Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker) - Robert Kraft


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Ich weiß, woran’s liegt, der Schlosser hat nur gerade keine Zeit. Ich habe ihn erst ein paar Tage, es ist ein ganz frisch gefangener, will noch nicht einmal recht Pfötchen geben. Erst gestern, wie er wieder einmal ausgebrochen ist, hat er einen Nigger kurz und klein zerrissen und ihn halb aufgefressen.«

      »Na ich danke, bei Ihnen geht’s ja gemütlich zu!«

      »Ach ja, wir leben hier ganz hübsch. Oder Sie meinen wohl wegen des Niggers? Dem geschah ganz recht, der Kerl wollte hier unten spionieren, und wäre er in den anderen Raum gekommen, wäre er doch sowieso von den Panthern zerrissen worden.«

      Wir kamen in einen langen, hellen Gang. Durch die vielen kleinen Fensterchen, in die meterstarke Felswand gebrochen, sah ich unten das Meer branden – ein herrlicher Anblick.

      »Sehen Sie,« sagte Karlemann, während wir den Korridor entlang schritten. »Diese Nigger will ich doch nicht etwa hier oben behalten. Es soll überhaupt niemand wissen, was ich hier treibe. So ist’s auch dort oben mit dem Zirkus, wo ich dressiere. Hier unten gibt’s noch keinen so großen Saal, und dort oben war gerade eine Zisterne, ich mußte sie nur noch etwas ausmeißeln lassen, dann war der Zirkus fertig. Und so tief muß der Kreis sein. Außerdem ist der Zutritt dort streng verboten. Niemand darf sich dem Loche bis auf dreißig Schritte nähern. Wenn die Nigger nämlich wüßten, daß ich dort im Freien auch Löwen herumspazieren lasse, so würde kein einziger hierbleiben, sie würden vor Angst gleich den Felsen hinunterspringen.«

      »Sie können den Zirkus doch mit einem hohen Gitter umgeben lassen.«

      »Kommt alles noch, kommt alles noch. Hier, treten Sie ein!«

      An der viereckigen Oeffnung waren schon Angeln eingelassen, um eine Tür einzuhängen, aber eine solche noch nicht vorhanden. Ich befand mich in einem Felsenzimmer, in dem ich mich staunend umsah.

      Fast alles, was an Möbeln vorhanden, war aus dem Felsen herausgehauen oder vielmehr beim Aushauen des Raumes stehen gelassen worden. Schränke, für welche nur noch die Tür fehlte, Regale, Tische, Stühle, ein Schreibtisch sogar mit Zierraten, mit Schiebladen und mit allem, was dazu gehört – alles aus Stein, mit dem Felsen verwachsen. Die Schubkästen konnten natürlich nicht von Stein sein, die fehlten noch.

      »Sehen Sie, so wird einmal das ganze Haus. Das ist hier das erste Zimmer, was so ziemlich fertig ist, meins. Es ist ein sogenanntes Studierzimmer. Sehen Sie, hier drin im Schreibtisch hebe ich schon meinen Kautabak auf. Fein, was? Und so soll nach und nach das ganze Haus werden – oder vielmehr die Burg – die Seeburg.«

      Ich konnte nur staunen.

      »Haben Sie das alles selber gemacht?«

      »O nein. Das heißt, die Idee stammt von mir. Zuerst fing ich auch selber an zu meißeln oder stellte doch meine Jungen und dann die Nigger an. Aber das ging verdammt langsam. Dann trieb ich zwei Männer auf, die so etwas können. Der eine heißt Schimmel und ist der Ingenieur, der andere ist Architekt und Baumeister Herr Arndt, war lange bei den Engländern in den Kolonien, und der hat in solchen Steinarbeiten was los. Es wurden gleich Bohrmaschinen angeschafft, auch viel gesprengt wird, dann hat Arndt so ein wässeriges Zeug, das schmiert er auf den Stein, und nach einiger Zeit kann man ihn wie Butter schneiden. Da geht’s fix. Ein paar Jahre wird’s freilich dauern, ehe alles fertig ist, zumal wenn ich dann die meisten Nigger abschaffe. Aber ich habe ja Zeit. Sehen Sie, so wird’s aussehen.«

      Er hatte in seinem steinernen Schreibtische doch nicht nur Kautabak, sondern auch Papiere, brachte einige große Rollen zum Vorschein, die sich dann als Grund-, Auf- und Seitenrisse erwiesen, diese ganze Felseninsel darstellend, wie ein Ameisenhaufen ausgehöhlt – die saubersten Zeichnungen, in farbigen Tuschen ausgeführt.

      »Ich finde mich selber nicht drin zurecht,« meinte Karlemann, »aber Arndt sagte, das wäre alles so, wie ich es ihm beschrieben und auch vorgemalt habe, und wenn ich den anderen, den Ingenieur Schimmel frage, wie ich das und jenes haben will, so braucht er nur aufs Papier zu blicken, dann kann er’s beschreiben, und es stimmt immer ganz genau mit meinen Angaben überein.«

      Nun, ein Steuermann hat auf der Schule im Fache Schiffbau auch zeichnen gelernt, ich fand mich darin zurecht, und je länger ich studierte, desto mehr wuchs mein Staunen, das sich bis zur ehrfürchtigen Bewunderung steigerte, nämlich vor dem, dessem erfinderischen Kopfe dies alles entsprang, und das war doch schließlich dieser zwölfjährige Junge, der Sohn eines Dorfschmiedes.

      Den Grund meines ehrfürchtigen Staunens kann ich gar nicht so ohne weiteres angeben. Es lag weniger in der Unmasse von Gängen, Kammern und Treppen, also überhaupt in der Gewaltigkeit des Ganzen, als vielmehr in der symetrischen Anordnung, wie eines immer ins andere griff. Für so etwas hatte ich ein feines Auge.

      »Käpt’n Algots, Sie sind ein Genie!«

      »Weiß ich,« war seine trockene Antwort.

      »Da können aber doch ein paar tausend Menschen drin wohnen.«

      »Sollen sie auch.«

      »Was?«

      »O, ich will meine Seeburg schon bevölkern. Aber nicht mit solchen lausigen Niggern.«

      »Mit was für Leuten sonst?«

      Karlemann hämmerte wieder einmal gegen meinen Bauch.

      »Geheimnis, lieber Freund, Geheimnis!«

      Wenn mir jemand etwas nicht sagen will, habe ich auch keine Neugierde mehr. Eine andere Frage fiel mir ein.

      »Die von Ihnen beschäftigen Neger – oder Sklaven, wie Sie sie nennen … «

      »Sind auch Sklaven. Die Aschantis wollen nur außerhalb ihres Landes keine Sklaverei mehr haben – diese schlaue Bande.«

      »Die werden also von ihren Herren ernährt?«

      »Jawohl, jede Woche kriege ich so und so viel Mehl, Schafe und sogar ganze Ochsen her.«

      »Und das Trinkwasser? Ich vermute doch nicht, daß diese Felseninsel eine Quelle hat?«

      »Hat sie auch nicht. Regenwasser. Wird in Zisternen aufgefangen.«

      »Aber reicht denn das für 600 Menschen?«

      »Wissen Sie, wieviel Regen hier jedes Jahr fällt?«

      »Na, ein Meter Regenhöhe ist hier sicherlich.«

      »Noch etwas mehr. Und kennen Sie die Größe der Insel oder des Plateaus?«

      »Sie sagten es vorhin selbst – 200 mal 300.«

      »Noch etwas mehr. Und nun rechnen Sie gefälligst aus, wobei ich bemerke, daß dort oben jeder Tropfen Regenwasser aufgefangen werden kann.«

      Ich nahm denn auch Bleistift und Papier zur Hand, setzte pro Mann täglich zwanzig Liter Wasser an, und brachte zu meinem Staunen heraus, daß solch ein Terrain nicht nur für 600, sondern für 6000 Menschen genug Wasser lieferte. So kann man sich irren. Man muß aber nur einmal nachdenken, was ein Kubikmeter Wasser zu bedeuten hat. Das sind zehn Hektoliter.

      »Kommen Sie, ich zeige Ihnen meine Menagerie.«

      Wir durchschritten den Gang, welcher in der vierten Etage, so daß also das eigentliche Plateau die Decke bildete, gewissermaßen unter dem Dache, auf der Südseite entlang führte, durch ein ab und zu angebrachtes Fenster genügend hell erleuchtet.

      In den zehn Wochen hatte von dem geplanten Werke natürlich noch nicht viel ausgeführt werden können. Immerhin, ich staunte, wie in dieser Zeit schon solch ein Gang geschaffen worden sein konnte, da hätten Meißel nicht viel genützt, die Ingenieure mußten tatsächlich ihre eigenen Mittel besitzen, um den Kalkstein so schnell zu bearbeiten.

      Dieser Gang war also der Haupttunnel, der vorläufig geschaffen war, von ihm gingen auch schon viele Gewölbe ab, und in ihnen sah ich Tiere aller Art der afrikanischen Fauna untergebracht. Natürlich nicht sämtliche Vertreter. So vermißte ich, wenn ich wir ein afrikanisches Landschaftsbild vorstellte, unter anderem den Strauß, das Zebra, die Giraffe, das Nilpferd, das Rhinozeros und andere mehr.

      »Kommt


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