Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft
einem prachtvollen Pantherfell, das ihm frei von den Schultern auf den Rücken herabfiel.
Wenn ich aber sagen wollte, daß seine Kleidung aus nichts weiter bestanden hätte, so wäre das unvollkommen. Denn zur Kleidung konnte man auch den Schmuck rechnen, mit dem er förmlich überladen war. Um den Hals schlang sich eine dicke, goldene Kette, eine Kette, an der man einen Ochsen spazieren führen konnte, und von dieser nun hing eine Unmenge von Geschmeide herab, auf Brust wie auf Rücken, bis auf die Knie, lauter Kettchen, Streifen und Schuppenbänder, und alles blitzend von den herrlichsten Diamanten und anderen kostbaren Edelsteinen.
Solch einen in allen Farben des Regenbogens schimmernden Schmuck trug er auch in dem hochfrisierten Haar, der im Gürtel steckende Dolch mit großen Diamaten übersät, der Stock in seiner Hand, wohl eine Art Zepter, schien ganz aus Diamanten zusammengesetzt zu sein, das Pantherfell war an den Rändern mit kleinen Goldschuppen besetzt, und in jede einzelne waren mehrere Diamanten gefaßt, außerdem nun noch eine Unzahl von Ringen, von Arm- und Fußspangen – Gold und Diamanten, wohin man nur blickte – und dabei ist bemerkenswert, daß 236 im Aschanti-Reiche selbst überhaupt gar keine Diamanten gefunden werden, damals waren auch in Südafrika die Diamantenfelder noch gar nicht entdeckt worden – das hier waren alles brasilianische oder indische Diamanten, in Amsterdam geschliffen.
So bin ich dem Leser wohl erst eine Erklärung schuldig, wie dieser Negerhäuptling zu solchen Diamanten, überhaupt zu solcher Pracht kam, und ich führe hier gleich an, was ich erst später erfuhr.
Ja, das Reich der Aschantis ist eben groß, noch einmal so groß wie ganz Deutschland, Ackerbau und Viehzucht werden mit bestem Erfolge betrieben, gewinnbringende Jagd, auch auf Elefanten, auf Sklaven und Gold überall.
Jeder darf auf eigene Faust Gold graben oder waschen, muß aber an den Fürsten des betreffenden Gebietes einen bedeutenden Teil des Gewinnes abgeben, dieser beschäftigt selbst zahllose Sklaven, und da diese Häuptlinge das Gold doch nicht weiter ausgeben, sich höchstens anderen Schmuck dafür anschaffen, wie hier an den holländischen Diamanten ersichtlich, so haben sich in den Residenzen dieser Fürsten ungeheure Schätze von Gold angehäuft, im Kumassi, der Residenz des Fürsten, der ab und zu einen seiner Lehnsmänner einen Kopf kürzer machen läßt, um sein Vermögen einzuziehen, sollen sie geradezu fabelhaft sein.
Wie kommt es nun, wird jetzt wohl mit Recht gefragt, daß man solch ein Negerreich, in welchem noch die größte Barbarei herrscht, in welchem z. B. alljährlich zu Ehren des Königs Tausende von Sklaven geschlachtet werden (verzehrt werden sie aber nicht!) unabhängig läßt? Oder wo bleibt da der afrikanische Cortez, welcher die Schatzkammer plündert? Sagen wir gleich: wo bleibt da England? Und es sind ja nicht diese gefüllten Schatzkammern allein, sondern das ganze Aschantiland ist ein Dorado, jeder Bach enthält Goldkörner, die Goldklumpen können mit dem Messer aus dem Tonboden gekratzt werden – warum wird denn da dieses zweite Kalifornien nicht von einer europäischen Macht annektiert? Wo bleibt da England?
Ja, die Sache hat eben einen bösen Haken! Gewiß, England ist mehrmals mit Waffengewalt eingedrungen, zuletzt erst vor zwei Jahren, d. h., im Jahre 1857.
Dreitausend Soldaten rückten in der günstigsten Jahreszeit gegen das nur 25 Meilen von der Küste entfernte Kumassi vor, und … eine Woche später waren es keine 500 mehr, welche nach der Küste zurückkehrten, auch schon dem Tode verfallen. Alle anderen lagen unbegraben im Urwalde, ein Fraß für die wilden Tiere, nicht von den Waffen der Aschantis hinweggerafft, sondern vom mordenden Sumpffieber.
Und wenn man Legionen von Soldaten hineinschickte – je mehr es sind, desto schneller geht es. Nur eine einzige Nacht im sumpfigen Urwalde, und am anderen Morgen liegen sie alle wie die matten Fliegen da, die Neger schneiden ihnen nur noch die Köpfe ab.
Nein, da ist nichts zu wollen. Es gibt reiche Länder auf der Erde, welche den Europäern für immer verschlossen sind, und dazu gehört das Reich der Aschantis.
Trotzdem hat ja England Nutzen genug davon. Es hat mit Aschanti einen Handelsvertrag abgeschlossen, es besitzt das Monopol, läßt keine andere europäische Macht mehr heran. Es lockt den Aschantis das Gold eben auf andere Weise ab.
Nun weiß man, woher dieser Aschantihäuptling sein Gold und die Diamanten hatte, und wie ein König war er gekommen, mit einem Gefolge von 46 Kriegern, und Dienern, und nicht etwa per pedes apostolorum auf der Landstraße, auch nicht zu Roß, sondern England hatte sich nicht nehmen lassen, die Gesandtschaft des Königs auf einer Korvette unter königlichen Ehren nach Monrovia zu bringen, und da hatte kein Salutschuß gefehlt! Denn in so etwas hat ja England nun etwas los, da darf es an nichts fehlen – wenn es etwas einbringt.
Nun, dies alles wußte ich vorläufig noch nicht, und ich hätte den schwarzen Fürsten, der jetzt ohne Gefolge, nur in Begleitung des Präsidenten kam, schließlich nicht anders empfangen.
Außerdem war dieser Kididimo noch so ziemlich echt. Eine Vorstellung gab es hier nicht, das merkte ich gleich. Ueberhaupt konnten wir ihn gar nicht verstehen, er sprach kein Englisch, nur seine Hottentottensprache.
Wir setzten uns in die Kajüte, wo ich hatte aufdecken lassen, präservierte Fleischsachen, Biskuits und dergleichen, Limonade, Champagner und Wein. Fürst Kididimo hielt es mit der Zuckerdose. Den Champagner spuckte der Kerl wieder aus.
Der Präsident erzählte mir einiges über Seine schwarze Herrlichkeit, wodurch ich allerdings schon einige andere Begriffe über ihn bekam, und dann erzählte er dem Häuptling, was für einen hohen Rang die Lady Leytenstone in ihrer Heimat einnehme.
Und was tat der schwarze Kerl nach dieser Vorstellung? Er steckte der Lady Blodwen von Leytenstone die Zunge heraus! Faktisch! So weit er sie aus seinem Halse herausrecken konnte und dabei auch noch das Maul sperrangelweit aufgerissen.
Aber das war nicht etwa eine in seiner Heimat gebräuchliche Höflichkeitsbezeugung – eine Unhöflichkeit hätte ich dem ernsten Krieger gar nicht zugetraut – sondern das war nur die Vorbereitung zu etwas anderem.
Jetzt nahm er aus einem Beutelchen, das er am Gürtel trug, eine goldene Dose, öffnete sie, griff mit deni Fingerspitzen hinein, wie man eine Prise nimmt – und es war auch wirklich Schnupftabak, nur steckte er diesen nicht direkt in die Nase, wohin Schnupftabak doch gehört, sondern … legte die Prise auf die Zunge. Nun wurde diese langsam in den Mund zurückgezogen, da hatte der Häuptling schon einen kleinen Schlauch in der Hand, das eine Ende nahm er in den Mund, das andere steckte er ins Nasenloch, und – puh! – der Schnupftabak war doch noch dorthin gelangt, wohin er gehört, der Häuptling hatte ihn sich in die Nase geblasen.
Und dieses Manöver ward aller fünf Minuten wiederholt, immer die Zunge herausgereckt und die Prise daraufgelegt und sich auf diese umständliche Weise ins Nasenloch geblasen, einmal ins linke, einmal ins rechte.
Und da soll unsereiner nun ernst bleiben! Ich konnte es, aber Blodwen mußte mächtig mit ihren Lachmuskeln kämpfen.
Mit einem Male saß auch Karlemann zwischen uns, ungewaschen wie er war, und langte mit seiner schmierigen Pfote gleich in die Zuckerdose und dann in den Biskuitkorb, und während er mit vollen Backen kaute, musterte er den Häuptling mit unverschämt dreisten Blicken.
»Wer ist denn der?« kam es nach einer Weile recht breit aus seinem kauenden Munde heraus.
Es wurde ihm gesagt.
Auf dem Tische lag das Zepter, jetzt sah ich, daß es ein Elfenbeinstock war, aber eben ganz mit Juwelen bedeckt, und es dauerte nicht lange, so hatte Karlemann ihn in seiner schmierigen Pfote.
»Ist das echt? Was hat denn der Spazierstock gekostet?«
Ich machte ihn mit gelinden Worten darauf aufmerksam, wen er vor sich habe, und daß er sich etwas anders benehmen möge, soweit man dies solch einem Zigeunerknaben erklären kann. Jedenfalls trug dies alles nicht dazu bei, unsere Lachlust zu dämpfen.
Die Unterhaltung stockte – wenn sie je in Fluß gekommen war. Makosso, also der Fürst, trank ab und zu einen Schluck Champagner, spuckte ihn aber stets wieder aus, benutzte den Champagner als Gurgelwasser. Sonst blies er sich Schnupftabak aus dem Munde ins Nasenloch.
»Kapitän Algots,