Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt


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Uebel des Lebens an sich vorübergleiten läßt … Wir armen Frauen haben leider unsere unseligen Nerven, die uns jede Gemütserschütterung doppelt fühlbar machen … Hättest du mich heute morgen gesehen, in welch trostlosem Zustande ich war –«

      »So?«

      »Ich habe einen furchtbaren Aerger gehabt … Nun, diese Miß Mertens wird es dereinst verantworten müssen!«

      »Hat sie dich beleidigt?«

      »Welcher Ausdruck, lieber Rudolf! Wie könnte mich diese Person in ihrer Stellung beleidigen! … Erzürnt, auf das äußerste erbittert hat sie mich!«

      »Nun, ich sehe mit großer Befriedigung, daß du dich nicht so leicht unter das Sklavenjoch beugen wirst.«

      »Ich habe in der letzten Zeit unsäglich viel mit dieser albernen Person zu ertragen gehabt,« fuhr die Baronin fort, ohne den Einwurf ihres Kousins zu beachten. »Meine Mutterpflichten sind mir heilig und aus dem Grunde halte ich es für unumgänglich nötig, den Unterricht meines Kindes zu überwachen; denn es kann mir durchaus nicht gleichgültig sein, welche Richtung der jungen Seele gegeben wird … Leider mußte ich immer mehr finden, daß Miß Mertens’ Wissen sehr mangelhaft, und ihre Anschauungsweise durchaus nicht derart ist, daß ich eine gleiche für ein junges Mädchen in Bellas Verhältnissen wünschen möchte … Heute morgen hörte ich, wie diese einfältige Mertens dem Kinde sagt, der innere Adel stehe weit über dem Adel der Geburt – als ob das zu trennen sei – sie stelle den Bettler, der ein reines Herz habe, höher, als ein gekröntes Haupt, das sündige, und dergleichen mehr … Wenn ich dir nun sage, daß Bella dereinst – so es im Ratschlusse des Herrn liegt – am Hofe leben wird – ich habe eine Hofdamenstelle in B. so gut wie in der Tasche für sie – dann wirst du begreifen, daß ich die Lehren der allzu freien Gouvernante unterbrach … Das mußt du mir doch zugeben, lieber Rudolf, daß Bella mit solchen Ansichten bei Hofe eine klägliche Rolle spielen und sich sehr bald unmöglich machen müßte.«

      »Dagegen läßt sich nichts einwenden.«

      »Nun, Gott sei Dank!« rief die Baronin aufatmend. »Ich war wirklich ein wenig in Sorge, wie du die Entlassung der Miß Mertens, die du wirklich weit über ihr Verdienst geschätzt hast, aufnehmen würdest … Die Person wurde dermaßen impertinent, als ich ihren Vortrag unterbrach, daß mir nichts anderes übrig blieb, als sie fortzuschicken.«

      »Ich habe ganz und gar kein Recht, dir Vorschriften in bezug auf deine Leute zu machen,« entgegnete Herr von Walde kalt.

      »Aber ich suche mich darin so viel wie möglich deinen Wünschen unterzuordnen, bester Rudolf … Ich kann dir übrigens nicht sagen, wie froh ich bin, daß ich dies unausstehliche englische Gesicht nicht mehr zu sehen brauche.«

      »Es thut mir leid, aber ganz umgehen wirst du das doch nicht können, da sie mit dir hier in Lindhof stets unter einem Dache sein wird; denn Reinhard, mein Sekretär, hat sich vor einer halben Stunde mit ihr verlobt.«

      Die Arbeit entsank den Händen der Baronin. Diesmal erschienen nicht nur die bekannten Flecken in vergrößerter Gestalt, sondern auch die Stirn war in eine dunkle Röte getaucht.

      »Hat denn der Mensch seinen Verstand verloren?« rief sie endlich, aus ihrer Erstarrung erwachend.

      »Ich glaube nicht; denn er hat ihn ja eben bewiesen,« entgegnete Herr von Walde gelassen.

      »Nun, das muß ich sagen, er zeigt sich auch hier als Altertümler! … Welch eine jugendliche, blühend schöne Braut!« rief die Dame höhnisch und wollte sich totlachen. Hollfeld stimmte ein in das Gelächter und gab somit das erste Zeichen, daß er teilnehme an dem Gespräche. Helene warf ihm einen trüben Blick zu, Elisabeth aber schnitt dieses Lachen tief in die Seele, und sie fühlte etwas wie Zorn in sich aufwachen.

      »Nun, ich hoffe,« nahm die Baronin wieder das Wort, »du wirst mir nicht zumuten, lieber Kousin –«

      »Was denn?«

      »Daß ich mit dieser Person noch länger zusammen sein soll.«

      »Zwingen kann ich dich freilich nicht, Amalie, so wenig es in meiner Macht steht, meinem Sekretär das Heiraten zu verbieten.«

      »Aber entlassen kannst du ihn, wenn er eine Wahl trifft, die deinen nächsten Anverwandten den Aufenthalt in deinem Hause verleidet.«

      »Auch das kann ich nicht, denn er ist lebenslänglich bei mir angestellt, und ich habe soeben seiner zukünftigen Frau im Falle seines Todes eine Pension zugesichert … Uebrigens bist du doch ein klein wenig im Irrtum, beste Kousine, wenn du glaubst, es könne mich irgend etwas in der Welt bewegen, einen Menschen, den ich einmal als treu und zuverlässig erkannt habe, von mir zu lassen … Ich bin mit Reinhards Wahl vollkommen einverstanden und habe ihm die hübsche, große Erdgeschoßwohnung im nördlichen Flügel für alle Zeiten angewiesen … er wird auch seine Schwiegermutter zu sich nehmen.«

      »Nun, ich gratuliere ihm zu dieser vortrefflichen Acquisition,« entgegnete die Baronin, und ihre scharfe Stimme wankte im verhaltenen Zorne. »Nur eines erlaube ich mir zu bemerken, ich kann es nicht über mich gewinnen, die Person auch nur einen Tag länger um mich zu dulden, mag sie sehen wo sie bis zu ihrer Hochzeit unterkommt … Hoffentlich wirst du einsehen, lieber Rudolf, daß die interessanten Brautleute unter den obwaltenden Umständen nicht unter einem Dache bleiben dürfen.«

      »Wenn Sie mir erlauben wollen,« wendete sich hier Elisabeth an Helene, »so möchte ich meine Eltern bitten, die Braut aufzunehmen; wir haben Raum genug!«

      »Ach ja, thun Sie das; besser könnte die Frage nicht gelöst werden,« antwortete Fräulein von Walde und reichte Elisabeth die Hand. Die Baronin schoß einen wütenden Blick auf Elisabeth.

      »Nun, da wäre ja jetzt die Sache zur allseitigen Zufriedenheit geordnet,« sagte sie, mühsam ihre Fassung behauptend. »Ich bescheide mich und will in Demut abwarten, ob mir die zukünftige Frau Sekretärin ein Plätzchen übriglassen wird, wo ich vor ihrem widerwärtigen Anblicke sicher bin … Apropos, Fräulein Ferber,« fuhr sie nach einer Weile in leichtem Tone fort, »da fällt mir eben ein, daß Ihr Honorar für die Stunden bereits seit einigen Tagen in den Händen meiner Kammerfrau ist … klopfen Sie im Vorübergehen bei ihr an, sie wird Ihnen das Geld geben, samt Berechnung, die ich aber zu quittieren bitte.«

      »Aber Amalie!« rief Helene, sich erschrocken aufrichtend.

      »Ich werde Ihrem Befehle nachkommen, gnädige Frau,« entgegnete Elisabeth ruhig. Sie hatte bemerkt, wie bei den Worten der Baronin in Herrn von Waldes Auge ein zorniger Blick jäh aufgeflammt war; es hatte ausgesehen, als ob eine dunkle Wetterwolke über seine Stirn hinziehe; aber schon im nächsten Augenblicke waren diese Zeugen innerer Bewegung einem unbeschreiblich sarkastischen Ausdrucke gewichen.

      »Wenn ich Ihnen raten soll, Fräulein,« wandte er sich an das junge Mädchen, »so wagen Sie sich nicht ohne weiteres in die Appartements der Frau Baronin – es geht dort um – ja, lächeln Sie nur, ich weiß es ganz genau. Böse Geister zeigen sich am hellen Tage, und ihr Thun und Treiben hat schon manches Unheil gestiftet … Kümmern Sie sich nicht weiter um die berührte Sache, mein Hausverwalter soll sie in Ordnung bringen; er ist zuverlässig und behandelt dergleichen Angelegenheiten mit so viel Takt, daß er darin selbst Damen beschämen könnte.«

      Die Baronin rollte ihre Arbeit hastig zusammen und stand auf.

      »Es wird gut sein, wenn ich für den Rest des Tages mein einsames Zimmer aufsuche,« wendete sie sich mit zuckenden Lippen an Helene. »Es gibt Augenblicke, wo man mit den harmlosesten Absichten und Worten verstößt und sich zu seinem Schmerze mißverstanden sieht … Ich bitte also, mein Nichterscheinen beim Thee zu entschuldigen.«

      Sie machte eine zeremonielle Verbeugung vor den Geschwistern, ergriff den Arm ihres Sohnes, der sehr verlegen aussah, und rauschte zur Thür hinaus.

      Helene erhob sich mit Thränen in den Augen und wollte ihr nachgehen, aber ihr Bruder faßte mit sanftem Ernste ihre Hand und zog sie wieder neben sich auf das Sofa.

      »Willst du mir nicht wenigstens so lange Gesellschaft leisten, bis ich meinen Kaffee getrunken habe?«


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