Karin Bucha Staffel 3 – Liebesroman. Karin Bucha
ein herrliches Ferienglück, ein Rausch, dem die Erfüllung fehlt.«
Ihre Augen weiten sich vor Schreck.
»Du schickst mich fort?«
»Ja, Christine, dazu bin ich fest entschlossen. Zwischen uns ist alles aus, nachdem ich weiß, wer du in Wirklichkeit bist. Einmal bin ich bald an einer Liebe zerbrochen. Ein zweites Mal wäre es weitaus schlimmer.«
»Du schickst mich wirklich – fort?« Ihre Lippen zucken. Ihre Augen lassen das blasse, markante Männergesicht nicht aus.
»Ich spreche von einer Trennung, die endgültig ist. Du darfst gern noch die wenigen Tage mit deiner Nichte hier verbringen –«
»Nein!« Stolz wird zu einer Flamme in ihr. »Niemals!«
»Dann haben wir uns nichts mehr zu sagen, Christine.« Er nimmt ihre Hand auf. Sie fühlt sich eiskalt an, haucht einen Kuß über den Handrücken und sieht sie schmerzlich betroffen an.
»Lebe wohl, Christine. Werde so glücklich, wie du es verdienst. Du wirst kaum noch Gelegenheit haben, mich wiederzusehen.«
Chris ist wie gelähmt. Draußen versinkt der ganze blühende Sonnenschein vor den Fenstern, und der harte, sich entfernende Schritt scheint direkt über ihr schmerzhaft zuckendes Herz zu laufen.
Mußte so ihre große, sie ganz und gar erfüllende Liebe enden?
*
»Tante Christine! Tante Christine!« Atemlos kommt Elfi auf Chris zugestürzt. »Onkel Georg ist soeben fortgeritten. Warum hat er uns nicht mitgenommen?« Die Augen des Kindes blitzen vor Erregung. »Können wir nicht hinterherreiten? Ich lasse schnell mein Pony satteln.«
Und schon will sie davonrennen. Aber Chris hält sie eben noch zurück.
Sie zwingt ihre Stimme zur Festigkeit, was ihr jedoch nicht ganz gelingt. »Das geht nicht, Kind. Wir bekommen gleich Besuch und müssen sofort unsere Koffer packen. Der Onkel Ferdinand will uns mitnehmen.«
»Mitnehmen?« Wie ein Sturzbach kommen die Tränen hervorgeschossen und überschwemmen das gesunde, gebräunte Kindergesicht. »Wir bleiben doch hier. Du selbst hast es gesagt, Tante Christine und Onkel Georg auch.«
In den weit geöffneten Kinderaugen stehen nicht nur Tränen sondern auch Ungläubigkeit.
»Hör mal gut zu, Elfi«, sagt.sie zu dem Kind. »Geh zu Tante Irene und bitte sie, sie möchte ganz schnell in mein Zimmer kommen. Du darfst inzwischen noch spielen.«
Mühsam steht Christine auf. Alles scheint sich verändert zu haben. Alles, was sie bisher begeistert hat, ist ins Wesenlose gesunken. Es gilt nur noch Abschied zu nehmen. Sie schließt die Augen, hält sich sekundenlang am Tisch fest und geht dann wie aufgezogen die Treppe hinauf in ihr Zimmer.
»Was ist denn geschehen?« überfällt die Hausdame die junge Braut und setzt sich neben sie. »Elfi führt so komische Reden.«
Christine will sprechen, will ihr Herz ausschütten, aber ihr ist die Kehle wie zugeschnürt, die Tränen lassen sich nicht länger zurückhalten. Sie legt ihren Kopf an die Schulter Frau Irenes und schluchzt wild und hemmungslos.
»Na, na«, beschwichtigt diese leise und versucht, das tränennasse Gesicht Christines zu trocknen.
Es muß etwas ganz Furchtbares geschehen sein, wann hätte sie ein Menschenkind einmal so aus verzweifeltem Herzen heraus weinen sehen!
Geduldig wartet sie, und als der Tränenstrom versiegt ist, überkommt Christine eine unnatürliche Starre. Sie drängt Frau Irene zur Seite und erhebt sich.
»Ich muß packen, Frau Irene«, sagt sie. »In zwei Stunden muß ich das Haus verlassen haben.«
Wie angewurzelt bleibt Irene sitzen. Sie beobachtet die hohe schlanke Frauengestalt, wie sie ziellos umherwandert.
»Bitte, Frau Irene«, sie versucht ein kleines Lächeln auf die Lippen zu zwingen, »würden Sie so freundlich sein und mich für eine Stunde allein lassen?«
Sofort erhebt Frau Irene sich. »Aber natürlich, Christine. Ich gehe.«
Christine wartet, bis sich die Tür hinter der schwarzgekleideten Gestalt geschlossen hat. Sie geht zum Toilettentisch, blickt in den Spiegel. Sie erkennt sich selbst nicht wieder.
»Ach«, sagt sie mit erstickter Stimme, dann reißt sie die Schränke auf und klingelt nach dem Mädchen. »Bitte, meine Koffer.«
Sie sind schnell zur Stelle. Sie beginnt zu packen. Jedes Stück legt sie mit aller Behutsamkeit hinein.
Der Koffer ist voll von Kleidung, aber noch mehr gefüllt mit wertvollen Erinnerungen. Süße Erinnerungen, die sie nie im Leben vergessen wird.
Ich habe ihn enttäuscht, immerzu denkt sie es. Die Gedanken laufen im Kreise herum. Sie fährt sich mit dem Handrücken über die Stirn. Ich kann nicht mehr denken. Immer dasselbe, immer dasselbe! Ich werde verrückt.
Sie schaut auf die Uhr. Wie schnell die Zeit vorwärtsläuft. Da erscheint die Hausdame, hinter ihr das Mädchen mit dem Koffer.
Frau Irene scheucht das Mädchen aus dem Zimmer. Die letzte Stunde möchte sie mit der Braut allein sein. Braut? Ja, ist Christine überhaupt noch Hagens Braut?
»Ich hole das Kind und ziehe es um, Christine«, sagt sie mit tränenschwerer Stimme und eilt hastig davon. Aus unsagbar traurigen Augen sieht Christine hinter ihr her. Mit wenigen Schritten geht sie hinüber zum Fenster. Sie nimmt Abschied von dem prachtvollen Besitz, auf dem jedes Fleckchen sie begeistert hat.
»Das Kind ist bereits im Wagen«, meldet die Hausdame leise. Christine blickt sich um. Nichts hat sie hiergelassen. Nichts, was man sehen kann. Nur ihr Herz. Aber das weiß ja keiner.
Sie richtet sich auf. »Gehen wir, Frau Irene.« An der Tür wirft sie sich der Hausdame in die Arme. »Geben Sie acht auf ihn, Frau Irene, ich bitte
Sie.«
Diese nickt nur und drückt Christine an sich. Leise flüstert sie ihr ins Ohr: »Nicht weinen, Christine, daß es vorbei ist, sondern freuen, daß es war.«
Da hetzt Christine davon, blind die Augen von Tränen, und als sie auf der Freitreppe erscheint, fährt eben auch Ferdinand Ronald vor. Sein Gesicht sieht entspannt und erfreut aus. Er springt heraus, geht hin zu Elfi und macht sich mit ihr bekannt.
Aus den braunen Augen sprüht ihm Feindseligkeit entgegen.
»Bist du der Onkel, der uns hier wegholt?«
»Möchtest du nicht mit mir fahren?« erkundigt er sich.
Sie schüttelt so heftig den Kopf, daß die braunen Locken um den Kopf wirbeln.
»Dich mag ich überhaupt nicht leiden. Hier ist es viel schöner, und Tante Christines Wagen ist genauso schön wie deiner.«
Erregt nimmt Christine die Hand der kleinen Nichte und schiebt sie ihrem Wagen zu. Die Augen starr auf die Fahrbahn geheftet, braust sie los, sie schlägt ein solches Tempo an, daß Ronald sie überholt und sich dann vor ihren Wagen setzt.
Er ahnt, in welcher Verzweiflung Chris Velden sich befindet. Jetzt darf sie keine Dummheit begehen.
Es wird für Chris eine Fahrt, die sie wohl nie in ihrem Leben vergißt.
Chris Velden hat ihre Nichte bei sich behalten, für sie eine Erzieherin engagiert, ein kluges, liebenswürdiges Mäd-chen, dem sie gleichzeitig in ihrem Haus eine Heimat geboten hat.
Fünf Jahre alt ist Elfi. Chris kann gar nicht begreifen, warum sie nicht früher auf den Gedanken gekommen ist, das Kind zu sich zu nehmen.
Wenn sie müde und abgespannt aus dem Atelier kommt, dann findet sie es gemütlich vor. Wera Hansen hat alle guten Eigenschaften zu einem Hausmütterchen. Chris spürt die neue Atmosphäre. Sie findet in Wera auch einen Menschen, mit dem es sich gut unterhalten läßt.
Chris hat dadurch nicht mehr das Gefühl völliger Einsamkeit, obgleich täglich