereicht: »Da geben Sie es ihr hin. Für das Luder ist es nicht schade.« Glaser erschien dem Richter infolge dieser Angabe und des früheren ehelichen Verhältnisses auch wirklich so verdächtig, daß er gefangen gesetzt und die Untersuchung gegen ihn eröffnet wurde. Erst bei den ferneren Entwickelungen gegen die Zwanziger kam seine Unschuld vollkommen zutage.

      Ihr Zweck im Glaserschen Hause war nicht erfüllt. Ein Mord war umsonst begangen. Sie kam ins Grohmannsche Haus. Auch hier war ihr Gedanke, daß Grohmann sie heiraten solle. Dieser selbst hatte sich gegen eine Bekannte dahin geäußert, bei einem jeden Briefe, den er erhalte, vermute die Schönleben einen Heiratsantrag. So alt sie sei, bilde sie sich wohl gar ein, er werde sie selbst noch heiraten! Grohmann, so kränklich er war, ging in der Tat damit um, zu einer ehelichen Verbindung zu schreiten, aber nicht mit seiner alten Haushälterin, sondern mit der Tochter eines benachbarten Justizamtmanns. Die Zwanziger kümmerte sich um diese Angelegenheit mit der lästigsten, ängstlichsten Zudringlichkeit und gab auf verschiedene Weise zu erkennen, wie das ganz gegen ihre Absichten und Wünsche sei. Sie belauerte alle Briefe, die an ihn gelangten, und wußte den Inhalt auszuspähen. Gegen Dritte äußerte sie: »Der Mann ist immer krank und will doch heiraten!« Zu Grohmanns Schwester äußerte sie, die Braut ihres Bruders sei an ein lustiges Leben gewöhnt; sie werde sich in das einsame, stille Sanspareil nimmermehr finden, auch wenig Lust haben, immer mit der Klistierspritze umherzugehen.

      Als es endlich hieß, Grohmann sei schon aufgeboten, und in acht Tagen werde die Braut erwartet, erschien die Zwanziger in ganz besonderer Bewegung, und um diese Zeit erkrankte Grohmann unter ungewöhnlichen Erscheinungen. Das Betragen der Zwanziger an seinem Krankenlager, wo sie ihn nicht aus dem Auge und aus den Händen ließ; ihr ungebärdiges Benehmen nach seinem Tode, wo sie durch Übertreibung eines affektierten Heulens und Schreiens einen Schmerz heuchelte, der bei ihrem entfernten Verhältnisse kein natürlicher sein konnte; die naheliegenden Motive der Tat, der Zustand, in welchem Grohmanns Leiche gefunden wurde, endlich ihr Charakter und ihre anderen Taten begründen den dringendsten Verdacht, daß auch dieser Mann an Gift gestorben sei, welches sie ihm gereicht habe. Sie selbst hat es zwar beharrlich in Abrede gestellt, denn Grohmann wäre ihr viel zu schätzbar gewesen, ihr Alles und ihr bester Freund, so daß sie nichts an ihm zu rächen Ursache gehabt habe; aber doch räumte sie es ein, es sei möglich, daß Grohmann von den vergifteten Bierkrügen getrunken habe, welche sie für andere hingestellt habe.

      Jeder dieser drei großen Giftmorde, deren sie verdächtig und überwiesen ist, ist von anderen kleineren Versuchen wie von einem notwendigen Gefolge begleitet, und wenn vor dem Richter über den Giftmord des Grohmann selbst noch Zweifel obwalten könnten, so sind sie doch hinsichtlich dieser gelegentlichen Nebenvergiftungsversuche völlig bestätigt.

      Zwei Gerichtsdienerburschen namens Dorsch, der eine Lorenz, der andere Johann mit Vornamen, hatten sich das Mißfallen der Zwanziger zugezogen. Sie meinte von den dreisten Jungen fortwährend geärgert und gefoppt zu werden, und hielt es für nötig, sie deswegen zu züchtigen. Um ihnen den Appetit zu verderben, wie sie sagte,


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