Im Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Im Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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er ihren Namen aussprach, der doch gar nicht weich klang.

      »Lisa war die Pflegetochter von den Thewalds. Eigentlich eine Comtesse Chantelle, aber das hat sie erst erfahren, als sie schon erwachsen war und ihre Sprache wiedergefunden hatte. Sie war nämlich stumm.«

      »Stumm, wie schrecklich«, flüsterte Ursula.

      »Sie hat es wohl gar nicht als so schlimm empfunden, bis sie Michael, den Bruder von Frau Allard, kennen- und liebenlernte. Und als sie einmal schreckliche Angst um ihn hatte, fand sie die Sprache wieder. Woran man sieht, wozu Liebe fähig ist.«

      Ein Hauch von Entsagung war in seiner Stimme, der auch blieb, als er weitersprach.

      »Ja, es war eine ebenso dramatische wie romantische Liebesgeschichte. Jetzt sind sie glücklich verheiratet, und Lisa ist eine strahlend schöne junge Frau, die aber ihre Pflegeeltern nicht vergessen hat und sich auch rührend um die drei Kinder kümmert, die den Thewalds über die Trennung von ihr hinweggeholfen haben.«

      »Und Sie bringen ihnen Französisch bei. Was können Sie eigentlich noch alles?«

      »Liebe Güte, was man in der Schule so alles gelernt und dann auf der Universität vervollkommnet hat.«

      Sie hatten nun das Dorf erreicht, und er hielt vor einem hübschen kleinen Haus.

      »So, hier wohnen wir«, erklärte er nun.

      Er half ihr aus dem Wagen und hielt ihre Hand fest.

      »Dort ist die Schule, da die Kirche. Unsere Geschäftsstraße besteht aus vier Läden.«

      Er lachte leise dabei, und dann ging er, seine Hand unter ihren Arm schiebend, ein Stück weiter mit ihr.

      »Der Ort ist gar nicht so klein, nur sehr weit auseinandergezogen. Fast jeder hat sein Stück Land, das er noch selbst bebaut, aber zumindest einen großen Garten. Und es siedeln sich auch schon ein paar Städter hier an, die auf billig erworbenem Grund komfortable Häuser bauen. Die Flucht aus der Stadt kommt in Bewegung. Ich habe nicht mehr das Gefühl, ein Außenseiter zu sein.«

      »Ich finde es sehr gut, wenn man den Mut hat, das zu tun, was man tun möchte und sich nicht unter Zwang in etwas pressen lässt, was dann doch unzufrieden macht«, sagte Ursula.

      Sie spürte seinen Blick auf sich ruhen.

      »Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie Ihren Beruf gewählt, Ursula?«, fragte er. Die Scheu war ganz von ihm abgefallen.

      »Ich hätte gern Medizin studiert«, erwiderte sie leise. »Die Lebensversicherung meines Vaters hätte dafür auch gereicht. Aber dann lernte ich jenen Mann kennen, der mir nicht nur alle Illusionen raubte, sondern auch mit dem größten Teil des Geldes verschwand.«

      »Haben Sie ihn denn nicht angezeigt?«, fragte er nach sekundenlangem Schweigen.

      »Angezeigt?« Sie lachte kurz auf. »Guter Gott, ich war doch so dumm, ihm das Geld zu geben, weil er eine Wohnung kaufen wollte. Man muss bezahlen für seine Dummheit. Ich hatte doch nicht mal eine Quittung, und er hätte es glatt geleugnet. Was halten Sie nun von mir?«

      »Ich denke nur, dass es eine Gemeinheit ist, Vertrauen so zu täuschen. Es ist kriminell. Und mit Menschen, die solches tun können, sollte man nicht nachsichtig sein.«

      »Es lohnt sich auch nicht, darüber zu reden. Verderben wir uns den schönen Abend nicht.«

      »Trinken wir ein Glas Wein bei mir?«, fragte er. »Ich denke, dass dies angebracht wäre zu Beginn einer Freundschaft, die hoffentlich von Bestand sein wird.«

      »Gern«, sagte sie und dachte, wie schön es wäre, einen solchen Freund zu haben. Andere Wünsche wollte sie gar nicht aufkommen lassen.

      *

      Sie war sehr beeindruckt von der Einrichtung des kleinen Hauses. Schöne alte Möbel, die so wertvoll waren wie die Teppiche und Gobelins und einen kultivierten Geschmack verrieten.

      »Erbmasse von meinen Eltern«, bemerkte er leichthin.

      Es mussten vermögende Eltern gewesen sein, ging es ihr durch den Sinn. Fragen wären ihr aber doch zu taktlos erschienen.

      Die Küche war modern und mit allen elektrischen Maschinen ausgestattet.

      »Das muss sein«, erklärte er beinahe entschuldigend. »Sonst käme ich nicht zurande.«

      Maxis Zimmer war modern und sehr hübsch eingerichtet. Das Bett war in eine Wandnische eingebaut, und an Spielsachen mangelte es ihm gewiss nicht.

      Man spürte, wie sehr Hartmut sich hier zu Hause fühlte. Er wirkte jetzt sehr selbstsicher und gelassen, stellte zwei herrliche geschliffene Gläser auf den Tisch und holte dann den Wein aus dem Keller.

      Er lächelte, als sie brav wie ein Schulmädchen in dem Sessel Platz nahm, den er ihr zurechtgeschoben hatte.

      »Da sitze ich nun abends und döse vor mich hin«, bemerkte er.

      Doch das glaubte sie nicht. Er war kein Mann, der vor sich hin döste, und die vielen Bücher in den Regalen verrieten, wie er sich seine Zeit vertrieb.

      »Mögen Sie Beethoven?«, fragte er.

      Sie bejahte es. Wehmütig dachte sie an vergangene Zeiten, als sie noch Geld gehabt hatte, Konzerte zu besuchen. Es schien unendlich weit zurückzuliegen. Aber als die Musik erklang, schmolz diese Zeit zusammen zu einem Nichts.

      Er hatte die Gläser gefüllt und hob ihr seines entgegen.

      »Dann auf gute Freundschaft, Ursula«, sagte er leise. »Ich heiße Hartmut.«

      »Ja, ich weiß. So sehr gut passt der Name nicht zu Ihnen.«

      In seinen Augen tanzten kleine Fünkchen, und wieder lachte er leicht auf.

      »Mein Vater war Offizier«, berichtete er. »Er wollte einen harten, mutigen Sohn, aber wie das so ist im Leben, bekam er das Gegenteil davon. Es hat ihm arg zu schaffen gemacht.«

      »Und Ihre Mutter?«, fragte Ursula.

      »Sie war die Frau ihres Mannes. Er war ihr Gebieter.«

      Vielleicht überlegte er jetzt, ob er so viel sagen sollte, doch er fügte hinzu: »Sie war auch die Tochter eines Offiziers. Damals hatte man diesbezüglich seine Vorstellungen. Aber betrachten Sie es bitte nicht als Provokation, dass ich mich deswegen entschloss, Dorfschullehrer zu werden. Es war mein sehnlichster Wunsch, Kinder zu unterrichten, die durch die Umgebung in der Bildung benachteiligt werden. Sie glauben gar nicht, wie viel Intelligenz in ihnen ist, die verkümmern müsste, wenn sie nicht geweckt wird.«

      Und dies alles hatte seine Frau nicht verstanden. Wahrscheinlich stammte sie auch aus den sogenannten besseren Kreisen.

      »Hanna bezeichnete mich als Narren«, erklärte er, als könne er ihre Gedanken lesen. »Und was denken Sie über mich, Ursula?«

      Sie nippte an dem Wein. Er war köstlich, belebend und versetzte sie in eine beschwingte Stimmung.

      »Ich halte Sie für einen Individualisten«, erwiderte sie. »Vor allem aber sind Sie ein Mensch, der mir sehr viel von dem zurückgibt, was ich längst verloren glaubte.«

      Er nahm ihre Hand, drehte sie herum und legte seine Lippen leicht auf die Fläche.

      »Ich mag Sie sehr«, sagte er mit ernstem Nachdruck. »Ich bin sonst ein schwerfälliger Patron, aber diesmal habe ich mir selbst einen Rippenstoß versetzt, weil ich Angst hatte, wir könnten uns aus den Augen verlieren.«

      Seine Offenheit war beglückend. Ein weiches Lächeln legte sich um ihren Mund.

      »Das wäre sehr schade«, bekannte sie. »Ich mag Sie auch sehr gern, Hartmut.«

      Sie versanken in Schweigen und lauschten der verklingenden Musik.

      Er stand auf und stellte den Plattenspieler ab. Ein paar Sekunden blieb er stehen und betrachtete sie. Dann trat er zu ihr und küsste sie auf die Schläfe.

      »Es wäre schön,


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