Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman - Marie Francoise


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viel zu nervös, und die Angst, daß dieser Arzt ihr sagen könnte, sie dürfe wegen ihrer Krankheit vielleicht gar kein Baby bekommen, schnürte ihr die Kehle zu.

      Christian griff stützend unter ihren Arm, während sie auf die Villa zugingen, dann drückte er auf den Klingelknopf neben dem Schildchen »Praxis«. Mit einem dezenten Summen sprang die schwere Eichentür auf, und das junge Ehepaar gelangte in ein sehr modern eingerichtetes Vorzimmer.

      Die Empfangsdame sah ihnen mit einem unverbindlichen Lächeln entgegen.

      »Krenn…, nein, Schütz ist mein Name«, erklärte Leandra, dann zwang sie sich zu einem Lächeln. »Ich habe vor kurzem erst geheiratet, wissen Sie.«

      Die Empfangsdame lächelte höflich, dann sah sie in ihren Terminkalender.

      »Ach ja, Sie haben gestern angerufen«, erinnerte sie sich. »Bitte, nehmen Sie noch einen Augenblick im Wartezimmer Platz.« Sie wies schräg nach hinten. »Gleich die erste Tür rechts. Die Sprechstundenhilfe wird Sie holen, sobald der Herr Doktor frei ist.«

      Leandra bedankte sich und betrat an Christians Seite das Wartezimmer. Sie hatten sich kaum gesetzt, als die Tür schon wieder geöffnet wurde und eine vollschlanke Frau um die Fünfzig hereinschaute. Dem weißen Kittel nach zu schließen, konnte das nur die Sprechstundenhilfe sein.

      »Frau Schütz, bitte.«

      Auch Christian erhob sich. »Ich darf doch mitkommen, oder?«

      Die Sprechstundenhilfe nickte lächelnd. »Natürlich, Herr Schütz.«

      Dann hielt sie die nächste Tür auf und ließ das junge Ehepaar eintreten. Im selben Augenblick erhob sich hinter dem Schreibtisch ein stattlicher Mann von Anfang Fünfzig und reichte erst Leandra, dann Christian die Hand. Ein Blick in seine gütigen blauen Augen ließ Leandras Nervosität schwinden. Insgeheim hatte sie nämlich befürchtet, dieser Dr. Daniel könnte ein ähnlich autoritärer Mensch sein wie Professor Thiersch.

      »Nun, Frau Schütz, was kann ich für Sie tun?« wollte Dr. Daniel wissen, nachdem er dem jungen Ehepaar Platz angeboten und sich dann ebenfalls gesetzt hatte.

      Leandra atmete tief durch. »Professor Thiersch aus München hat Sie mir empfohlen.«

      In Dr. Daniels Augen leuchtete es kurz auf. Er erinnerte sich gern an seine Assistenzzeit unter dem strengen Chefarzt, bei dem er so viel gelernt hatte.

      »Ich war in der Thiersch-Klinik in Behandlung«, fuhr Leandra dann fort. »Ich… leide an Leukämie und habe jegliche Therapie abgelehnt.«

      Dr. Daniel runzelte die Stirn. »Wie bitte? Aber warum denn, Frau Schütz?«

      Leandra wechselte einen raschen Blick mit ihrem Mann.

      »Den Worten des Professors und des Stationsarztes war zu entnehmen, daß ich auch mit Therapie keine großen Überlebenschancen haben würde. Sie griff in ihre Handtasche und holte den Entlassungsbericht der Klinik hervor. »Hier, Herr Doktor, da drin steht alles, was Sie wissen müssen.«

      Dr. Daniel nahm die Papiere entgegen und las den Inhalt gewissenhaft durch, dann sah er auf.

      »Sie wissen, was das bedeutet?« fragte er. »Ich meine…, wenn Sie sich tatsächlich keiner Therapie unterziehen, bleibt Ihnen nicht mehr allzuviel Zeit.«

      Leandra nickte tapfer. »Ich weiß, Herr Doktor, und ich habe auch einen Grund dafür. Ich möchte ein Baby haben.«

      Dr. Daniel war wie vor den Kopf geschlagen. So etwas hatte er während seiner gesamten Praxiszeit noch nicht erlebt.

      »Ich verstehe das nicht, Frau Schütz«, bekannte er offen. »Professor Thiersch hat Sie doch sicher auf die Heilungschancen bei einer Knochenmarktransplantation hingewiesen. Sie sind noch sehr jung und könnten danach ohne weiteres Kinder bekommen.«

      Leandra schluckte schwer. »Eine Knochenmarktransplantation ist bei mir nicht durchführbar, Herr Doktor. Ich wurde als Baby adoptiert und weiß nicht, wer meine leiblichen Eltern sind. Die einzige Hilfe, die Professor Thiersch mir hätte bieten können, wäre die Behandlung mit Zytostatika gewesen, und die habe ich abgelehnt. In meinen Augen wäre es nur ein Hinauszögernd des unvermeidlichen Todes.«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Das ist nicht wahr, Frau Schütz. Es bestehen auch bei der Behandlung mit Zytostatika durchaus Heilungschancen. Bitte, überlegen Sie sich das ganze noch einmal.«

      »Nein, Herr Doktor, mein Entschluß steht fest«, beharrte Leandra auf ihrem Standpunkt. »Ich werde nicht in die Klinik zurückkehren. Ich möchte ein Baby haben, bevor ich sterbe.«

      Dr. Daniel seufzte, dann senkte er den Kopf, um den flehenden Augen seiner Patientin auszuweichen. Sein Blick fiel auf den Klinikbericht. Leandra Krenn. Der ausgefallene Vor name ließ eine vage Erinnerung in Dr. Daniel anklingen, doch er hatte keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Die junge Frau erwartete von ihm eine Antwort.

      Dr. Daniel sah auf. »Ich will ehrlich sein, Frau Schütz. Die Chancen, daß Sie in Ihrem Zustand ein Baby bekommen, sind denkbar gering. Aus medizinischer Sicht könnten Sie ohne weiteres schwanger werden, aber aufgrund meiner langjährigen Erfahrung kann ich Ihnen sagen, daß jegliche Streßsituation den normalen Zyklus der Frau durcheinanderbringen kann. Das bedeutet, daß der Eisprung fast immer ausbleibt, wenn die Frau unter körperlicher oder psychischer Anspannung steht. Was das in Ihrem Fall bedeutet, sollte Ihnen somit klar sein. Eine solch schwere Erkrankung, bei der Sie den Tod vor Augen haben, führt Sie in eine ganz extreme Streßsituation, und die Möglichkeit, daß bei Ihnen der Eisprung ganz normal erfolgt, ist nicht zu erwarten.«

      Bei Dr. Daniels Worten war Lean­dra förmlich in sich zusammengesunken. Der Arzt bemerkte es und kam um seinen Schreibtisch herum, dann legte er eine Hand wie tröstend auf Leandras schmale Schulter.

      »Es tut mir leid, daß ich Ihnen das alles so schonungslos sagen mußte«, erklärte er, und das Bedauern in seiner Stimme war echt. »Aber Ihnen wäre nicht geholfen, wenn ich Ihnen etwas vormachen würde.« Er schwieg kurz, dann setzte er sehr eindringlich hinzu: »Ich bitte Sie, Frau Schütz, ­lassen Sie sich doch von Professor Thiersch helfen.«

      Leandra hob den Kopf und sah Dr. Daniel mit festem Blick an. »Ich bin zwar erst achtzehn, aber wenn ich einen Entschluß gefaßt habe, dann ist das endgültig. Sehen Sie, Herr Doktor, ich habe in den letzten Wochen eine Menge über Leukämie gelesen und auch über die Behandlungsmethoden. Nach wie vor bin ich der festen Überzeugung, daß die Therapie mit Zytostatika mein Leben höchstens unwesentlich verlängern könnte. Und ich bin nicht gewillt, für dieses Hinauszögern des Todes eine Menge Nebenwirkungen zu erdulden. Lieber sterbe ich.« Sie stand auf. »Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit in bezug auf meinen Kinderwunsch. Für einige Augenblicke haben Sie mich damit aus der Fassung gebracht, doch jetzt bin ich entschlossener denn je, einem Kind das Leben zu schenken. Mag sein, daß Sie mit allem, was Sie gesagt haben, recht behalten, aber ich wünsche mir dieses Baby so sehr. Und ich glaube fest daran, daß ich es bekommen werde. Kennen Sie das Sprichwort, daß der Glaube Berge versetzen kann? Nun, ich bin bereit, alle Berge dieser Welt zu versetzen – für dieses eine Kind.«

      Die Brust war Dr. Daniel bei diesen Worten eng geworden, und noch niemals hatte er für jemanden so viel Bewunderung gefühlt wie für dieses tapfere junge Mädchen.

      »Ich wünsche es Ihnen«, erklärte er, und seine Stimme klang dabei ein wenig heiser. »Ich wünsche es Ihnen von ganzem Herzen.« Er reichte Leandra die Hand. »Werden Sie wiederkommen?« Er zögerte einen Moment, ehe er gestand: »Ich würde den Kontakt zu Ihnen nur ungern verlieren.«

      Leandra nickte. »Ich werde wiederkommen, Herr Doktor – wenn ich schwanger bin.«

      *

      Die Erlebnisse des Vormittags beschäftigten Dr. Daniel sogar am Abend noch. Er saß im Wohnzimmer und starrte blicklos vor sich hin, und dabei fragte er sich immer wieder, wie ein so junger Mensch so viel Mut aufbringen konnte. Jeder andere in Leandras Situation hätte doch nach dem sprichtwörtlichen Strohhalm gegriffen und jede Behandlungsmethode über sich ergehen lassen, um sein Leben zu retten oder wenigstens ein wenig zu verlängern.

      Das


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