Im Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Im Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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zu gehen. Der Name Pohl jagte ihr Angst und Schrecken ein. Allein der Name.

      Aber war es nicht unsinnig anzunehmen, dass Olivers Vater mit Walter Pohl identisch war? Dann hätte er doch schon verheiratet gewesen sein müssen, als sie ihn kennenlernte. Doch war ihm nicht auch das zuzutrauen?

      Sie starrte auf das Telefon, bevor sie den Hörer aufnahm. Sie musste im Fohlenhof anrufen.

      Dr. Fernand hatte ihr den Auftrag gegeben, und sie war hier nur eine Angestellte.

      Ihre persönlichen Empfindungen durften keine Rolle spielen.

      Dabei konnte sie sich nicht vorstellen, dass jener Walter Pohl, den sie gekannt hatte, ein Vater sein könnte, nach dem ein Kind schmerzlich verlangte. Es musste ein anderer sein.

      Sie wählte mit zitternden Fingern die Nummer. Fränzi Großmann meldete sich.

      »Hier spricht die Sternseeklinik«, sagte Ursula tonlos. »Kann ich bitte Herrn Pohl sprechen?«

      »Mein Gott, ja, ich verbinde. Aber sagen Sie, wie geht es dem Jungen? Wir sind ganz erschrocken. Wir wissen gar nicht, wie das passiert ist.«

      »Ich kann leider keine Auskunft geben«, erwiderte Ursula.

      »Dann verbinde ich mit dem Appartement.«

      Und dann meldete sich eine Stimme, die Ursula das Blut in den Adern erstarren ließ.

      »Was ist denn?«, fragte diese Stimme, weil sie kein Wort hervorbrachte.

      »Oliver verlangt nach Ihnen«, erklärte sie heiser. »Er ruft nach seinem Vater.«

      »Mir geht es nicht gut. Geben Sie ihm ein Schlafmittel«, entgegnete er barsch.

      Das war genau der Walter Pohl, der ihr Leben zerstört hatte, und gerade jetzt, wo sie ihn ganz aus ihrem Gedächtnis gestrichen hatte, war er wieder da.

      Sie war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie hatte nur noch eine entsetzliche Angst, mit der sie nicht allein fertig werden konnte.

      Mechanisch, wie unter einem fremden Zwang stehend, suchte sie Hartmuts Telefonnummer heraus. Und als er sich mit seiner leisen Stimme meldete, traten ihr Tränen in die Augen.

      »Hier ist Ursula«, flüsterte sie.

      »Ursula!« Zärtlich tönte ihr Name durch den Draht, wie ein weiches, beruhigendes Streicheln.

      »Hartmut, er ist da. Er ist im Fohlenhof«, kam es bebend über ihre Lippen. »Sein Sohn ist in der Klinik. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich habe Angst. Bitte, hilf mir. Ich habe doch sonst niemanden, mit dem ich sprechen könnte.«

      »Ich komme!«, hörte sie ihn sagen, und dann dachte sie plötzlich daran, dass er Maxi allein lassen müsste.

      »Nein, du kannst nicht weg. Du kannst Maxi nicht allein lassen. Wenn ich nur weiß, dass du morgen kommst. Ich habe ja auch Nachtdienst. Ich kann nicht weg.«

      »Ich komme morgen früh, vor der Schule«, versprach Hartmut. »Nicht die Nerven verlieren, Ursula. Sei ruhig, sei ganz ruhig, mein Liebes. Du bist nicht allein.«

      Ich bin nicht allein, dachte sie. Er wird mir zur Seite stehen.

      Als sie dann den Hörer auflegte, sah sie Dr. Allard in der Tür stehen, der sie mit einem nachdenklich-forschenden Blick betrachtete.

      »Es tut mir leid«, flüsterte sie. »Es ist so entsetzlich.« Tränen rannen über ihre Wangen.

      Er kam auf sie zu und legte beruhigend seine Hand auf ihren gebeugten Nacken.

      »Nun sagen Sie mir, was geschehen ist, Ursula.«

      »Ich weiß nicht, wo ich beginnen soll«, flüsterte sie.

      »Am besten beim Anfang«, erklärte er aufmunternd.

      *

      »Wie konntest du nur so unhöflich sein!«, jammerte Lucia. »Was sollen die Leute denken!«

      »Die Leute, die Leute!«, höhnte er. »Sollte ich etwa sagen, dass ich der Mensch bin, den Oliver am allerwenigsten sehen möchte? Sollte ich sagen, dass ich nicht sein Vater bin und dass wir gar nicht verheiratet sind? Was denkst du dir eigentlich!«

      »Du bist doch schuld an allem!«, schrie sie ihn an. »Du hast doch den Aschenbecher nach dem Jungen geworfen. Was wollten sie denn eigentlich?«

      »Nach seinem Vater verlangt er. Zum Teufel, warum hast du ihn nicht bei seinem Vater gelassen?«

      »Du vergisst das Wichtigste, mein Lieber. Du vergisst, dass es uns dann nicht so gut gehen würde, dass wir auf all das schöne Geld, das dir doch so viel bedeutet, verzichten müssten. Oder würdest du verzichten?«

      »Lass mich in Ruhe! Bieg das zurecht. Es ist dein Sohn. Ruf in der Klinik an und sag, dass ich mich so schrecklich aufgeregt habe, dass ich keinen klaren Gedanken fassen kann.«

      »Und wenn es dem Jungen nun so schlecht geht, dass …«

      »Mal doch nicht immer gleich den Teufel an die Wand. Der mit seinem Holzkopf«, fiel er ihr ins Wort.

      Und so sprach er von ihrem Sohn. Sie wollte aufbegehren, aber die Angst vor der Blamage war größer. Diese Leute in der Klinik durften nicht misstrauisch werden.

      Wenn man tatsächlich Olivers Vater benachrichtigte, würde das unabsehbare Folgen für sie haben. Es war nicht auszudenken.

      Sie ließ sich mit der Klinik verbinden, aber es kam das Besetztzeichen.

      Schwester Ursula hatte den Hörer in ihrer Aufregung nicht richtig aufgelegt und durch diese Achtlosigkeit kam eine Lawine ins Rollen, die niemand voraussehen konnte.

      *

      »So ist das also«, bemerkte Dr. Allard, als Ursula ihre Beichte beendet hatte. »Nun verzweifeln Sie nicht gleich. Wir werden es zu verhindern wissen, dass Sie diesem Mann begegnen. Das scheint ja wirklich ein schlimmer Zeitgenosse zu sein. Wenn er nichts anderes zu sagen weiß, als dass wir dem Jungen ein Schlafmittel geben sollen, na danke! Ich frage mich nur, warum der Junge dann nach ihm jammert. Ich gehe jetzt zu ihm. Nehmen Sie Beruhigungstropfen, Ursula. Oder sollen wir besser Schwester Dorle wecken?«

      »Nein, jetzt ist mir schon wieder wohler. Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis, Herr Doktor.«

      »Bringen Sie Baldrian nach Zimmer zehn«, sagte er.

      Ihm erging es nicht anders als Ursula. Oliver stieß auch ihn weg.

      »Mein Vater soll kommen!«, schluchzte er jetzt.

      »Ihm geht es nicht gut, Oliver«, erklärte Dr. Allard besänftigend. »Wir haben schon im Fohlenhof angerufen.«

      Der Junge richtete sich auf. Aber mit einem schmerzvollen Stöhnen sank er zurück. »Das ist nicht mein Vater«, flüsterte er. »Dieser gemeine Kerl! Er wollte mich umbringen!«

      Ursula stand in der Tür und hörte es. Ganz kalt wurde es ihr. Sie konnte keinen Schritt weitergehen.

      »Ich heiße nicht Pohl. Mama ist auch nicht mit ihm verheiratet. Sie tun nur so. Ich will zu Vati, zu meinem Vati! Sie wollen mich nicht zu ihm lassen!«

      »Sei ruhig, Oliver«, erwiderte Dr. Allard. »Wir werden deinen Vati holen, wenn du uns sagst, wo wir ihn erreichen können. Du bist krank. Wir wollen dir doch helfen.«

      »Ich heiße Busch und mein Vater auch«, flüsterte er. »Aber ich weiß doch nicht, wo mein Vati ist. Sie hat es mir doch nicht gesagt.«

      Und wie sollte man diesem Kind nun helfen? Dr. Allard wusste nicht, was er tun sollte.

      Die Polizei benachrichtigen? Aber damit kamen sie auch nicht weiter. Es gab Tausende Menschen mit Namen Busch in Deutschland, und man wusste ja nicht einmal, ob Olivers Vater in Deutschland war.

      Blieb nur seine Mutter. Man musste ihr wohl die Pistole auf die Brust setzen.

      »Du musst jetzt schlafen, Oliver«, äußerte er beruhigend. »Wir werden deinen Vati schon


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