Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker) - Robert Kraft


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Sie was, ich schicke das ganze Geld lieber nach Hause, an meinen Vater – oder lieber an meine Mutter, der Vater könnt’s versaufen –geht das?«

      Unseren Ernst zurückfinden konnten wir bei solchen Worten natürlich nicht, und ich selbst in meiner lebhaften Phantasie malte mir schon aus, wie der arme Dorfschmied die zwei Millionen Mark bekam und sie schleunigst in Schnaps umsetzte.

      »Gewiß, das geht.«

      »Haben Sie denn so viel Geld bei sich? Aber keine solche Papierlappen, das sage ich gleich.«

      Also er wußte noch nicht, daß wir so viel Gold an Bord hatten. Dann lag hier ein Rätsel vor. Und doch nicht. Sondern uns verband eine eigentümlich gemeinsame Charaktereigenschaft. Denn auch dieser Junge dachte doch sofort daran, das ganze Geld mit sich an Bord zu nehmen, er traute nur nicht recht der jetzigen Mannschaft.

      Ich belehrte ihn, daß es beim Abschicken ja gar nicht darauf ankäme, ob Gold oder Papier, Karlemann sah alles ein, und sofort wurden Anstalten getroffen, um dieses Geschäft gleich zu erledigen, jetzt in der achten Abendstunde, wobei zu bedenken ist, daß in diesen heißen Gegenden die Geschäftsstunden bis um elf Uhr und bis um Mitternacht währen. Dagegen ist zu Mittag alles für drei bis vier Stunden geschlossen.

      Wenn wir solch eine Zahlung vermutet, dann hätten wir uns nicht mit der goldenen Last zu schleppen brauchen. Nun, einmal herunter mußte das Gold doch sowieso wieder.

      Die Staatsbank wurde benachrichtigt, und eine Viertelstunde später lieferte ich dort Goldsäcke im Werte von 500 000 Dollar ab – Liberia hat nordamerikanisches Geld – hiervon wurden 450 000 Dollar nach Ritnese auf den Schmiedemeister Moritz Algots angewiesen, oder vielmehr auf den Namen seiner Frau, welche auch sofort durch die Post benachrichtigt wurde – und als ich dies alles tat, da mußte ich mich wiederum mehrmals fragen, ob dies alles denn nicht nur ein sonderbarer Traum sei! Am deutlichsten kam mir der Gedanke an einen Traum, wenn ich diesen zwerghaften Jungen dabei ansah, der sich durchaus nicht waschen wollte.

      So blieben noch 50 000 Dollar liegen, vorläufig auf meinen Namen, die ich sofort der Calioni anweisen wollte.

      Um den unmündigen Jungen nicht als Aussteller fungieren zu lassen, wollte ich lieber gleich selbst hingehen. Karlemann war mit allem einverstanden, wie ich das machen wollte, und … es reizte mich überhaupt etwas, ich weiß selbst nicht, was es war, noch einmal die Tänzerin aufzusuchen. Nicht etwa, daß ich unlautere Hintergedanken dabei gehabt hätte – ganz im Gegenteil – ich wollte mich einer Versuchung aussetzen, um sie siegreich zu bestehen – so eine Art Gefühl des Raubtierbändigers, wenn er den Zwinger betritt – kurz, ich ging selbst hin, um ihr die Anweisung zu überbringen und die Quittung in Empfang zu nehmen.

      Karlemann hatte keine Lust, mitzugehen, er sehnte sich nach seinem Schiff zurück, und ich mußte ihm versprechen, heute abend noch einmal zu ihm zu kommen.

      Zehn Minuten später stand ich in dem französischen Hotel der Tänzerin gegenüber, die es sich für die Nacht schon recht bequem gemacht hatte.

      Ich wünschte guten Abend. Sie richtete sich nvr etwas auf dem Sofa empor, auf dem sie gelegen hatte.

      »Ich bringe Ihnen im Auftrage von Karl Algots das Geld für die Jacht – 50 000 Dollar – eine Anweisung auf die hiesige Staatsbank.«

      »Bitte, nehmen Sie Platz.«

      »Danke, ist nicht nötig. Sie brauchen hier nur diese Quittung auszufüllen.«

      »Habe ich Ihnen etwas getan?«

      »Mir? Nicht, daß ich wüßte!«

      »Habe ich Sie beleidigt?«

      »Bitte, Senorita, wir wollen doch dieses Geschäft…«

      »Haben Sie vorhin meinen Brief erhalten?«

      »Jawohl.«

      »Er war recht unhöflich abgefaßt, nicht wahr?«

      »Wenn Sie es hören wollen, allerdings.«

      »Ich tat dies mit Absicht.«

      »Wieso mit Absicht?«

      »Es könnte doch sein, daß Ihre Gattin – Ihre Geliebte wollte ich sagen, diesen Brief in die Hände bekam, Sie scheinen ja in Gütergemeinschaft zu leben … «

      »Bitte, nehmen Sie hier diese Anweisung, und stellen Sie die Quittung aus.«

      » … und hätte ich mich zärtlicher oder nur höflicher Ausdrücke bedient, so hätte die Lady glauben können, ich wollte sie eifersüchtig machen.«

      »Wollen Sie jetzt hier unterschreiben?«

      »Herr Kapitän Jansen, können Sie die Wahrheit nicht vertragen?«

      »Das kann ich immer.«

      »Nun denn: Sie sind ein schöner Mann, ein ganzer Mann, Sie gefallen mir …«

      »Ich empfehle mich, ich komme morgen wieder.«

      » … aber noch mehr muß ich Sie bemitleiden.«

      Das allerdings war etwas, was meinen schon zur Türe gerichteten Schritt noch einmal stocken ließ.

      »Sie bemitleiden mich?«

      »Ich bedauere Sie unsäglich.«

      »Weshalb?«

      »Erst lassen Sie uns jetzt das Geschäft erledigen.«

      Es war doch ein ganz raffiniertes Weib, und nun brauchte sie erst lange Zeit, um die Quittung auszustellen.

      »Alles in Ordnung. Sie können das Geld heute noch von der Bank abholen. Ich empfehle mich.«

      »Sie wollen also nicht hören, weshalb ich Sie so sehr bemitleide?«

      In diesem Augenblick kam mir das braune Weib wie eine Hexe vor, wenn auch wie eine junge.

      »Nun, und?«

      »Ich habe inzwischen über Ihr beiderseitiges Verhältnis zu erfahren bekommen … «

      »Von wem?«

      »Das lassen Sie meine Sache sein. Es ist hier jemand, der Sie sowohl als auch die Lady Leytenstone sehr gut kennt, von der ja auch ich schon genug zu hören und zu lesen bekommen habe. Erlauben Sie, daß ich erst einmal von Ihnen spreche.«

      »Bitte.«

      »Ihr Ideal ist, ein eigenes Schiff zu besitzen, auf dem Sie frei in der Welt umherfahren können, als selbständiger Kapitän. Nicht wahr?«

      Das hatte sie sehr leicht an Bord meines eigenen Schiffes von Matrosen erlauschen können, ich hatte ja ehemalige Freunde darunter, mit denen ich mich früher über so etwas unterhalten hatte.

      »So ist es,« bestätigte ich.

      »Nun, Herr Kapitän – ich bin ein freies Weib, welches keine Fesseln kennt – lebe ganz meinen Neigungen – etwas emanzipiert – etwas exzentrisch – sogar etwas sehr – und ich bin reich – reicher als Sie denken – und Sie gefallen mir eben — kurz und gut, ich will Ihnen Ihr Ideal verwirklichen.«

      Ich konnte die schöne Sprecherin nur anstarren, doch begriff noch gar nicht, wohinaus das alles eigentlich wollte.

      »Sie verstehen nicht, was ich beabsichtige?«

      »Ganz und gar nicht.«

      »Nun – wie gesagt – ich will eben Ihr Ideal verwirklichen – nennen Sie es meinetwegen eine Caprice von mir – ich will Ihnen so viel Geld geben daß Sie sich solch ein Schiff kaufen und es unterhalten können, ganz sorglos.«

      Ich glaubte, meinen Ohren nicht trauen zu dürfen, behielt aber meine Besinnung, wollte etwas aushorchen.

      »Dazu bedürfte ich ungefähr einer halben Million Dollar.«

      »Naja, sollen Sie haben – kann ich mir leisten.«

      »Die würden Sie mir geben?« vergewisserte ich mich nochmals.

      »Jawohl.«


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