Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker) - Robert Kraft


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noch keine Erklärung gegeben, wollte es erst tun, als er mich listig von der Seite anblickte.

      »Sie denken wohl, ich glaube an solche Meeresschätze, an Wracks und dergleichen, wovon die alten Kapitäne immer anfangen, wenn der Grog steif genug gewesen ist?«

      Dann kam ich also zu spät. Freilich, der Junge stammte ja auch aus Ritnese, der mußte so etwas wohl kennen.

      »Woher haben Sie die Kunde sonst?«

      »Habe durch Zufall etwas erfahren, aber auch ganz sicher …

      Wieder blieb Karlemann stehen und blickte mich steif an.

      »Glauben Sie, daß noch einmal ein Erdteil entdeckt werden könnte?«

      »Ein ganzer Erdteil? Auf dieser Erde? Nee.«

      »Und warum nicht?«

      »Mein Gott, warum nicht! Weil eben die Erde schon durchaus erforscht ist. Oder … Sie meinen wohl die Nord- und Südpolarländer? Ja, die müssen erst noch erforscht werden.«

      »Nein, ich meine einen noch unentdeckten Erdteil in recht bewohnbarer Gegend.«

      »Im Meere? Ich meine einen ganzen Erdteil, der vom Meere umspült ist. Also nicht eine Gegend des inneren Asiens, Afrikas oder Australiens?«

      »Ein ganzer Erdteil, der vom Meere umspült ist, in der gemäßigten Zone liegend. Könnte so einer nicht noch entdeckt werden, so wie Kolumbus Amerika entdeckt hat?«

      »Na, Karlemännchen, nun hören Sie aber bald auf!« mußte ich jetzt lachen. »Ich habe Sie doch nun schon kennen gelernt. Sie haben in solchen Angelegenheiten doch den Verstand eines erwachsenen Menschen. Daß es noch viele kleine, unerforschte Inseln gibt, das glaube ich, besonders im Australischen Archipel … «

      »Ich meine einen ganzen Erdteil, wenn auch nicht allzugroß, aber sicher so groß wie ganz Großbritannien, und wenn das ganz einsam im Weltmeer liegt, warum soll man es dann nicht als einen Erdteil für sich bezeichnen? Und wenn ich Ihnen nun sage, daß es noch solch einen unbekannten Erdteil gibt?«

      Und dabei blickte der Junge mich in einer Weise an, daß ich ganz baff wurde.

      »Sie wollen mich wohl veralbern?«

      »Durchaus nicht, und ebensowenig bin ich verrückt. Aber, Herr Kapitän – wenn ich Ihnen nun damals, als ich zuerst als Schiffbrüchiger an Bord Ihrer ›Sturmbraut‹ kam, alles erzählt hätte, was ich beabsichtigte, wie ich den Negern im Handumdrehen alles Gold abnehmen wolle, daß ich gleich zum reichen Manne würde, daß ich hier diese Leuchtturminsel, selbst für die Engländer unerreichbar, schon damals als mein Eigentum betrachtete, und so weiter und so weiter – wenn ich Ihnen von diesen meinen Plänen erzählt hätte – würden Sie mich nicht für einen Narren, für einen Wahnsinnigen gehalten haben? Würden Sie mich nicht mindestens verlacht haben?«

      Er hatte recht, hundertmal recht!!

      »Nein, Herr Kapitän Algots, ich zweifle an nichts mehr, was Sie mir sagen – ich darf gar nicht mehr zweifeln.«

      »Und so sage ich Ihnen, daß es in der Welt noch einen unbekannten Erdteil gibt, der erst noch entdeckt werden muß.«

      »Unfaßbar – mir unfaßbar!« konnte ich trotz meiner vorigen Erklärung nur flüstern.

      »Haben Sie nicht eine kleine Ahnung, wo der kleine Erdteil oder die riesig große Insel liegen könnte?«

      Ich marschierte im Geiste schnell einmal um die ganze Erde herum, mehrmals, die verschiedensten Breitengrade einhaltend – – nein, da die Polarregionen ja nicht in Betracht kommen sollten, wußte ich auf unserem Planeten keine Gegend, in der sich irgendeine Insel noch hätte verstecken können – und Karlemann sprach von einer Insel, so groß wie ganz Großbritannien, und wenn so etwas ganz isoliert liegt, kann man es ja auch wirklich einen eigenen Kontinent nennen, mit mehr Recht als Europa, welches doch nur ein ganz kleiner Teil von Asien ist, der Geographie nach beurteilt.

      »Nein – das ist für mich ein unfaßbares Rätsel.«

      »Desto besser. Wollen wir zusammen Kumpe machen?«

      »Ob wir was zusammen machen wollen?« fragte ich verwundert.

      »Na, Kumpe – Sie wissen doch – Kumpe – wollen wir?«

      Da erinnerte ich mich, dieses Wort doch schon einmal gehört zu haben.

      »Sie meinen Kompanie?«

      »Jawohl – auf deutsch Kumpe. Wollen wir?«

      »Inwiefern Kompanie oder Kumpe?«

      »Na, wir wollen diesen Erdteil zusammen entdecken.«

      Nun soll man aus so etwas klug werden! Ich fing doch wieder etwas zu zweifeln an.

      »Wo soll denn der Erdteil liegen?«

      »Westwärts. Geradeso wie auch Kolumbus westwärts fuhr, um Indien auf dem Seewege zu erreichen und dabei zufällig Amerika entdeckte.«

      Der Junge besaß doch größere Kenntnisse, als ich manchmal annahm.

      Und wie ich so Kolumbus auf seiner Fahrt nach Amerika verfolgte – nur so, weil man sich doch bei allem etwas denken muß — da plötzlich ging mir eine Ahnung auf.

      »Diese große, noch unbekannte Insel soll doch nicht etwa in – in … «

      »Na, na?« ermunterte mich Karlemann, als ich die Vermutung gar nicht auszusprechen wagte.

      » … in der großen Fucusbank von Sargasso liegen?!«

      »Erraten.«

      Ja, dann freilich!

      Ich will hier gleich anführen, was der Leser darüber wissen muß.

      Der Fucus oder Seetang, auf portugiesisch sargago, ist eine Wasserpflanze, die auf der nördlichen Hälfte unserer Erdkugel überall im Meere vorkommt. Es ist die größte und längste Pflanze, welche es gibt, indem man schon solche von tausend Metern Länge gemessen hat. Die lederartigen, aber hellgrünen Blätter schwimmen, durch eine besondere Art von Luftblasen gehalten, auf dem Wasser, die ganze Pflanze wächst nach unten, bis die Wurzel den Meeresboden erreicht.

      Besonders häufig kommt der Fucus an der portugiesischen und an der schottischen Küste vor. Jeder Sturm wirft hier wie dort ungeheure Massen von Seetang an den Strand. In beiden Ländern wird er gesammelt und entweder gleich als Dünger ins Innere des Landes gefahren oder getrocknet und sofort an der Küste verbrannt. Die Asche heißt in Portugal Varec, in Schottland Kelp, aus ihr wird der größte Teil des im Handel vorkommenden Jods gewonnen, wie überhaupt alle Seepflanzen jodhaltig sind, der Seetang am allermeisten.

      Dann gibt es mitten im Meere solche schwimmende Inseln von Seetang, Fucusbänke genannt, kleine und große, und die allergrößte ist die von Sargasso, zwischen Afrika und Amerika. Diese ganze Gegend des Atlantischen Ozeans wird als Sargassomeer bezeichnet.

      Die Ausdehnung dieser Fucusbank geht vom 16. bis zum 38. nördlichen Breitengrade, das wäre eine Länge von etwa 300 geographischen Meilen, und ihre Breite beträgt durchschnittlich 160 geographische Meilen. Ihre Grenzen sind durch Meeresströmungen ziemlich scharf bestimmt, so daß alles, was darüber hinaus wuchert, abgerissen wird und eben an Küsten antreibt.

      Kann der Leser sich vorstellen, was für eine grüne Wiese das ist, die dort auf offenem Meere seit Urzeiten schwimmt und bis ans Ende der Welt dort schwimmen wird?

      50 000 geographische Quadratmeilen – fünfmal so groß wie Deutschland – und da ist nur die undurchdringliche Kernmasse gemeint, da sind nicht die unzähligen Ausläufer mitgerechnet, die ganze Masse, welche noch so daran herumschwabbelt. Sonst müßte man das Ganze mindestens 200 000 Quadratmeilen schätzen.

      Kolumbus war der erste Mensch, der uns von dieser Fucusbank berichtete. Am 16. September 1492 erblickte er bei Sonnenaufgang eine grüne Wiese, die er nicht gut für Land halten konnte, sie war ja nicht über der Wasserfläche erhaben, sie schaukelte doch auch – dann erkannte er Seetang – willig teilte


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