Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker) - Robert Kraft


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diese Summe irgendeiner wohltätigen Anstalt vermachen. Falls Sie nicht gern Geschenke annehmen. Und ich komme nicht etwa mit Ihnen – ich danke für diese Seefahrerei – einmal und nicht wieder. Nun, nehmen Sie das an? Ich bitte Sie sehr.«

      Was für ein Glückspilz war ich doch! Es mit einem Male geworden. Früher war meine ganze Sehnsucht gewesen, daß ich einmal jemanden fand, der mir 50 000 Taler gepumpt hätte, und jetzt wurden mir die Millionen von allen Seiten nur so in die Taschen gepfropft.

      So hätte ich denken können. Ich aber fuhr grimmig empor.

      »Madam, wofür halten Sie mich eigentlich?!«

      »Nun?« erklang es kalt zurück.

      »Sie wagen mir solch ein Angebot zu machen?! Wie kommen Sie eigentlich dazu?«

      »Bah,« sie machte eine verächtliche Bewegung. »Haben Sie denn nicht ganz genau dasselbe von der Lady Leytenstone angenommen?«

      »Das ist etwas anderes, und … genug, genug …«

      »Warten Sie doch noch einen Augenblick!« Ihre brennenden Augen wußten mich wirklich noch einmal auf die Stelle zu bannen. »Sie denken wohl, Sie haben Ihr Ideal schon erreicht, indem Sie jetzt Ihr eigenes Schiff besitzen, so daß mein Angebot gar nicht mehr nötig wäre?«

      »Allerdings bin ich vollständig zufriedengestellt, ich bin glücklich, ich liebe Lady … «

      »Hahahaha!!« brach sie jetzt plötzlich in ein schrilles Lachen aus. »Sie Narr, Sie blinder Maulwurf! Oder aber Sie betrügen sich selbst! Sie ein freier Mann? Wissen Sie, was Sie sind? Ein Hampelmann sind Sie, nämlich in der Hand eines launenhaften Weibes, das Sie nach seinen Launen tanzen läßt! Und ich sage Ihnen: ich kann jeden Menschen auf den ersten Blick beurteilen – und ich irre mich nie – und Sie werden dieses Weib noch kennen lernen – hüten Sie sich! – aus dieses Weibes Augen blitzt eitel Grausamkeit, die nur auf Gelegenheit wartet, um zum Durchbruch zu kommen – diese Lady ist zweitausend Jahre zu spät geboren worden – die paßte in Neros Zeiten hinein – denn ich sage Ihnen: die ist fähig, nur aus grausamer Wollust Löwen und Tiger auf Menschen zu hetzen … «

      Schmetternd flog die Tür zu. Ich hatte sie von draußen zugeworfen. Wie ich hinunter auf die Straße gekommen bin, weiß ich nicht.

      Sapristi!!! Das heißt, es war aber ein drei Ellen langer Fluch, in dem ich mir Luft machen mußte.

      Schade, jammerschade, daß das ein Weib und kein Mann gewesen war, der mir so etwas gesagt hatte, der hätte aber etwas zu hören oder vielmehr zu fühlen bekommen!!

      Ich ein Hampelmann?! In Blodwens Händen eine Hampelpuppe?!

      Die ganze bisherige Zeit flog schnell an meinem Geiste vorüber – ja, ich hatte manchmal nachgegeben – sollte ich auch nicht! – aber sonst …

      Ach, es war ja überhaupt Unsinn, nur noch daran zu denken! Das war ja dieses miserable Frauenzimmer gar nicht wert!

      Meine Blodwen so schlecht zu … nein, gar nicht mehr daran denken!

      Und es gelang mir. In einer Kneipe bei der Unterhaltung mit einem fremden Kapitän fand ich mein seelisches Gleichgewicht vollkommen wieder.

      Ich war ja eine viel zu gutmütige Natur, viel zu sorglos, in dieser Hinsicht auch viel zu leichtsinnig, um mir noch lange Gedanken darüber zu machen. Bald wäre ich imstande gewesen, selbst dieser Tänzerin alles wieder zu verzeihen, es hätte ihrerseits nur ein bittendes Wort bedurft, ich hätte sie nur in irgendeiner kleinen Not zu sehen brauchen. –

      Erst später sollten mir die Augen aufgehen, um zu erkennen, wie furchtbar wahr diese mexikanische Tänzerin gesprochen hatte!

      EIN GEHEIMNISVOLLER BESUCH, UND WIE ICH SELBST ZUM SKLAVENHÄNDLER WERDE.

       Inhaltsverzeichnis

      »Denke dir nur, Blodwen, was ich soeben bei der Mexikanerin erlebt habe!«

      Mit diesen Worten trat ich vor Blodwen wieder hin – und wenn etwas meinen damaligen Charakter offenbarte, so geschah es hierdurch.

      Ich erzählte – alles – mit Ausnahme von Blodwens vorgeblicher Grausamkeit, das verschwieg ich, ich hätte sie doch sonst grenzenlos gekränkt.

      Blodwens Verhalten war ein ganz eigentümliches. Wenn sie in Schmähungen über jene Tänzerin ausgebrochen wäre, ich hätte mich nicht gewundert, hätte es für gerechtfertigt gefunden – denn sie gehörte zum Menschengeschlecht und stand auf keiner besonders hohen philosophischen und ethischen Stufe. Darin konnte ich äußerst gerecht denken.

      Aber nichts dergleichen. Langsam nestelte sie ihre Taille auf und zog das Ledertäschchen heraus, das ich ihr von einem Matrosen hatte machen lassen.

      »Hast du dir die geographische Ortsbestimmung aufgeschrieben, wo wir neulich das Gold versenkten?«

      »Nein.«

      »Du kannst die Zahlen auswendig?«

      »Ja.«

      »Sage sie mir!«

      Ich sagte die Zahlen leise auf, sie stimmten mit denen überein, die auf dem Zettelchen standen, das sie dem Ledertäschchen entnommen hatte.

      »Kannst du das für immer auswendig?«

      »Für immer.«

      Schnell hielt sie das Papier über die Petroleumlampe, sofort fing es Feuer, verbrannte.

      »Was soll das?«

      »Du kannst noch fragen?«

      »Blodwen!«

      »Was mein ist, soll dein sein, und ich will nichts von dir zu beanspruchen haben, als was du mir gutwillig gibst. Nach wie vor werden wir unser Geld überall im Meere verteilen, aber niemals mehr will ich wissen, wo es liegt. Und wenn du stirbst? Dieser Tag wird auch mein letzter gewesen sein.«

      Ich schloß sie in meine Arme. Es war das Allereinfachste. So einfach, wie sie gesprochen hatte.

      Dann hatte ich noch viel zu tun. Zunächst ließ ich mich nach dem etwas weiter draußen liegenden holländischen Schiffe rudern, in welchem die Hälfte meiner Leute heute fast den ganzen Tag gescheuert hatte.

      Es war mit Reserveankern von unserem Schiffe versehen worden, ich prüfte diese, teilte eine Wache von vier Mann ab, welche während der Nacht abwechselnd wachen sollte, gab allen übrigen bis auf die notwendigste Wache für das eigene Schiff Urlaub, an Land zu gehen, und dann suchte ich Karlemanns ›Knipperdolling‹ auf.

      Es war gegen zehn Uhr und an Deck der kleinen Jacht so lebendig wie noch in der ganzen, hellerleuchteten Stadt.

      Einige Dutzend schwarzer Gestalten hatten sich eingefunden, im Gegensatz zu den Bewohnern der Stadt, die immer gern die neueste Mode mitmachen, mehr ganz als halbnackt, aber ich sah vielen Schmuck – kurz, Karlemann war schon wieder beim Kaupeln, hing den unschuldigen Söhnen der Wildnis seine Mäuse, Krokodilchen und Schellenmännchen auf, nahm ihnen dafür die Ringe aus Ohren, Nase und von allen anderen Körperteilen.

      Wie das noch enden würde, war noch gar nicht vorauszusehen. Der zwölfjährige Junge würde bald dem alten Vanderbilt Konkurrenz machen können. Hatte ich aber das Heft in Händen, so würde ich dafür sorgen, daß er an Blodwen keine große Käuferin mehr für seine afrikanischen Schmucksachen fand. So vernünftig würde Blodwen wohl auch sein.

      Ich sah einige Minuten zu, der Junge ließ sich gar nicht stören, dort stände der Kapitän, der hätte die Schlüssel, sollte mir unten alles zeigen.

      Es war eine reizende Einrichtung, aber eben für Zwerge berechnet. Damastbettdecken, das feinste Silberzeug, alles auf den Namen der Calioni graviert – fürwahr, der Junge hatte einen Spottpreis dafür bezahlt.

      Es war gut, daß ich mir die Miniaturjacht einmal besehen hatte, die Karlemann fernerhin als seine Heimat betrachten wollte, denn ich


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