Leni Behrendt Staffel 1 – Liebesroman. Leni Behrendt
du schwindelst ja«, lachte Rosita. »Du sollst musizieren und bist ausgerückt, um Dina zu suchen, damit sie für dich in die Bresche springt. Und dabei hättest du doch die beste Gelegenheit, deinen Liebsten musikalisch anzuhimmeln.«
»Das kannst du ja bei deinem Detlef tun«, gab Elke schlagfertig zurück. »Denn schließlich bist du ja erst wenige Monate verheiratet, und die Flitterwochenseligkeit dürfte wohl noch anhalten.«
»Laßt eure Spitzfindigkeiten«, schaltete sich Dina ein. »Gehen wir nach unten, und lassen wir die älteren Herrschaften entscheiden, wer musizieren soll.«
Die Mädchen natürlich, und alle der Reihe nach, wurde einstimmig entschieden.
»Vortreten!« kommandierte Kyrt sen., worauf denn Dina, Elke und Marlene vor ihm strammstanden.
»Rosita, du fehlst ja noch!« rief Elke, doch da reckte sich das grazile Persönchen und verkündete von oben herab:
»Bitte sehr, ich bin Ehefrau.«
Zuerst Verblüffung allerseits und dann stürmische Heiterkeit.
»Sie hat recht«, lachte Muttchen Heinboldt Tränen. »Obwohl sie die jüngste der weiblichen Jugend ist.«
»Also«, lächelte der Schelm nonchalant. »Musiziert nur, ihr Mädchen, ich als Frau höre zu.«
»So ein entzückender kleiner Racker«, schmunzelte Papa Heinboldt. »Wie werden Sie bloß mit dem einig, Herr Graf?«
»Ich dulde und leide«, bekannte Detlef gottergeben.
»So sehen Sie gerade aus«, amüsierte sich die Hausherrin. »Allons, ihr Maiden, beginnt mit dem Konzert. Machen Sie bitte den Anfang, Fräulein Grandt.«
»Wer begleitet mich auf dem Flügel?«
»Sie selbst.«
»Was wird gewünscht?«
»Das bleibt Ihnen überlassen. Dina, stelle das Notenbuch auf, das so schöne Lieder birgt. Darunter wird Fräulein Grandt bestimmt etwas finden, das ihr genehm ist.«
Marlene setzte sich an den Flügel, und erwartungsvolle Stille trat ein. Ohne in dem Notenbuch zu blättern, begann sie mit dem Vorspiel des Intermezzo aus »Cavalleria rusticana«. Dann setzte die Stimme ein, klar und wohl geschult:
Heiße Sehnsucht loht auf meinen Wangen, mach ein Ende meiner Not, tönte es durch den Raum, in dem die Menschen andächtig lauschten. Wie gebannt hingen die Augen des jungen Grafen Trutzger an der Sängerin. Schmerz brannte darin und Sehnsucht. Da er ein wenig abseits saß, konnte nur Rosita sein Gesicht beobachten. Sie hatte ein Gefühl, als preßte eine harte Faust ihr das Herz zusammen.
Also doch, er liebte Marlene! Und diese Liebe konnte nie in Erfüllung gehen, weil er auf sein Wort hin eine Ehe eingegangen war, die ihm lästig sein mußte.
»Mir hilft nur Lieb oder Tod«, verklang die Stimme der Sängerin wie ein Hauch. Einige Herzschläge lang Stille, dann setzte stürmischer Beifall ein. Er gab Rosita Gelegenheit, sich zu fassen. Niemand merkte ihr an, wie erbärmlich ihr zumute war.
Und so bewährte das junge Menschenkind sich in seinem ersten heißen Seelenschmerz. Sie, die der Vater unbeherrscht nannte, beherrschte sich so tadellos wie selten ein Mensch.
Kleine wilde Rose, auf deinen zarten Blütenkelch ist ein Rauhreif gefallen. Nun kannst du beweisen, ob du stark genug bist, um ihn abzuschütteln oder unter ihm zu verwelken.
Als man Marlene genug gefeiert hatte, sollte Elke mit ihrer musikalischen Darbietung beginnen, wogegen sie sich heftig sträubte.
»Nach diesem Genuß soll ich mit meiner Stümperei beginnen? Das wäre! Ich werde mich doch nicht selbst blamieren.«
»Dann werde ich es zuerst tun«, erklärte Dina gutmütig. »Dann wird es dir hinterher nicht so schwer fallen.«
Sprach’s, setzte sich an den Flügel und wartete mit einer musikalischen Darbietung auf, die hinter der ersten gewiß nicht zurückstand. Man stand ernstlich in der Qual der Wahl, wem man den Preis zuteilen sollte.
»Das wird ja immer schlimmer«, bekannte Elke kläglich. »Jetzt fehlt bloß noch, daß Rosita die anderen gar noch übertrumpft.«
»Da brauchen Sie keine Angst zu haben, kleine Elke«, lachte Trutzger sen. »Wenn meine Tochter musiziert, bekommen alle Zuhörer Zahnschmerzen.«
»Und das läßt du dir gefallen, Rosita?« hetzte Dina. »Zeig dem Spötter, was du kannst.«
»Über den Spott bin ich erhaben«, tat die Angegriffene großartig. »Gut singen und spielen können viele, aber so richtig schlecht nur wenige. Ich zähle also zu den Ausnahmen.«
Man lachte herzlich über das schlagfertige Persönchen, und dann wurde Elke überstimmt. Sie trug ein neckisches Liebeslied mit so viel Charme und Schelmerei vor, daß sie mit den anderen bestimmt konkurrieren konnte.
»Zum Kuckuck, blamiert sich denn heute keiner?« fragte Papa Heinboldt ordentlich bekümmert, und man lachte, daß man sich schüttelte. –
»Los, Rosita, tu ihm den Gefallen!« rief der Vater ihr neckend zu. Schon wollte sie sich sträuben, als ihr Blick auf den Gatten fiel, dem ein ironisches Lächeln in den Mundwinkeln hockte. Da stieg siedendheißer Trotz in ihr auf – und zugleich verletzter Stolz.
Lächle nur, dachte sie verbissen. Es wäre dir natürlich eine Genugtuung, wenn die dir aufgedrängte Frau sich blamieren würde. Aber du sollst dich wundern. Ich habe ja nicht umsonst in den letzten Wochen unermüdlich musiziert, wenn mich keiner hörte.
»Gut, blamiere ich mich«, entschied sie mit blitzenden Augen. »Dinalein, du bist wohl so lieb und gibst die Begleitung auf dem Flügel.«
»Mit Wonne«, lachte das Mädchen fröhlich. »Komm, suchen wir etwas ganz besonders Schönes aus, als Belohnung für deinen Mut.«
Sie blätterten in dem Buch, das alte, längst vergessene Lieder aufwies, die oft den Spott der Jugend herausforderten. Eines davon war rot angestrichen, und Rosita sah Dina fragend an.
»Muttchen, sie will dein Lieblingslied singen!« rief letztere neckend. »Mehr kann man nun wirklich nicht verlangen.«
»Laßt mir das arme Kind endlich in Ruhe!« wurde Frau von Kyrt energisch. »Singen Sie nur, Herzchen, Sie machen mir damit eine Freude. Schon deshalb, weil Sie in Ihren jungen Jahren dieses innige Liedchen nicht als kitschig ablehnen.«
»Jetzt geschieht’s«, sagte Graf Rasmus so gottergeben, daß die anderen vor unterdrücktem Lachen rot anliefen. Doch schon beim Vorspiel horchten sie auf. So innig klang die schlichte Weise, so voller Zärtlichkeit. Und erst die Stimme, die dann einsetzte. Süß und schmeichelnd war sie, von bestrickendem Wohllaut, leise, wie verträumt.
Und ein verträumtes Lächeln lag auch um den Mund der Sängerin, die allen plötzlich fremd vorkam und sinnverwirrend schön. Leicht gegen den Flügel gelehnt stand sie da, den Kopf geneigt, über dessen Lockenpracht das Licht der Lampen goldene Reflexe warf. Weich schmiegte sich das grüne Samtkleid um den grazilen Körper, die kinderkleinen Füßchen in den hellfarbigen Sandaletten kreuzten sich übereinander.
Wie weltentrückt stand sie da, die holde Sängerin, über deren Lippen es nun kam in bittersüßer Klage:
Du sagst, du willst jetzt von mir gehn,
weil du an eine andre denkst?
Vielleicht kann ich es gar verstehn,
daß du ihr deine Liebe schenkst.
So geh von mir für alle Zeit,
mein Herz jedoch bleibt dir geweiht.
Du bist mein Traum in stiller Nacht,
mein höchstes Glück, wenn ich erwach.
So aus herzklopfender Tiefe heraus hätte die junge Rosita vorgestern noch nicht gesungen. So schmerzlich empfinden konnte sie erst seit gestern, da die Liebe so spontan in ihrem Herzen