Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman - Marie Francoise


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er. »Aber es war nötig. Irgend jemand mußte dafür sorgen, daß du dich mit deiner Vergangenheit auseinandersetzt.«

      Dr. Daniel senkte den Kopf. »Es war sehr schmerzhaft.«

      Dr. Sommer nickte. »Ich weiß. Auch ich mußte mich einmal auf diese Weise mit einem Problem auseinandersetzen.« Er zögerte. »Es ging um unsere Kinderlosigkeit, und ich versichere dir, daß dieses Gespräch damals auch sehr schmerzhaft für mich war. Und jetzt…« Wieder zögerte er einen Moment. »Ich habe es akzeptiert, aber der Gedanke an ein eigenes Kind, das Margit und mir versagt geblieben ist, stimmt mich immer wieder traurig.«

      Grenzenloses Mitleid überkam Dr. Daniel bei diesen Worten. Im selben Augenblick bemerkte er, daß er endlich aufhören konnte, mit dem Schicksal zu hadern. Sicher, Christine hatte ihn viel zu früh verlassen müssen, aber seine Kinder waren ihm geblieben… seine Kinder und die Erinnerung an eine harmonische, glückliche Ehe.

      *

      Dr. Daniel und Dr. Sommer saßen an diesem Abend noch lange zusammen, und gerade als sie sich entschlossen, nun endlich schlafen zu gehen, kam Margit Sommer nach Hause. Sie war erstaunt, Dr. Daniel hier anzutreffen, begrüßte ihn aber mit ehrlicher Freude. Man setzte sich nochmals im Wohnzimmer zusammen, doch als Dr. Daniel sah, mit welcher Vertrautheit Dr. Sommer und seine Frau miteinander umgingen, zog wieder eine leise Wehmut in sein Herz.

      Entschlossen stand er auf. »Ich werde euch jetzt nicht mehr länger zur Last fallen.«

      Dr. Sommer betrachtete ihn genau und spürte, was in ihm vorging.

      »Du willst doch wohl um diese Zeit nicht noch bis Steinhausen fahren«, erklärte er.

      »Das kommt ja überhaupt nicht in Frage«, stimmte Margit sofort zu. »Das Gästezimmer steht bereit, Robert. Schlaf dich richtig aus, und morgen früh bringe ich dich dann nach Steinhausen zurück.«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Das kann ich unmöglich annehmen. Wenn überhaupt, dann fahre ich mit dem Zug, aber ich könnte mir auch ein Taxi nehmen und gleich…«

      »Keine Chance, Robert«, fiel Dr. Sommer ihm energisch ins Wort. »Du bleibst hier.« Und ohne seinen Freund noch einmal zu Wort kommen zu lassen, begleitete er ihn ins Gästezimmer und legte ihm einen Schlafanzug heraus.

      »Er wird dir zwar überall ein bißchen zu weit sein, aber im Bett sieht dich ja keiner«, meinte er grinsend. »So, und bevor du die Schlafanzughose anziehst, bekommst du von mir noch eine Spritze.«

      Entsetzt starrte Dr. Daniel seinen Freund an. »Wie bitte?«

      »Du hast schon richtig gehört. Ich will, daß du eine ruhige Nacht hast, und ich sehe dir an, daß in deinem Kopf zuviel umgeht, was dir den Schlaf rauben könnte. Also, Herr Kollege, bitte keine Widerrede.«

      »Ach, Schorsch, muß das sein? Ich hasse Spritzen.«

      »Falsch, du hast Angst davor«, berichtigte ihn Dr. Sommer. »Aber das macht nichts. Den kleinen Pieks wirst du schon noch überleben.«

      Dr. Daniel seufzte ergeben. Er wußte, daß es keinen Sinn hatte, weiter zu widersprechen, und so fügte er sich. Er fühlte den feinen Stich und zuckte unwillkürlich zusammen. »Ist ja schon vorbei«, erklärte Dr. Sommer beruhigend, dann grinste er. »Du bist ein Angsthase, wenn es um Spritzen geht.«

      »Stimmt«, gab Dr. Daniel bereitwillig zu. »Normalerweise bin ich alles andere als ein Feigling, aber der Anblick einer Injektionsnadel treibt mir den Schweiß aus den Poren.«

      Er schlüpfte in den Schlafanzug und bemerkte dabei, daß er schon Schwierigkeiten hatte, seine Bewegungen richtig zu koordinieren.

      »Meine Güte, was war denn das für ein Zeug«, wollte er wissen.

      »Ein ganz leichtes Beruhigungsmittel«, antwortete Dr. Sommer. »Aber du bist solche Sachen nicht gewohnt. Und jetzt leg dich hin. Ich schätze, du wirst bald einschlafen.«

      Dr. Daniel fühlte, wie sich die Müdigkeit bleischwer in seine Glieder legte.

      »Ich muß pünktlich in der Praxis sein«, murmelte er noch, dann fielen ihm die Augen zu.

      »Keine Sorge, ich wecke dich schon rechtzeitig«, versprach Dr. Sommer, war aber nicht sicher, ob sein Freund es noch gehört hatte, dann verließ er leise den Raum und schloß die Tür hinter sich.

      Dank der Spritze, die er von Dr. Sommer bekommen hatte, verbrachte Dr. Daniel tatsächlich eine ruhige Nacht, und als sein Freund ihn am nächsten Morgen weckte, fühlte er sich frisch und ausgeruht.

      »Ich bringe dich persönlich nach Steinhausen zurück«, erklärte Dr. Sommer, als sie sich beim Frühstück gegenübersaßen. »Immerhin habe ich dich gestern ja mehr oder weniger genötigt hierherzukommen.« Er schmunzelte. »Und als Chefarzt kann ich es mir erlauben, ausnahmsweise einmal später als gewöhnlich in die Klinik zu kommen.«

      Eine halbe Stunde später machten sie sich auf den Weg und erreichten den kleinen Vorgebirgsort noch vor neun Uhr morgens.

      »Ich wußte gar nicht mehr, wie schön es hier draußen ist«, meinte Dr. Sommer, nachdem er ausgestiegen war und ganz tief die frische, würzige Luft eingeatmet hatte. »Meine Güte, welch ein Unterschied zu der stickigen Stadt.«

      »Ach komm, bei dir in Grünwald ist es doch herrlich«, entgegnete Dr. Daniel. »Außerdem bist du hier in Steinhausen jederzeit herzlich willkommen.«

      »Weiß ich, und ich werde diese Einladung demnächst auch annehmen«, erklärte Dr. Sommer, dann reichte er seinem Freund die Hand. »Mach’s gut, Robert, und – auch wenn es ein bißchen verspätet kommt – viel Glück für deinen neuen Anfang hier.«

      Dr. Daniel lächelte. »Danke, Schorsch – vor allem auch für das, was du gestern für mich getan hast. Mir ist, als wäre eine Zentnerlast von mir genommen worden.«

      Kameradschaftlich klopfte Dr. Sommer ihm auf die Schulter. »Das freut mich, Robert. Aber schließlich sind Freunde ja dazu da, einander zu helfen. Und wenn du mal wieder Probleme hast, dann findest du hoffentlich eher den Weg zu mir.«

      »Bestimmt, Schorsch«, versprach Dr. Daniel, dann sah er zu, wie sein Freund das Auto bestieg und die steile Auffahrt hinunterfuhr. Er winkte ihm noch einmal zu, bevor er sich umdrehte und die schneeweiße Villa mit einem langen Blick musterte. Ja, das Gespräch mit Dr. Sommer hatte ihm gutgetan. Plötzlich fiel es ihm gar nicht mehr so schwer, die Villa zu betreten.

      Immer zwei Stufen auf einmal nehmend lief er die Treppe hinauf und trat in die Wohnung.

      »Irene?« rief er fragend.

      Sie streckte den Kopf zur Küchentür heraus und lächelte. »Ach, da bist du ja wieder.«

      Erstaunt sah Dr. Daniel seine Schwester an. »Hast du dir denn keine Sorgen um mich gemacht?« Er wurde verlegen. »Ich weiß, ich hätte dir sagen sollen…«

      »Ich wußte ja, wo du bist«, fiel Irene ihm ins Wort. Da lächelte Dr. Daniel. »Schorsch. Er hat dich also angerufen.«

      Irene nickte. »Ja, gleich nachdem du mit dem Krankenwagen weggefahren warst. Ein netter Mann, dieser Dr. Sommer.«

      »Ja, und der beste Freund, den man sich wünschen kann.«

      *

      Dr. Bernd Kastner verstand sich selbst nicht mehr. Da hatte er nun bei Susanne Hartwig einen ganz normalen Kaiserschnitt gemacht – einen Eingriff, wie er ihn schon hundertmal durchgeführt hatte. Und doch… diesmal war es anders gewesen als sonst. Die junge Patientin ging ihm nämlich den ganzen Abend über nicht mehr aus dem Kopf. Dabei war Dr. Kastner alles andere als ein Casanova – ganz im Gegenteil. Es war das erste Mal, daß ihn eine Frau auf Anhieb so beeindruckt hatte, und er hätte nicht einmal einen Grund dafür angeben können.

      Seit er vom Dienst nach Hause gekommen war, saß er nun in seinem Wohnzimmer und starrte ins Leere, dabei sah er vor seinem geistigen Auge die feingemeißelten Gesichtszüge von Susanne Hartwig.

      Und plötzlich hielt es ihn nicht mehr in seiner Wohnung. Er trat


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