Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft
Wort auch schon aufgeschnappt – das Gefängnis wird nämlich von den deutschen Matrosen Kitchen genannt, wohl auch von Handwerksburschen, ist aber offenbar von englischsprechenden Matrosen erfunden.
»Was, du willst dich den englischen Gerichten stellen?!« rief ich aber erschrocken.
»Warum nicht? Schlimm kann es doch nicht werden. Ein paar Wochen bei Wasser und Brot, das ist manchmal der Gesundheit sehr zuträglich. – Doch im Ernst, Richard, glaubst du, daß man meine Rente wieder freigeben muß, wenn ich mich dem Gericht stelle, die mir diktierte Strafe verbüße?«
»Unbedingt,« mußte ich zugeben, »vielleicht und höchst wahrscheinlich kommst du als Lady ja auch nur mit einer Geldstrafe weg … «
»Laß das jetzt. Also du bist der Ueberzeugung, daß ich sofort wieder in den Besitz meiner Jahresrente von 120 000 Pfund Sterling gelangen kann?«
»Ja, der Ueberzeugung bin ich.«
»Na, da sind wir ja noch nicht verloren.«
»Davon ist doch auch gar keine Rede. Aber du mußt dennoch darauf gefaßt sein, ein paar Wochen brummen zu müssen, und bei deinem jetzigen Zustand …«
Sie unterbrach mich dadurch, daß sie sich vorneigte, mir die Hände auf die Schultern legte und mich mit ihren so seltsam großen, herrlichen blauen Augen fest anblickte.
»Richard, du bist ein wunderbarer Mann!«
»Ich, warum denn?« fragte ich naiv und erstaunt. »Weißt du denn nur gar nicht, was du sprichst?«
»Ich, nee. Was soll ich denn gesagt haben?«
Sie hätte es mir erklären können, ich würde es gar nicht verstanden haben. Und was das war?
Na, wer würde denn nicht gern ein paar Wochen brummen, wenn er dafür jährlich achtmalhunderttausend Taler bekommt? Wer würde deshalb nicht gern seine Frau einmal einsperren lassen?
Aber solche Fragen tauchten mir harmlosem Jüngling damals gar nicht auf, und Blodwen ließ sich nicht weiter darauf ein. Nur ihr leuchtendes Auge sagte mir, daß ich etwas recht Nettes gesprochen haben müßte, mir aber ganz unbewußt.
»Nicht wahr, Richard, du würdest für mich arbeiten, für mich sorgen, falls wir dieses Schiff aufgeben müßten?«
»Na und ob!« rief ich begeistert. »Ich bekomme sofort eine Heuer als Kapitän, ich richte dich irgendwo behaglich ein, du kannst aber auch bei mir an Bord bleiben, oder wir verkaufen dieses Schiff, bleiben aber darauf, ich als Kapitän, da gibt es ja noch eine ganze Menge Auswege … «
»Zum Beispiel auch den, daß du das Anerbieten jener mexikanischen Tänzerin annimmst, die dir ja ebenfalls ein eigenes Schiff kaufen wollte, wie?«
Ich blickte sie starr an.
»Blodwen, was mutest du mir zu?« flüsterte ich dann. »Jetzt hast du mich gekränkt!«
»Das wollte ich nicht, aber mutest du mir nicht auch viel zu?«
»Was denn?«
»Also du gibst zu, daß ich mich sofort wieder in den Besitz einer Jahresrente von 120 000 Pfund setzen kann, aber ich soll das Mittel dazu scheuen, lieber soll ich einen allerdings höchst ehrbaren, aber doch auch sehr nüchternen Weg betreten, um mich durchs Leben zu schlagen. Siehst du die Unlogik nicht ein?«
Eigentlich nicht. Und doch, ein gewisses Gefühl sagte mir, daß sie recht hatte. Wenn ein Pastor seinem Amt und seiner Würde entsagt, weil er das, was er von der Kanzel predigen soll, nicht mit seinem Gewissen vereinen kann, so ist das heroisch. Aber wenn er nun nichts weiter weiß, als Steine zu klopfen, so ist er ein dummer Hund.
Ich sollte nicht erfahren, was Blodwen eigentlich vorhatte. Es wurde Land signalisiert, ich mußte an Deck.
Der Streifen, den wir da sahen, mußte die Goldküste sein, was dann die Berechnung auch betätigte, und zwar war es die des Aschanti-Reiches.
»In dem der Häuptling herrscht, dem Karlemann die goldenen Ringe aus Ohren und Nase gezogen hat,« ergänzte ich, zu Blodwen gewendet. »Was mag unser Karlemännchen jetzt machen?«
»Ja, Karlemann, Karlemann!« rief da plötzlich Blodwen ganz begeistert. »Sieh, das soll unser Vorbild sein! Wir haben Millionen im Handumdrehen verloren, der hat sie im Handumdrehen gewonnen.«
»Das hat Doktor Selo auch, das ist der Lauf der Welt. Dieses Rollen soll daher kommen, daß das Geld rund ist.«
»Können wir nicht dasselbe, was dieser kleine Junge konnte?«
»Hm, das ist nicht gleich so gesagt.«
»Handeln, Richard, immer handeln!«
»Ja, aber nicht mit Baumwolle.«
»Alle Schätze der Welt stehen uns zur Verfügung, wir müssen sie nur zu heben wissen.«
»Zunächst aber, wo liegen sie?«
Vorläufig wurde dieses Gespräch abgebrochen. Jetzt galt es, die Gedankenkraft auf andere Fragen zu lenken.
Einigen Proviant hatten wir noch, er reichte noch für eine Woche, aber das Trinkwasser ging stark zur Neige. Es war die höchste Zeit, daß wir die Küste aufsuchten.
Trinkwasser bekommt man ja in jedem Hafen, aber nicht umsonst. Der Kubikmeter kostet einen Groschen bis zu einer Mark und noch mehr, je nachdem die Wasserverhältnisse dort sind, und wie es an Bord gebracht werden kann.
Es braucht aber auch gar nichts zu kosten.
»Das beste ist wohl, um gar keine Unkosten zu haben, wir suchen eine Flußmündung auf, fahren vorsichtig hinein und pumpen unsere Tanks voll.«
»Bravo, bravo!« jubelte Blodwen plötzlich an -»Sieh, Richard, hättest du das nicht selbst gesagt, diesen Vorschlag hätte ich dir gleich gemacht.«
»Freilich kann es sich da nur um eine wenig bekannte Flußmündung handeln, ein Hafen darf noch nicht daran liegen, sonst kostet es gleich Ankergeld.«
»Gibt es denn an dieser Küste noch solche Flüsse?«
»O, massenhaft! Freilich ist die Einfahrt gefährlich, da muß viel gepeilt werden.«
»Du wünschst dir ja immer Arbeit.«
»Und dann müssen wir uns darauf gefaßt machen, in unserem Trinkwasser ab und zu einen Frosch oder ein kleines Krokodil zu finden.«
»Das Viehzeug wird gekocht und verspeist. Da haben wir gleich etwas zu essen. Und dann gehen wir ans Ufer, halten ein paar Tage große Treibjagd ab, und was wir erbeuten, wird getrocknet und geräuchert, da haben wir Proviant.«
Ich blickte Blodwen starr an. Und in diesem Augenblicke hatte ich etwas wie eine Vision. Ich sah mich, die ganze Mannschaft, mit bunten Lumpen bekleidet, an einem Feuer im Walde liegen – Zigeuner – dann aber waren wir in denselben Lumpen wieder an Bord des Schiffes – da war die Vision vorbei.
IN KARLEMANNS REICH.
Es war die Leuchtturminsel von Legala, die wir zunächst in Sicht bekamen.
Ich las darüber in meiner Handbibliothek nach. Unbewohnt, eben nur ein Leuchtturm darauf – na ja, das konnte man der wie ein Kasten auf dem Wasser liegenden Felsenklippe ja gleich ansehen, von dort war das Wasser nicht zu holen, welches ich jetzt am notwendigsten brauchte.
Gegenüber an der Küste lag die Hafenstadt Legala, für fremde Schiffe überhaupt gesperrt – konnte also ebenfalls nicht in Betracht kommen …
»Herr Kapitän, von dem Leuchtturm aus wird uns zusignalisiert,« unterbrach der wachehabende Steuermann meine Studien, die ich in dem auf der Kommandobrücke befindlichen Kartenhäuschen machte.
Ich trat hinaus. Jawohl, auf dem Signalmast des Leuchtturms