Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker) - Robert Kraft


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doch, kann so etwas nicht jeden Tag Vorkommen? Ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht ist es jedenfalls nicht.

      Einige Jahre später ist ja etwas viel Tolleres passiert.

      Ein armer, schwindsüchtiger Pastorssohn wird auf Kosten einer wohltätigen Gesellschaft nach Südafrika geschickt, um dort seine Gesundheit wiederherzustellen – und ein halbes Jahr später ist er ein hundertfacher Millionär – und noch später nennt man den ehemaligen englischen Pastorssohn den ungekrönten König von Südafrika! Cecil Rhodes.

      Ja, diese Pastoren! Ich halt’s mit den Pastoren. Auch ich war ja von einem Ochsen so mittenmang ins Gold gejagt worden.

      Jetzt aber durfte ich nicht träumen, mußte meine Sinne zusammennehmen. Es handelte sich um mehr als den vierten Teil unseres Schatzes, den wir hinzugeben hatten, denn die Zinsen von Blodwens Vermögen … auch mir ist der Sperling in der Hand stets lieber als die Taube auf dem Dache gewesen.

      »Hatte Ihr Onkel ein Leihamt?« fragte ich den Arzt.

      »Ja, in Genua, das größte vielleicht von ganz Italien.«

      Aha! Ich hatte also doch richtig gewittert, als er vorhin den Klemmer auf die krumme Nase gesetzt hatte.

      »Und da kamen auch solch ungeheure Beleihungen auf Juwelen vor?«

      »Gewiß, oft genug. Ganz in der Nähe sind Monte Carlo und Nizza, wo schon damals Spielhöllen in Menge existierten.«

      »Da muß Ihr Onkel doch ein schwerreicher Mann gewesen sein.«

      »Reich war er allerdings, aber zu so etwas hatte sein Kapital doch nicht gelangt. Er war in solchen Leihgeschäften nur der Vermittler der Lombard-Bank.«

      »Und Sie sollten mit in dieses Geschäft kommen?«

      »Ja! Aber mich trieb eine unwiderstehliche Neigung zum ärztlichen Beruf und noch unwiderstehlicher in die weite Welt hinaus.«

      »Lebt Ihr Onkel noch?«

      »Nein.«

      »Beerbten Sie ihn?«

      »Gar nichts bekam ich. Eben weil ich nicht seinem Wunsche entsprach, meine eigenen Wege ging, enterbte er mich.«

      »Wußten Sie schon vorher, daß Sie leer ausgehen würden, ehe Sie sich seinem Wunsche widersetzten?«

      »Gewiß. Es hatte böse Szenen genug gegeben. Ich verzichtete von vornherein.«

      Da hielt ich meinem Schiffsarzt die Hand hin, und ich drückte sie ihm in hochachtungsvoller Anerkennung.

      Ach, hätte ich schon ahnen können, wem ich damals die Hand so treuherzig drückte!!

      »Ich würde den ganzen Schmuck gern zu diesem Preise kaufen,« sagte Blodwen; »wenn sich aber nun Herr Doktor Selo zu Algots Ungunsten sehr geirrt hätte?«

      Das war wieder einmal ganz Blodwen gewesen!

      »Ich bin mit 500 000 Dollar zufrieden,« erklärte Karlemann, »her damit!«

      Wußte der, daß wir so viel Gold an Bord hatten? Es konnte möglich sein, obgleich es unseren Leuten, welche die Geldsäcke doch erst von der Bank abgeholt hatten, streng verboten war, darüber zu sprechen.

      Aber ich vermutete mehr, daß der Junge trotz aller sonstigen Schlauheit gar nicht wußte, was für eine Summe das war, besonders nicht in Gold – – ich hatte es bis vor einigen Wochen auch nicht gewußt.

      Im übrigen will ich gleich hier bemerken, daß sich noch an demselben Tage ein holländischer Jude einfand, dessen Höchstgebot die taxierte Summe des Arztes nur wenig überstieg.

      »Sie können das Geld auch sofort bekommen, mein kleiner Herr Kapitän, sogar in Gold.«

      »Gold will ich auch nur haben, solche Papierwische nehme ich gar nicht an,« war die selbstbewußte Antwort.

      »In englischen Goldstücken.«

      »Sterlings? Jawohl, die sind mir gerade recht lieb.«

      »Wissen Sie auch, wieviel das sind, 500 000 Dollar?«

      »Das sind … 100 000 Pfund Sterling.«

      »Und was dürften die wiegen?«

      Nur eine kleine Pause der Ueberlegung.

      »So ungefähr zwanzig Zentner.«

      Alle Wetter, ich hatte mich in dem Jungen wiederum geirrt!

      Noch ehe ich etwas sagen konnte, hatte Karlemann den schmutzigen Finger an seine schmierige Nase gelegt und blickte in einer Weise sinnend vor sich hin, daß jetzt unbedingt ein großer Gedanke kommen mußte, dem ich erwartungsvoll entgegensah.

      »Hm. Wohin bringe ich denn nun das viele Gold? Ich habe schon immer daran gedacht, aber … nicht daß es so schnell gehen würde, es kommt mir etwas zu unerwartet.«

      »Nun, die Staatsbank von Liberia ist doch gut…«

      »Ist nicht,« unterbrach er mich. »Das Geld könnte wohl auf meinen Namen abgegeben werden, aber wenn ich einmal Geld brauche, da könnte es doch eine faule Sache sein, meine Unterschrift würde wohl nicht gelten, ich bin doch noch nicht mündig, und …«

      Weiß Gott, er hatte recht! Das wäre mir ja schließlich auch noch eingefallen, ich mußte nur staunen, wie dieser Junge so selbständig seine Unselbständigkeit erkannte. Anders kann ich mich kaum ausdrücken. Er wollte eben als Mann behandelt sein, weil er sich als Mann fühlte, und dazu gehörte auch die Erkenntnis, daß er in Wirklichkeit noch ein Kind war.

      »Hm,« fuhr er fort, immer noch den Finger an der Nase. »Und dann hätte das auch noch einen anderen Haken.«

      »Welchen?«

      »Wenn die Maus und der Hampelmann nun kaputt gehen? Der Schwarze könnte mir doch noch auf den Leib rücken, und wenn ich nun das ganze Geld hier auf der Bank habe …«

      Ich konnte mir nicht helfen, ich mußte aus vollem Halse lachen. Also auch mit so etwas rechnete dieser Bengel schon!

      »Am liebsten würde ich ja das ganze Geld mit auf den Knipperdolling nehmen.«

      »Wohin?« fragte ich verwundert, nicht recht gehört zu haben glaubend.

      »Auf den Knipperdolling.«

      »Was ist denn das?«

      »Nun, meine Jacht. Ach so, das wissen Sie noch nicht. Der Name ›Farewell‹ gefällt mir nämlich gar nicht, und da habe ich das Schiffchen ›Knipperdolling‹ getauft.«

      Knipperdolling – na, einen seltsameren Schiffsnamen hätte man wohl kaum finden können! Selbst Doktor Selo mußte wieder einmal lachen.

      »Wie sind Sie denn auf diesen Namen gekommen?«

      »Nur so – der Name gefällt mir.«

      »Wissen Sie denn, wer Knipperdolling gewesen ist?« lachte ich.

      »Nee.«

      »Das wissen Sie überhaupt gar nicht?«

      »Nee.«

      »Ja, wie sind Sie denn nur auf diesen Namen gekommen?«

      Ich weiß nicht – ich habe den Namen einmal irgendwo gehört – ein Mensch hieß doch wohl so – und der Name gefällt mir.«

      »Knipperdolling war ein Wiedertäufer, im 16. Jahrhundert.

      Mehr konnte ich dem Jungen, der sicher noch nicht einmal etwas von den Wiedertäufern gehört hatte, hier ja nicht erzählen, und Karlemann hatte überhaupt nur eines herausgehört.

      »Ein Wiedertäufer war er? Na ja, da paßt’s ja gerade recht gut für mein Schiffchen.«

      Wir mußten noch lange lachen. Karlemann und Knipperdolling –wahrhaftig, in gewissem Sinne paßten diese beiden Namen zusammen!

      Karlemann ließ sich durch unser Lachen nicht stören. Er sann


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