Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman. Kathrin Singer

Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman - Kathrin Singer


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an Frau Matuschek.«

      »Und Sie grüßen den Herrn Baron. Gott segnet die Tüchtigen, nicht wahr?«

      »Ja, Herr Pfarrer.«

      »Der Chor war heute wieder …, also ganz hervorragend, Baronin! Da geht meinen Schäfchen doch das Herz auf. Wie Sie das immer schaffen!«

      »Wie?«, fuhr sie aus ihren Gedanken hoch. »Ach ja, es geht schon. Gott befohlen, Herr Pfarrer.«

      Sie verließ die Sakristei langsam und durchschritt die Kirche wie im Traum. Was hatte Stefan vom Stammtisch abgehalten? Hatte er sich gestern Abend über ihre schlechte Laune geärgert und sich für eine angenehmere Ablenkung als den Stammtisch entschieden? War er deshalb so spät heimgekommen, sodass sie ihn nicht mal gehört hatte?

      Sie holte die Kinder aus dem Gemeindesaal ab, und als die unbekümmert vor ihr her zum Auto hüpften, brach plötzlich die Sonne durch die Wolken. Marie hob den Kopf zu dem Stück blauen Himmel und atmete tief durch. Sie würde Stefan einfach fragen. Noch nie hatte ein Geheimnis zwischen ihnen gestanden.

      »Mami …, was ist denn?«, rief Reserl ungeduldig.

      Marie zuckte zusammen. Oder war es möglich, dass sich still und leise falsche Töne in ihre Ehe ­schlichen? »Nichts ist, meine Reserl.«

      Auf der Fahrt zum Weißenberg-Hof erzählte Jossi auf ihre putzige Art die Legende vom Heiligen Sebastian.

      »Pfeile, Mami! Sie haben ihn mit Pfeilen gepiekst.«

      »Durchbohrt, Jossi, durchbohrt!«, verbesserte Reserl prompt.

      »Also, davon will ich heute nichts hören!«, entschied Marie energisch. Nein, alles, was Schmerzen verursachte, ertrug sie heute nicht. Die Sonne schien doch endlich! Was Anette wohl dazu sagte, wenn sie sich über Schwester Isoldes Schauergeschichten beklagte. Aber Anette war nicht da! Maries Lippen wurden schmal.

      Wie immer sonntags wurde im großen Essraum gegessen. Wilma hatte ein weißen Tischtuch aufgelegt und trug ihr Sonntagskleid. Es war dunkelblau und von weißen Sternchen übersät. Die Sternchen waren so weiß wie ihr Haar, und ihr großmütterliches Gesicht strahlte wie die Frühlingssonne, als sie den Gemüseauflauf und knusprige Hammelkoteletts dazu servierte.

      Bevor Stefan kam, stellte Marie die Honiggläser gut sichtbar neben sein Gedeck. Das würde ihn zu einer Frage veranlassen, und dann klärte sich bestimmt sein Fehlen beim Stammtisch als Missverständnis auf.

      »Baronin Marie!«, sagte Wilma streng und nahm die Gläschen wieder vom Tisch. »Das ist nicht gut für die Kinder. Honigschlecken beim Gemüseauflauf! Wir wollen doch unsere kleinen Schätzchen nicht unnötig verwöhnen.«

      Marie wagte der Siebzigjährigen nie zu widersprechen. Dazu hatte sie sie viel zu gern. Also presste sie die Lippen wieder aufeinander.

      »Mahlzeit!«

      Das war Stefan, der mit den Kindern eintrat. Alle drei zeigten ihre frisch gewaschenen Hände und sahen Marie dabei recht verschmitzt an.

      »Was ist denn?«, fragte sie beiläufig und setzte sich an den Tisch. Und da kam wie von Zauberhand von hinten etwas Wunderschönes zum Vorschein.

      In einem winzigen Körbchen wuchs ein Bündel Märzenbecher auf grünem Moos. Und um das Körbchen war ein rosarotes Schleifchen gebunden. Behutsam stellte Stefan es vor ihr Gedeck.

      »Ist das nicht süß, Mami?«, fragte Reserl. »Hat Papi gefunden und extra nach Moos gesucht und für dich gemacht. Hat er doch super hingekriegt, wie?«

      Marie sah sich um und direkt in Stefans stolzes Gesicht. Und dabei verschwanden seine Umrisse hinter einem Tränenschleier. Wie hatten sich nur so dumme Ahnungen über seinen gestrigen Abend in ihr Herz bohren können? Sie schluckte. »Für mich?«

      Er umarmte sie und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

      »Für die liebste Mami und die schönste Ehefrau auf der Welt – meine Marie.«

      Noch als er neben ihr saß und sich alle bei den Händen fassten, um sich guten Appetit zu wünschen, würgte Marie gegen ihre Tränen. Wie war sie nur darauf gekommen, ihm Heimlichkeiten zuzutrauen? Sie schaute ihm in die hellen Augen, versank in seinem lieben Blick und lächelte glücklich.

      »Es sind die ersten Märzenbecher«, erklärte er. »Ich entdeckte sie, als ich mit dem Ingenieur zum Wald spazierte. Und die sollte unsere Mami bekommen, damit ihre düstere Winterstimmung verfliegt.«

      »Schön sagen Sie das, Baron!« Wilma legte ihm gleich zwei Koteletts auf den Teller.

      »Ich kann auch was Schönes sagen«, machte sich Dany bemerkbar. »Weißt du, Papi, dass sie den Heiligen Sebastian mit Pfeilen gepiekst haben!«

      »Hm.« Stefan ergriff statt des Bestecks Maries Hand und drückte sie zärtlich. Er zwinkerte ihr zu. »Ja, das war wohl so. Und darum war der Heilige Sebastian auch sehr glücklich, als er danach gleich in den Himmel kam.«

      Aus den Gesichtern der Kinder wich die Furcht, und Marie schenkte ihrem Stefan ein bewunderndes Lächeln. Es gab auf der ganzen Welt keinen besseren Mann und Vater als ihn. Und dann war es auch gleichgültig, ob er zum Stammtisch fuhr oder den Abend irgendwo anders verbrachte.

      *

      Zwei Wochen lang verlief das Leben so harmonisch wie immer. Es kam noch mal dicker Schnee herunter, und Reserl, Jossi und Dany tobten auch ohne ihren viel beschäftigten Vater auf dem Hügel herum.

      Wilma stellte sich mal wieder stur und trotzte Marie die Genehmigung zum Beginn des Frühlings­putzes ab, und Stefan fuhr wöchentlich nach München, um die Lieferungsverträge für seine köstlichen Erdbeeren und die danach reifenden Sauerkirschen zu erneuern.

      Aber als Anette ihn eines Mittags bat, doch bitte bei ihr hereinzuschauen, nahm er sich natürlich eine Stunde Zeit. Er fand sie wieder ziemlich nervös, aber sie behauptete, sie sei nur kribbelig. Auf ihrem Arbeitstisch stapelten sich die Hefte mit den neuesten Schülertests. Aber das war nicht alles. Sie zog plötzlich einen Haufen Briefe darunter hervor. Das waren die Zuschriften, die auf ihre Heiratsannonce eingetroffen waren. An einige Blätter waren sogar Fotos geheftet.

      »Donnerwetter!«, staunte Stefan. »Da siehst du mal, was für eine begehrte Frau du bist!«

      »Aber nur vier gefallen mir …, leider.«

      »Du kannst ja auch Ansprüche stellen und wählerisch sein!«

      Ihr Blick verriet sofort Unsicherheit. Das machte sie so sympathisch, und als Stefan ihr aufmunternd zulächelte, legte sie ihm die vier Briefe vor. »Bitte, setz dich doch, Stefan.«

      »Tja, das muss ich wohl. Aber bestimmt geht es den Herren gegen den Strich, wenn sie erfahren, ausgerechnet von einem Familienvater wie mir überprüft zu werden.«

      »Ein Mann wie du darf alles, außer Marie etwas über meine Versuche verraten. Du hast ihr doch nichts verraten?«

      Stefan verneinte, legte seine Lederjacke ab und setzte sich, wobei er sich durchs kurze Strubbelhaar fuhr. »Das fällt mir sehr schwer. Ich tu’s nur für dich, Anette. Außerdem muss ich mir täglich Maries Beschwerden über dich anhören. Sie versteht nicht, warum du uns meidest. Sie vermisst dich doch!«

      »Erklär ihr, dass ich zu viel zu tun habe. Zeugnisse und so. Wenn ich mich für einen der Bewerber entschieden habe, führe ich ihn vor und gestehe ihr alles. Sie wird mich verstehen, Stefan.«

      Er wiegte seinen Kopf unschlüssig hin und her. Dann warf er einen Blick auf die Briefe.

      »Dieser hier sieht gut aus, Stefan. Schau mal.« Sie legte ihm das Foto eines sportlichen Typen vor. »Er ist leitender Ingenieur und wünscht sich Kinder. Außerdem ist er gern unterwegs.«

      »Unterwegs«, murmelte Stefan. »Aber er arbeitet in Kiel! Du willst doch nicht so weit weg von uns!«

      »Das habe ich nicht bedacht.«

      »Also gut. Der nächste bitte.«

      »Dieser ist Lehrer


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