Karin Bucha Staffel 3 – Liebesroman. Karin Bucha
So sag doch ein Wort!« Er zieht ein Taschentuch und wischt ihr die Tränen vom Gesicht.
»Na – tür – lich«, schluchzt sie, »Aber ich kann doch nicht wissen, daß du es ernst mit mir meinst. Wenn das meine Mutti wüßte.«
»– würde sie uns ihren Segen geben«, vollendet er seelenruhig und küßt sie. Sie hat weiche Lippen, die sich langsam unter den seinen öffnen.
»Nach Beendigung der Arbeit nehme ich dich zunächst mit nach Eng-
land –«
»Und Mutti –?« Ihre Augen werden vor Schreck riesengroß.
»Die nehmen wir natürlich mit«, beruhigt er sie und küßt sie auf die Augen.
»Aber wir haben eine so entzückend eingerichtete Wohnung. Mutti wird sie nie aufgeben.«
»Soll sie ja auch nicht, Liebes. Wie ich dir schon sagte, Liebling, teilen wir uns. Einmal leben wir in England und dann in Deutschland.«
Ina wird unter seinen zärtlichen Küssen ruhig, und zuletzt denkt sie nur an ihre Liebe zu James.
*
Die Verlobung Maltons mit Ina wird ein rauschendes Fest. Alle Mitarbeiter, die irgendwie an dem Film »Verwehte Herzen« beteiligt waren, lädt er ein. Sie bekommen einen reservierten Raum im Hotel und können ganz unter sich auf ihre Weise feiern. Malton ist sehr großzügig.
Ein kleiner Kreis seiner nächsten Freunde in Deutschland hat in einem Nebenraum vom Speisesaal diniert. Um alles hat Malton sich gekümmert. Er ist der glücklichste und strahlendste Bräutigam. Sein Frohsinn reißt die anderen mit fort, und er ist glücklich, wenn er Ina immer wieder zum Lachen bringt.
Auch Georg und Chris sind unter den Geladenen. Ihr Glück ist stiller, aber nicht weniger tief.
Links neben ihm sitzt Herma Binding. Sie kann es immer noch nicht fassen, daß Ina, ihre einzige geliebte Ina, einen Engländer heiraten will. Soweit sie sich zurückerinnern kann, ist niemals ein Ausländer in der Familie gewesen.
»Wie kommt es, daß du so großartig deutsch sprichst?« fragt sie ihn, während das Dessert umgereicht wird.
»Ja, liebe Mama, nun muß ich wohl Farbe bekennen. Ich hatte eine deutsche Mutter und einen englischen Vater. Auf dem Hamburger Bahnhof lernten sie sich kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick.«
Er wirft der aufhorchenden Ina einen liebevollen Blick zu. »Ungefähr so wie zwischen mir und Ina, stimmt es, Liebling?«
Sie nickt, und er fährt fort:
»Ich habe mir nicht nur ein Vermögen zusammengespielt, wovon ich sorglos leben könnte. Ich habe auch den Familiensitz der Maltons in England geerbt.« Er wendet sich direkt an Herma Binding. »Dort paßt du gerade hin. Meine Mutter war auch eine zierliche Frau, genau wie du, und sie hat alles mit ihren Händen in Ordnung gehal-
ten.«
»Du meine Güte, wie soll das denn in Zukunft werden«, jammert Frau Herma.
»Sehr einfach, Mama. Du wirst dich um den Haushalt kümmern und um die Angestellten. Als mein Vater mit meiner Mutter ankam, da sah es zuerst aus, als würden sie über sie lachen. Aber sie hat es meisterhaft verstanden, sich Respekt zu verschaffen. Sie haben sie so sehr geliebt und verehrt, daß sie ihr die Wünsche fast von den Augen ablasen. So wird es mit dir und Ina werden.« Er legt den Arm um Frau Hermas Schultern. »Immer noch Angst vor England?«
»Nicht mehr so schlimm, aber etwas doch«, gibt sie ehrlich zu.
»Und du, Liebes?« erkundigt er sich zärtlich bei Ina.
»Es heißt doch schon in der Bibel: ›Wo du hingehst…‹«
»Brav gelernt«, lobt er sie, und zu Frau Herma gewandt sagt er: »Um deine Tochter brauchst du dich überhaupt nicht zu sorgen. Was meinst du, wie sie sich durchsetzen kann. Sie ist ein energisches kleines Biest. Ich werde Mühe haben, mich neben ihr zu behaupten.«
Ina lacht, nimmt seine Hand und beißt blitzschnell in den Handrücken.
»Siehst du«, sagt er zu seiner Schwiegermutter. »Das ist deine Tochter. Meine Leiden beginnen jetzt schon.«
»Ina«, verweist Frau Herma ihre Tochter. »Wie kannst du nur!«
Ina blitzt den Verlobten schalkhaft an. »Warum ist er auch so lang! Lieber hätte ich ihn in die Nase gebissen!«
»Ina!« Frau Herma ist entsetzt, aber James lacht herzhaft auf.
»Laß sie nur so, wie sie ist, Mama. Letzten Endes werde ich doch mit ihr fertig und vor allem –«
»– glücklich«, vollendet Ina bescheiden, worüber Frau Herma wieder lachen muß.
Sie werden sich großartig ergänzen, die beiden. Der Beruf hat sie zusammengeführt. Er wird ihr die ernste Seite des Lebens zeigen, und auf dem Landsitz – sie glaubt es schon vor sich zu sehen, das große Gut mit dem Herrenhaus –, da können sie sich wie die Kinder aufführen.
Hagen hält Chris’ Hand in der seinen. Sie sind sehr still. Sie spüren eines die Nähe des anderen, und das Bewußtsein, daß sie durch nichts mehr getrennt werden können, macht sie glücklich und stumm.
Heimlich führt er die wunderschöne Hand Chris’ an seine Lippen. Jetzt kann er es kaum begreifen, daß er sich eine Frau wie Chris errungen hat.
Der Schatten aus der ersten Ehe ist zerronnen. Es gibt für sie beide nur eine Zukunft voller Glück und Zweisamkeit. Und Elfi, das liebreizende Kind, bekommt endlich ein richtiges Elternhaus.
So fröhlich wie das Fest begann, so fröhlich klingt es aus. Hagen bringt Chris in ihr Haus und fährt dann ins Hotel zurück.
Am nächsten Morgen telefoniert er mit Fritz Brenner.
Er setzt ihm seine Wünsche auseinander. Christines Heim soll er verkaufen. Chris hat Brenner bereits alle Vollmachten gegeben.
»Wir wollen so schnell wie möglich heiraten, Fritz. Du bist doch Trauzeuge?«
Brenners tiefes Lachen dröhnt durch den Draht.
»Und ob, Georg! Ich habe mir extra für diese Gelegenheit einen neuen schwarzen Anzug nähen lassen. Der alte ist doch ein wenig zu eng geworden.«
»Na, großartig. Du erfährst alles Weitere von mir. Wiedersehen!«
*
Nach einem Vierteljahr.
Chris hat ihren Namen Velding gegen den Namen Hagen eingetauscht. Sie ist glücklicher geworden, als sie es sich je hat träumen lassen.
Heute ist sie – was übrigens selten vorkommt – ganz allein mit ihrem Wagen unterwegs. Sie hat bereits die Stadt erreicht und durchfährt die Straßen. Immer ärmlicher, immer verkommener werden die Häuser.
Chris schüttelt es, wenn sie an den prachtvollen Herrensitz Hagenhof denkt.
Endlich parkt sie ihren beigen, auffallend eleganten Wagen am Straßenrand. Sofort ist er von einer Horde schmutziger, magerer Kinder umringt.
Sie steigt unentwegt Treppen. Immer höher. Sie darf keinen Blick in die Tiefe werfen, sofort wird ihr schwindlig.
Endlich steht sie vor einer dunklen Tür. »Maria Steffen«, liest sie von einer Visitenkarte ab, die mit Heftzwecken an das Holz geklemmt ist.
Sie klopft, einmal, zweimal, dann öffnet sie. Die Tür gibt nach und sie steht in einem armseligen Zimmer – und vor Maria!
Maria weicht tief erschrocken zu-rück, und Chris verbirgt ihr Entsetzen hinter einer leicht lächelnden Miene.
»Wollen Sie mir nicht einen Stuhl anbieten«, bricht Chris das lastende Schweigen. »Das Treppensteigen bin ich nicht gewohnt.«
Wortlos schiebt Maria der eleganten Frau den einzigen Stuhl mit verschlissenem Bezug zu. »Bitte!«
»Und Sie, Schwester Maria?«