Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker) - Robert Kraft


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Treppen gemeißelt, an den Galerien lehnten solide Leitern.

      Und nun eine Unmenge von Menschen, lauter Neger. Auf den Galerien kribbelte es nur so. Die einen frachteten ein großes Segelboot aus, die Ballen und Kisten wurden mit einer Winde, die ich hoch oben in der Luft vom Plateau aus gefährlich weit herausgereckt sah, emporgewunden und durch Schwenken des Balkens beliebig auf die einzelnen Galerien verteilt; die anderen waren mit einer Arbeit beschäftigt, die ich erst nicht recht beurteilen konnte, bis ich bemerkte, daß überall in die Felswände hineingemeißelt wurde, und es waren schon ganz ansehnliche Löcher entstanden, wenn nicht Tunnels; denn die Nigger gingen aufrecht aus und ein – wie tief, konnte ich ja noch nicht wissen.

      Das Schiff war befestigt, es war nichts mehr zu besorgen.

      »Du, Richard,« meinte da Blodwen, »riecht das hier nicht recht nach – nach – Löwen?«

      Ich hatte keine so feine Nase. Außerdem war mir ein ›Löwengeruch‹ etwas ganz Neues. Ich vergaß dabei, daß Blodwen noch niemals in einer Menagerie gewesen war, wilde Tiere kannte sie nur von Bildern her, mit Ausnahme des Löwen, sie hatte selbst ja eine gezähmte Löwin gehabt. Also sie meinte, hier riecht es nach Menagerie, wie man sagt, nach Raubtieren. Aber ich verstand sie nicht gleich.

      »Nach Löwen?« lachte ich. »Hier riecht’s mir eher nach fettgetränkten Niggerlein.«

      »Nein, hier riecht’s nach Löwen.«

      In diesem Augenblick erscholl ein donnerndes Gebrüll, so daß wir alle erschrocken zusammenfuhren. Wenn ein Löwe brüllt, fahre ich nicht gleich erschrocken zusammen; aber das war hier doch etwas anderes, das mußte eine ganze Herde Löwen sein, die ein Konzert aufführten. Erst hatte es mit einem leisen, ganz kurzen Knurren angefangen, dann setzten plötzlich alle Instrumente ein, pfauchend und heulend und alles übertönend ein furchtbares, donnerndes Brüllen.

      »Der hat sich hier Löwen zugelegt!«

      »Das sieht unserem Karlemann auch ähnlich, und nahe genug der ersten Bezugsquelle ist er ja!«

      Kapitän Fritz Neumann bat mich, mich nach oben zu begeben.

      »Der Aufzug ist noch nicht fertig, Sie müßten die Leitern benutzen, und das hier geht doch viel fixer.«

      Dabei zeigte er mir eine Art Gürtel und eine Leine, die er in der Hand hielt, und machte auch gleich eine Bewegung, als wolle er mir den Gurt um den Bauch legen.

      Ich wußte erst gar nicht, was das Kerlchen eigentlich von mir wollte. Bis ich merkte, daß das Seilende, welches er in der einen Hand hielt, von oben kam, ich blickte also in die Höhe, und da sah ich, daß der Schwebebaum dort oben, von hier unten wie ein Zahnstocher aussehend, ganz herumgeschwenkt war, er ragte über mein Schiff, und von dort oben lief das Seil herab.

      Da ging mir eine Ahnung auf.

      »Ich soll wohl da oben hinaufgeleiert werden? An dem dünnen Stricke?« fragte ich mit einem förmlichen Schreck.

      »Jawohl, wir alle …«

      »Nu nee, nu nee!« rief ich aber abwehrend mit entsprechender Handbewegung.

      »Sie brauchen keine Angst zu haben, das Seil hält noch ganz andere Lasten, wir lassen uns doch alle hinaufwinden. Soll ich es Ihnen erst einmal vormachen lassen?«

      Was sollte ich tun? Wenn es einmal hier so Usus war, dann durfte ich doch auch keine Angst haben, wie ein kleines Mädchen, das nicht in die Gondel will.

      »Ist Kapitän Algots oben?«

      »Der ist oben und erwartet Sie schon.«

      »Kann er nicht herunterkommen?«

      »Er hat jetzt keine Zeit, er trainiert.«

      »Was tut er?«

      »Er trainiert.«

      »Was trainiert er denn?«

      »Ich weiß nicht. Er erwartet Sie oben.«

      »Na, da mal los!«

      Ich ließ mir den Gurt von meinen eigenen Matrosen umlegen, nicht um den Bauch, sondern unter die Arme, der Steuermann erklärte Seil und Karabinerhaken für durchaus solid, mir war mein Kautabak, von dem ich fix noch einmal abbeißen wollte, an Deck gefallen, ich wollte mich bücken, um ihn aufzuheben, da – go ahead! – da zappelte ich schon in der Luft.

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      Es ging sehr fix. Aber was ich unterwegs alles zu sehen bekam! Das heißt nur ganz schnell, nur so wie Schattenbilder im Vorüberhuschen.

      Auf der ersten Galerie waren nur Neger zu sehen, die an den Felswänden herumhämmerten.

      Dann kam die Bel-Etage. In der war in der Wand ein Loch, ein großes, eine Höhle, stark vergittert, und hinter den Eisenstäben bemerkte ich ein halbes Dutzend – wenn das reichte – stattliche Löwen, die vorhin über unseren Köpfen das Konzert gemacht hatten.

      Schrumm, ein ander Bild in der ersten Etage: drei oder vier Kühe, auch in so einer Höhle untergebracht.

      Zweite Etage: eine ganze Masse nackter, afrikanischer Hunde.

      Dritte Etage: was für Viehzeug da in so einer vergitterten Höhle untergebracht war, konnte ich bei der Schnelligkeit nicht unterscheiden. Vor allen Dingen sah ich lange Schwänze – vielleicht Krokodile oder Riesenschlangen.

      Schrumm, an der vierten Etage vorbei: das Ding, was sich in dem Käfig befand, war ein kleiner Elefant gewesen, das hatte ich ganz deutlich gesehen.

      Und dann konnte ich das ganze Plateau frei überblicken, der Schwebebaum wurde herumgeschwenkt, ich flatterte wie ein Schmetterling durch die Luft und ward fein säuberlich auf den Boden niedergesetzt.

      Hier sah ich, was für eine solide Winde das war. Die allermodernste, alles aus Stahl und Eisen, in den Felsboden einzementiert, vielleicht hundert Zentner tragend.

      Sie wurde von Negern mit der Hand bedient. Doch war hier auch ein weißer Mann, der erste, den ich hier zu sehen bekam, sehr elegant in ein Tropenkostüm gekleidet, entweder ein Deutscher oder ein Engländer. Außerdem hatte er noch einen kleinen Jungen bei sich, vielleicht sein Sohn – aber – ich traute nicht recht – der Bengel hatte auch schon solche lange Trichterhosen an – und, weiß Gott, da spuckte der Bengel gerade seinen Kautabak aus und versorgte seine nun einmal zum Kauen bestimmte Maschinerie mit einer neuen Ladung. Sogar brasilianischen Dulzissimo, den ich in Kapstadt nicht hatte bekommen können.

      »Herr Kapitän Jansen werden von Herrn Kapitän Algots erwartet, er kann nicht selbst kommen,« sagte der Herr im Tropenkostüm, seinen Strohhut lüftend, und dann sich vorstellend; »Ingenieur Schimmel.«

      »Stürmann Nauke,« setzte sofort der Wichtelmann hinzu, die Hand an seinen Wolkenschieber legend, und gleichzeitig spritzte er mir seinen Tabakssaft auf die Stiefel.

      Wo hatte Karlemann nur diese kleine, deutsche Bagage herbekommen? Dort lief schon wieder so ein Trichtermännchen mit dem Wolkenschieber.

      Nun, der Leser weiß es. Ich wußte es damals noch nicht, erfuhr es erst heute nach und nach, und so kann ich gleich verraten, daß die ›Berliner Lausejungen‹, wie sie ja schon oft genug genannt wurden, und anders waren sie früher auch nicht zu bezeichnen, unterdessen sämtlich zu Steuerleuten und gar Kapitänen, wenn auch mit dem Vorsatz ›Vice‹, avanciert waren, und zwar wirklich infolge ihrer Verdienste. Ich sollte selbst noch kennen lernen, wie dieser kleine deutsche Karlemann zu erziehen verstand, wie er auch aus dem unfähigsten Menschen – und Tiere – etwas Tüchtiges zu machen wußte.

      »Wo ist der Herr Kapitän?«

      »Dort – ziemlich in der Mitte – gehen Sie nur geradeaus, Sie können ihn nicht verfehlen.«

      Ich folgte der bezeichneten Richtung. Ich sah eine Menge Nigger, auch hier oben in dem Felsboden herumpuddelnd; viele Holzbaracken waren aufgeschlagen, Häuserchen aus lose zusammengesetzten Steinen aufgerichtet, aber gerade dort in der Mitte, wohin ich meine Schritte


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