Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman - Marie Francoise


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weil seine Tochter so lange weggeblieben war.

      »Das ist eine ganz reizende Frau, Papa«, erzählte Karina, während sie an der Seite ihres Vaters die Villa betrat.

      »Ja, und sehr einsam ist sie«, fügte Dr. Daniel hinzu.

      Karina nickte. »Sie tut mir furchtbar leid. Es muß entsetzlich sein, so allein auf der Welt zu stehen.« Sie schwieg kurz. »Und man kann ihr im Grunde überhaupt nicht helfen. Ich habe es zwar geschafft, ihr den heutigen Tag ein wenig zu verschönen, aber das Leben wird für sie trotzdem einsam und trostlos weitergehen.«

      Liebevoll legte Dr. Daniel seiner Tochter einen Arm um die Schultern. »Es ist leider oft so, daß wir nur lindern, aber nicht heilen können. Diese Erfahrung ist schmerzlich, aber man muß sie immer wieder machen.«

      *

      Es war ein kühler Novemberabend, und Dr. Daniel hatte es sich mit seiner Schwester Irene im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Irene hatte für sie beide Tee aufgebrüht, dessen Zusammensetzung nur sie kannte. Seit sie hier in Bayern lebte und ihrem Bruder den Haushalt führte, hatte sie sich zu einer eifrigen Kräutersammlerin entwickelt, und der Tee, den sie selbst erfunden hatte, schmeckte so gut, daß sich Dr. Daniel jeden Tag darauf freute. Heute jedoch blickte er sehr trübsinnig vor sich hin, und auch ein richtiges Gespräch wollte zwischen ihm und Irene nicht aufkommen, obwohl sie sich sonst ausgezeichnet verstanden.

      »Robert, was ist denn in letzter Zeit nur mit dir los?« wollte Irene schließlich wissen. »Du wirkst ständig geistesabwesend. Das haben sogar Karina und Stefan bemerkt, obwohl sie ja nur am Wochenende nach Hause kommen.«

      Beim Gedanken an seine beiden Kinder huschte ein Lächeln über Dr. Daniels Gesicht, doch dann wurde er wieder ernst und seufzte.

      »Ach, Irene, es ist…, ich mache mir Sorgen um eine Patientin.«

      »Das heißt, daß du nicht darüber reden willst«, folgerte seine Schwester.

      »Ich darf nicht«, berichtigte Dr. Daniel. »Du weißt genau, daß ich als Arzt an die Schweigepflicht gebunden bin.«

      Dann versank er wieder in Gedanken. Seit drei Monaten versuchte er alles, um Ahilleas’ Aufenthaltsort ausfindig zu machen, doch ohne Ergebnis. Und noch mehr beunruhigte ihn die Tatsache, daß sich Leandra nicht mehr bei ihm gemeldet hatte. Vor zwei Tagen hatte er in der Thiersch-Klinik angerufen, in der Hoffnung, Leandra hätte dort doch endlich einer Behandlung zugestimmt, aber auch hier war sie nicht mehr aufgetaucht. Ein Anruf bei ihren Adoptiveltern war ebenfalls ergebnislos verlaufen. Die Krenns wußten nicht, wo sich Leandra genau aufhielt. Sie war mit ihrem Mann in den Süden gefahren und hatte lediglich versprochen, bis in einem halben Jahr zurückzukommen.

      Mit einem tiefen Seufzer stand Dr. Daniel auf. »Ich werde jetzt zu Bett gehen, Irene. Morgen habe ich einen anstrengenden Tag vor mir.«

      »Robert, Robert«, meinte Irene kopfschüttelnd. »Du arbeitest zuviel. Ich bin froh, wenn Stefan endlich sei nen Facharzt hat und dich ein bißchen entlasten kann.«

      Dr. Daniel winkte ab. »Bis dahin vergehen noch mindestens sieben Jahre.« Mehr wollte er zu diesem Thema nicht sagen. Die Diskussionen mit seinem Sohn reichten ihm schon seit langem voll und ganz.

      Doch auch als Dr. Daniel im Bett lag, ging ihm Leandra Schütz nicht aus dem Kopf. Ruhelos wälzte er sich hin und her und fragte sich, wie es ihr wohl gehen mochte. Irgendwann fiel er dann doch in einen unruhigen Schlaf, aus dem ihn erst das Klingeln des Weckers riß. Er fühlte sich wie gerädert, und die Aussicht auf einen stressigen Vormittag besserte seinen Zustand auch nicht gerade.

      Hastig duschte er und kleidete sich an, trank im Stehen noch eine Tasse Kaffee und brachte mit Mühe eine Scheibe Toast hinunter, bevor er in die Praxis eilte.

      »Guten Morgen, die Damen«, grüßte er seine beiden Mitarbeiterinnen, dann zog er sich sofort ins Sprechzimmer zurück.

      »Der sieht heute aber gar nicht gut aus«, stellte Gabi Meindl fest, dann grinste sie. »Ob er die Nacht durchzecht hat?«

      Die Sprechstundenhilfe bedachte sie mit einem mißbilligenden Blick. »Also bitte, Frau Meindl, ich glaube nicht, daß sich der Chef die Nächte um die Ohren schlägt.«

      »Meine Güte, es war ja nicht so gemeint, Frau Kaufmann«, entgegnete Gabi entschuldigend. »Ich wollte nur einen kleinen Scherz machen.«

      »Ein makabrer Scherz«, urteilte Lena Kaufmann, dann schlüpfte sie in ihren weißen Kittel und zog sich ins Labor zurück. Gabi schnitt ihr eine Grimasse hinterher, bevor sie sich wieder auf ihre Arbeit konzentrierte.

      In diesem Moment erschien die erste Patientin. Sie war der Empfangsdame bekannt, und daher wußte diese auch, daß die junge Frau für heute nicht angemeldet war.

      »Guten Morgen, Frau Burgner«, grüßte Gabi freundlich, doch die Frau war zu nervös, um diese Freundlichkeit zu erwidern.

      »Kann ich den Herrn Doktor sprechen?« platzte sie heraus. »Es wäre sehr dringend.«

      Gabi unterdrückte mit Mühe einen Seufzer. Der Terminkalender war wieder mal randvoll, aber sie konnte die Frau ja nicht gut wegschicken. Und so zwang sie sich zu einem Lächeln.

      »Natürlich, Frau Burgner. Nehmen Sie noch einen Moment im Wartezimmer Platz. Frau Kaufmann wird Sie dann holen.«

      Silvia Burgner bedankte sich mechanisch und eilte ins Wartezimmer. Es dauerte nicht lange, bis sie von Lena Kaufmann ins Sprechzimmer gebracht wurde. Mit einem freundlichen Lächeln kam Dr. Daniel ihr entgegen und reichte ihr die Hand.

      »Nun, Frau Burgner, was kann ich für Sie tun?« fragte er.

      »Herr Doktor, ich habe einen Knoten in der Brust«, platzte Silvia sofort heraus. »Ist das Krebs?«

      »Langsam, langsam, Frau Burgner«, versuchte Dr. Daniel sie zu beschwichtigen. »So schnell kann ich das nicht beurteilen. Da gehen wir gleich mal ins Untersuchungszimmer hinüber, dann schaue ich mir die Sache an.«

      Silvia stand so hastig auf, daß der Stuhl nach hinten kippte. Mit einer gestammelten Entschuldigung hob sie ihn wieder auf, dann folgte sie Dr. Daniel ins Untersuchungszimmer und schlüpfte ohne Aufforderung aus Bluse und Büstenhalter.

      »Die rechte ist es«, erklärte sie, doch Dr. Daniel tastete beide Brüste genau ab.

      »Sie haben recht, Frau Burgner«, erklärte er dann. »Der Knoten in der rechten Brust ist eindeutig zu ertasten.« Er griff nach den zitternden Händen der jungen Frau und hielt sie einen Augenblick lang fest. »Beruhigen Sie sich doch, Frau Burgner. Ein solcher Knoten bedeutet nicht zwangsläufig Krebs. Es kann sich auch um eine ganz harmlose Mastopathie handeln – eine Schwellung oder eine Zyste. Ich werde Sie in die Thiersch-Klinik in München überweisen. Dort wird man eine Mammographie machen und Sie gegebenenfalls gleich dortbehalten, wenn eine Operation nötig sein sollte.«

      Hastig schüttelte Silvia den Kopf. »Aber… das geht nicht, Herr Doktor. Ich kann nicht ins Krankenhaus.«

      Erstaunt sah Dr. Daniel sie an. »Und warum nicht?«

      »Ich habe zwei kleine Kinder… Und mein Mann…, es…, es geht einfach nicht!«

      Nachdenklich fuhr sich Dr. Daniel mit einer Hand durch das dichte blonde Haar. »Tja, Frau Burgner, ich fürchte, um eine genaue Untersuchung kommen Sie nicht herum. Und ich habe hier in der Praxis nicht die Möglichkeiten, diese Untersuchung durchzuführen. Durch Abtasten allein kann ich aber nicht feststellen, ob es sich um eine harmlose Schwellung oder einen bösartigen Tumor handelt. Verstehen Sie doch, Frau Burgner, Sie könnten durchaus in Lebensgefahr geraten, wenn Sie diese Untersuchung im Krankenhaus ablehnen.«

      Heftig schüttelte Silvia den Kopf. »Ich lehne sie ja nicht ab, Herr Doktor. Ich weiß nur nicht, wie ich es machen soll. Ich habe zwei kleine Kinder, und mein Mann kann sich im Augenblick einfach nicht freinehmen. Und sonst habe ich niemanden.«

      »Wo sind die Kinder denn jetzt?« wollte Dr. Daniel wissen.

      »Bei meiner Nachbarin«, antwortete Silvia, »aber die ist schon über


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