Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft
der Kuppelung hatte sich eine Schraube gelöst.«
»Alles funktioniert wieder?«
»Ich glaube.«
»Halbe Kraft rückwärts!«
Glatt ging das Schiff zurück, vor seinem Bug klatschte der aufgehäufte Berg ins Wasser zurück, die frischen Triebe konnten seine Last nicht tragen, sie rissen, wir waren frei.
Selten habe ich so erleichtert aufgeatmet wie damals! Wie ich dann später konstatierte, umwucherten die Schlingpflanzen überhaupt nichts, was sich unter Wasser befand, also auch nicht die Flügel der Schiffsschraube. Es ist eben eine Eigentümlichkeit des Seetangs, nur alles außerhalb des Wassers Befindliche umspinnen zu wollen.
Jedenfalls hatte ich eine Lektion erhalten, unnötigerweise nicht wieder solche Experimente anzustellen, es war wie ein Wink des Himmels gewesen, und nun wurde schleunigst das Messer eingefügt – Vollkraft voraus, und wir durchschnitten die grünen Stränge wie Spinnenfäden.
Aber die dunkle, beängstigende Frage blieb fortan dennoch in mir bestehen und wohl in jedem meiner Leute: Was dann, wenn die Maschine noch einmal versagt und der Fehler nicht gefunden werden kann, wenn etwas bricht?
Bisher war diese Frage gar nicht so nahe an uns herangetreten.
Nun, es schien alles gut gehen zu wollen. Am zweiten Tage traten tropische Regengüsse ein, die uns die Hitze nicht so fühlen ließen, auch schlugen sie die Dünste nieder, welche die Luft manchmal unatembar machten.
Mit dem aufgefangenen Regenwasser wurde jedes leere Faß und jedes andere Gefäß gefüllt, wie auch schon immer der kondensierte Abstoßdampf als Trinkwasser verwendet worden war.
Nach diesem Regenwetter kam Ostwind, der die Maschine ganz überflüssig machte.
Am vierten Tage, nur noch zweihundert Seemeilen von unserem Ziele entfernt, hatten wir einen wundersamen Anblick.
Vor uns erhob sich mitten aus der grünen Ebene ein Hügel von derselben Farbe, kegelförmig ansteigend, aber mit drei Spitzen.
»Das sieht gerade aus wie ein Schiff, wie ein Dreimaster, der von dem grünen Zeuge eingesponnen ist,« meinte der zweite Steuermann.
Das hatte auch ich mir schon gedacht und wohl jeder andere. Daß unter dem grünen Ueberzuge ein dreimastiges Schiff steckte, war zu deutlich erkennbar.
In dieser Fucusbank mochten ja schon zahllose Schiffe verschwunden sein, noch zahllose andere mochten ebenso umstrickt darin liegen, doch wir brauchten uns nicht zu wundern, noch keines gesehen zu haben. Es handelte sich eben um ein Gebiet von mindestens 200 000 geographischen Quadratmeilen, da ist es doch ein außergewöhnlicher Zufall, wenn man einmal solch eine grüne Schiffsmine zu Gesicht bekommt.
Dieses Schiff zu besichtigen, war bei mir natürlich sofort beschlossen. Wenn ich mit meinen Offizieren etwas noch besprach, so war es nur das, wie dieses Fahrzeug so weit in das undurchdringliche Gewirr hatte vordringen können.
War es vielleicht mit einer ähnlichen Schneidevorrichtung versehen gewesen? Doch es hatte gar keinen Zweck, sich darüber in Vermutungen zu ergehen.
Also den Kurs etwas geändert und darauf zugehalten!
Wir waren kaum noch hundert Meter davon entfernt, immer noch nichts weiter als einen grünen Hügel mit drei Kegelspitzen sehend, als ich plötzlich ein eigentümliches Geräusch vernahm, wie aus dem Innern meines Schiffes kommend, dann ruckte es auch manchmal …
Mit einem Satze stand ich am Sprachrohr und donnerte hinab, volle Kraft rückwärts zu geben.
Wir waren auf Grund geraten. Daß es ein ganz anderes Geräusch war, daß das Knirschen auf Sand oder Felsen fehlte, war begreiflich. Hier schusselte der Kiel eben über den am Grunde wachsenden Seetang hinweg. Aber das war deutlich zu bemerken gewesen, daß sich das Schiff auch schon etwas auf die Seite legte, und da war die höchste Eile geboten gewesen, aus dieser gefährlichen Nähe zu kommen.
Das Schiff gehorchte sofort, wir waren wieder frei.
Doch was nun? Deswegen gleich auf die interessante Besichtigung jenes Schiffes verzichten?
Als ich die Wassertiefe mit einer langen Stange maß, auch immer noch Grund findend, hatte ich eine Idee.
Sollte ich es nicht einmal mit einem Boote versuchen? An Gebrauch der Ruder war wohl nicht zu denken, aber sollte sich nicht ein Boot mit Stangen fortschieben lassen? Wenn ich ein solches betrachtete, es mit der Bauart eines Schiffes verglich, so kam ich zu der Ueberzeugung, daß ein Boot, mit der Stechstange getrieben, ganz leicht durch und über diese Schlingpflanzen schusseln müsse.
Gedacht, getan! Eine Jolle wurde ausgesetzt, ich ging mit drei Matrosen hinein, ich selbst bediente die Stechstange – und wirklich, ganz leicht schusselte das Boot über die sonst so verderblichen Schlingpflanzen hinweg.
Der Unterschied zwischen einem Boote und einem Schiffe ist wohl jedem begreiflich, da brauche ich nicht erst fachmännisch zu werden.
Die Hauptsache ist die, daß beim Schiffe der vordere Teil des unteren Kiels immer etwas hervorragt, dadurch wird der Seetang gewissermaßen wie mit einer Gabel gefaßt und an sich schon etwas in die Höhe gehoben, dann kommt noch hinzu, daß das durch Wind oder Maschinenkraft getriebene Schiff sich immer etwas hebt und senkt, so dem Seetang noch besser Gelegenheit gebend, sich vorn aufhäufen zu können.
Dies alles fällt bei einem Boote weg, welches ja auch ganz anders gebaut ist. Natürlich ist es ganz ausgeschlossen, nun in Booten die Fucusbank befahren zu wollen. Solche Untiefen, wo man die Stange benutzen kann, sind doch nur Ausnahmen, und die Riemen kann man eben unmöglich benutzen, die hängen sofort voll Schlingpflanzen, und beim Segeln taucht auch ein Boot immer tief mit der Schnauze ins Wasser, hebt sich wieder, hätte also ebenfalls bald alles voll Seetang hängen.
Anders wäre es schon, ein großes Schiff vorn ganz flach zu bauen, mit einer schiefen Fläche, da könnte man vielleicht über die Schlingpflanzen hinwegschusseln, das schräge Brett kann ja auch von Zeit zu Zeit entfernt und von dem Seetang befreit werden.
Doch lassen wir jetzt solche Erwägungen. Wir konnten nur das benutzen, was uns zu Gebote stand.
Also mein Boot befand sich in voller Fahrt.
»Richard, nimm doch auch mich mit!« rief da Blodwen mir nach.
Gut, ich kehrte noch einmal um. Es war nur erst ein Versuch gewesen.
Blodwen stieg ein. Bis sie saß, waren einige Minuten vergangen, und da bemerkten wir, daß die Schlingpflanzen unterdessen ihre Arbeit getan hatten.
Die frischen Triebe hatten sich emporgereckt, hatten sich besonders bereits um die Rudergabeln gewickelt, aber auch sonst um alles, was sie nur erreichen konnten. Selbst den einen Matrosen, der ruhig gesessen, hatten sie bereits festgenommen, nämlich hinten an seinem im Gürtel steckenden Scheidemesser.
Allerdings konnte das kein dauerhafter Halt sein. Mit Leichtigkeit konnten wir die zarten Triebe noch losreißen, sonst half das Messer nach, wir waren wieder frei.
Immerhin, wir hatten wiederum gesehen, was für ein Teufelszeug das war! Kaum drei Minuten hatten genügt, um das Boot und uns selbst zu umwickeln. Wahrhaftig, ein einziger Tag, eine einzige Nacht, die man regungslos auf dem Wasser liegend verbrachte, mußte genügen, um rettungslos eingewickelt zu werden – der grüne Tod hatte seine Arbeit getan.
Wir fuhren ab. Es ging vortrefflich. Das Boot mit seinem flachen Steven schusselte nur so über die Wiese dahin. Als ich aber einmal mit der Stange keinen Grund mehr fand, war es auch gleich vorbei. Ein einziger Schlag mit dem Riemen genügte, um ihn unbrauchbar zu machen, sofort war er haufenweise mit Seetang bedeckt, der sich auch gleich darauf festklammerte.
Doch war das nur eine kleine Stelle gewesen. Das Boot befand sich noch etwas in Fahrt, als meine Stange schon wieder Grund fand, und dann lagen wir längsseit des grünen Berges.
Auch nicht das geringste von einer Schiffswand war mehr zu sehen. Ich stieß mit der Stange hinein und fand erst ganz hinten einen festen Widerstand.
Ich