Karin Bucha Staffel 3 – Liebesroman. Karin Bucha
Ursulas Hand und zog das Kind an sich, das sich willig in ihre Arme schmiegte.
Allmählich spürte sie, wie sie ruhiger wurde.
»Schon vorüber«, sagte sie und versuchte zu lächeln.
Beruhigt nahm Rudolf Strantz Platz.
»Ich glaube, es ist draußen noch zu kalt für Ursula. Wir werden unser Spiel lieber auf die Mittagszeit verlegen, da haben wir mehr Sonne. Nicht wahr, Kleines?«
Ursula lächelte ihn glücklich an. Etwas Geheimnisvolles lag in diesem Kinderlächeln, so, als seien sie Verbündete, sie und ihr neuer, großer Freund.
»Wir müssen auch gehen, Ursula«, mahnte Brigitte zum Aufbruch.
»Schon?« bedauerten Strantz und das Kind wie aus einem Mund.
»Wir dürfen nicht vergessen, daß Ursula noch sehr erholungsbedürftig ist und viel ruhen muß«, erklärte Brigitte.
Da wagte Strantz keinen Widerspruch mehr. Die Kleine sah wirklich blaß und angegriffen aus, und außerdem entging ihm auch die Veränderung in Brigittes Wesen nicht.
Als die beiden das Hotel verlassen hatten, grübelte er noch immer darüber nach, was wohl der Grund für Brigittes plötzliches Erschrecken gewesen sein mochte.
Er bedauerte jetzt, Brigitte nicht für den Abend um ein Plauderstünd-chen gebeten zu haben. Ob sie wohl angenommen hätte? Wahrscheinlich nicht! Sicher würde sie das Kind nicht allein lassen wollen.
Aber morgen würde er die junge Frau wiedersehen. Dann würde er sie, selbst auf die Gefahr hin, für aufdringlich gehalten zu werden, ein wenig über ihr Leben ausforschen.
Eine unheimliche Macht hatte diese Frau, die noch so jung aussah und doch schon einen feinen Leidenszug um den Mund trug, über ihn gewonnen.
Jetzt war er in einer Stimmung, die ihn selbst die Gesellschaft dieses unausstehlichen Markhoff hätte ertragen lassen.
*
Unter Lachen und Scherzen hatte Brigitte Ursula zu Bett gebracht. Wohlig schmiegte sie sich in die weichen Kissen, blinzelte noch einmal schläfrig und sagte leise:
»Gute Nacht, Mami!«
»Gute Nacht, mein Liebling, schlaf recht gut!«
Zärtlich fuhr Brigitte über den braunen Lockenkopf, dann zog sie sich auf Zehenspitzen in das Nebenzimmer zurück, das ihr die freundlichen Wirtsleute als Wohnraum zur Verfügung gestellt hatten.
Es war ein bäuerlich einfaches Zimmer mit Blumen an den Fenstern, bunten Tellern an den Wänden und einem groben, handgewebten Teppich auf dem schneeweiß gescheuerten Fußboden.
Es war ein wirklich netter Aufenthaltsraum für kalte Tage, sofern sie sich nicht bei den Wirtsleuten aufhalten wollte.
Bevor sie sich mit einem Buch am Tisch niederließ, trat sie noch einmal an das geöffnete Fenster. In tiefen Atemzügen sog sie die würzige Herbstluft ein.
Dunkel und geheimnisvoll breitete sich die Bergwelt vor ihren Blicken, nur schattenhaft sah sie die Umrisse.
Einsam und verlassen lag die Dorfstraße da. Nur selten schlug der Laut eines Hundes an ihr Ohr.
Wenn sie den Kopf etwas zur Seite wandte, sah sie die hellen Lichter des Sporthotels.
Dort unten ging es wieder einmal lebhaft zu. Autos fuhren vor und glitten fast lautlos in das Dunkel zurück. Manchmal verirrten sich auch einzelne Töne der Musik zu Brigitte. Dann packte sie eine leichte Sehnsucht nach der Sonnenseite des Lebens, und sie seufzte.
Einmal wollte auch sie wieder fröhlich sein, sich ihrer Jugend bewußt werden und nach den Klängen schöner Musik tanzen.
Sollte das nun wirklich alles vorbei sein?
Sie ließ sich auf den Stuhl neben dem Fenster sinken, barg das Gesicht in den Händen und weinte bitterlich über das verfehlte Leben.
*
»Da sind Sie ja, Sie Ausreißer!«
Aus der Gruppe der lärmend zurückgekommenen Ausflügler löste sich die schlanke dunkelhaarige Leonore Grunert und schüttelte Rudolf Strantz die Hand. Dabei glitten ihre Augen neugierig über Fred Markhoffs Gestalt. Hm, ein neues Gesicht, und eine gute Erscheinung.
»Möchten Sie mich nicht bekannt machen?«
Es sah aus, als zögerte Strantz, doch dann lächelte er verbindlich.
»Gern! Ein Geschäftsfreund – Herr Markhoff!« Und zu Markhoff gewandt, der wohlgefällig in das schöne, glühende Gesicht der Frau starrte: »Die schönste Frau, die augenblicklich das Hotel in Unruhe bringt: Frau Leonore Grunert!«
»Sie Schmeichler!« Leonore lachte leise auf.
»Mit Einschränkung?« warf Fred Markhoff ein. »Es gibt also außerhalb des Hotels für Sie eine noch schönere Frau?«
Eine heftige Erwiderung lag auf Strantz’ Lippen. Er unterdrückte sie noch rechtzeitig. Es war besser, man ließ die kleinen Entgleisungen Markhoffs unbeachtet.
»Frau Grunert versteht mich genau. Wir haben uns gelobt, uns immer die Wahrheit zu sagen…«
»… wenn sie auch manchmal schmerzt«, flüsterte Leonore, nur Strantz verstand. An seiner Seite ging sie der Freitreppe zu.
Bestürzt sah Strantz sie an, aber sie wich seinem Blick aus.
»Sie sagen das so – so merkwürdig, Leonore. Als wäre es Ihnen unangenehm.«
»Unangenehm?« Lässig spielte sie mit ihren Lederhandschuhen, durchschnitt damit die Luft. »O nein! Ich habe mir tatsächlich gewünscht, von Ihnen immer die Wahrheit zu hören. Wie wäre es aber damit, daß ich Ihnen als Schönste erschiene?«
Jetzt hatte er sie verstanden. Er war ehrlich erschrocken. Sie machte sich Hoffnungen, die er niemals erfüllen konnte.
»Leonore!« Helle Bestürzung spiegelte sich in seinen Zügen. »Das habe ich weder geahnt – noch gewollt!«
»Ach, reden wir nicht mehr davon!« Sie wandte ihm schnell den Kopf zu, sah ihm voll in die Augen und lachte dann unnatürlich hart. »Es war natürlich Unsinn von mir, ich habe es wirklich nicht so gemeint.«
Sie reichte ihm die Hand, die er nur zögernd ergriff. In ihren dunklen Augen standen Tränen. Rasch bückte er sich und drückte einen Kuß auf ihre Hand.
Hastig riß sie sich los, eilte davon und murmelte noch etwas wie: »Beim Abendessen!«
Nachdenklich sah er ihr nach. Da tauchte Markhoff neben ihm auf.
»Ein schönes, rassiges Weib«, hörte er ihn bewundernd sagen. »Sie haben verteufeltes Glück bei Frauen, Strantz.«
Der leichtsinnige Ton Markhoffs tat dem Mann in diesem Augenblick geradezu weh.
»Ja«, sagte er kurz, »eine sehr schöne Frau – aber nichts für ein Spiel.«
Das klang wie eine versteckte Warnung, und Markhoff brannte sich verlegen eine Zigarette an.
Schon in Markhoffs Äußerung fürchtete Strantz eine Gefahr für Leonore. Sie wäre ihm wirklich zu schade für diesen Mann.
Beim Abendessen saß Leonore Grunert zwischen ihm und Markhoff. Vergeblich suchte er in ihren dunklen Augen nach Schmerz und Trauer. Hatte sie sich vielleicht nur einen Augenblick gehenlassen, oder hatte er sich getäuscht, als er meinte, Tränen in ihren Augen gesehen zu haben?
Sie scherzte und lachte auffällig viel mit Markhoff, während sie ihn, Strantz, nur hin und wieder in ein Gespräch verwickelte.
Es störte ihn nicht. Er kannte keine Eifersucht. Er sah in Markhoff lediglich den Mann, der bedenkenlos nahm, was sich ihm bot, und in Leonore die Frau, die zu schade war für solch ein gewissenloses Spiel.
Später wurde getanzt. Sonst hatte Leonore Grunert plaudernd mit Strantz zusammengesessen, heute