Seewölfe - Piraten der Weltmeere 35. John Curtis
brüllte er seinen Männern zu. „Dreht euch mal um, bei allen Teufeln der Hölle, da hinten am Strand gibt es Weiber, und zwar eine ganze Menge!“
Unwillkürlich hatte er die Augen zusammengekniffen. Die Sonne, die sich mehr und mehr durch den über der Bucht lagernden Qualm hindurcharbeitete, blendete ihn.
Aber so oft und so lange er auch zum Strand hinüberstarrte – das erregende Bild blieb – ein rundes Dutzend Frauen hatte sich neben den Männern aufgebaut, und sie alle sahen Caligu und seinen Piraten entgegen.
„Mensch – Weiber!“ flüsterte einer der Piraten andächtig. Aber dann warf er seinen Kopf herum und brach in ein dröhnendes Gelächter aus. „Weiber!“ schrie er. „Leute, da drüben gibt es Weiber. Und junge noch dazu, wenn meine Augen mich nicht täuschen. Jungs, die holen wir uns! Beim Satan, das wird ein Fest!“
Ohne daß Caligu irgendeinen Befehl erteilt hatte, griffen sie zu den Riemen. Dann pullten sie aus Leibeskräften.
Das Boot näherte sich schnell dem Strand. An seiner weißleuchtenden Bugwelle erkannten die Spanier, wie eilig es die Schiffbrüchigen hatten, in der Bucht zu landen.
Maria Juanita stand neben dem hünenhaften Portugiesen. In ihren Zügen arbeitete es. Sie besaß scharfe Augen, und deshalb erkannte sie den bunt-zusammengewürfelten Haufen schon von weitem. Die wüsten Gesichter, die großen goldenen Ohrringe, die etliche von ihnen trugen, die roten, grünen, gelben und schwarzen Kopftücher, die sonnengebräunten nackten Oberkörper.
Immer wieder jedoch glitten ihre Blicke zu dem Mann, der am Steuer des Bootes saß. Ein wahrer Riese! durchzuckte es sie. Und je näher das Boot an den Strand heranglitt, desto deutlicher erkannte sie das kühne, scharfgeschnittene Gesicht, die schmale Nase, die sinnlichen, leicht wulstigen Lippen, die breite Narbe, die sich über die linke Wange zog und dem Mann ein wildes Aussehen verlieh. Unter seiner kupferfarbenen Haut spielten beachtliche Muskelpakete, sobald er sich bewegte, sein dichtes, schwarzes Kraushaar rundete das gesamte Bild nur noch ab.
Verstohlen ließ Maria Juanita ihre Blicke über den neben ihr stehenden Portugiesen gleiten. Raoul Calon war ebenfalls ein Mann von hünenhafter Statur, und ein harter Kämpfer, aber im Vergleich zu dem Kerl, der innerhalb der nächsten Minuten auf den Strand der Bucht springen würde, war er nicht mehr als ein primitiver Schläger.
Für beide, für den Portugiesen und für den anderen, würde fortan kein Platz sein. Einer von ihnen würde sterben, das begriff Maria Juanita sofort. Die beiden würden um sie kämpfen, und sie würde dem Sieger gehören.
Über ihre Züge huschte ein grausames Lächeln. Gehören? Das dachten die Männer immer, nur weil sie mehr Kraft hatten als eine Frau. Aber gehören? Nun, sie würde schon sehen, wer hier wem aus der Hand fraß.
Das Boot stieß auf den Strand. Das war genau der Moment, in dem Maria Juanita ihre Gedanken abrupt unterbrach. Der riesige Fremde war mit einem raubtierhaften Satz an Land gesprungen. Seine weißen, makellosen Zähne blitzten im Sonnenlicht. Er stand da und starrte sie an.
„Komm her“, sagte er dann. „Komm her, oder ich hole dich. Du gehörst jetzt mir, du gehörst ab sofort Caligu. Und wer noch seine Pfoten nach dir ausstreckt, dem schlitz ich den Bauch auf!“
Er streckte gebieterisch die Hand aus, während seine Augen vor Erregung funkelten.
Maria Juanita stand wie erstarrt, und ebenso die anderen Frauen, hinter diesen die Männer und zu ihrer Linken der riesige Calon.
Aber an ihn dachte sie erst wieder, als er sich plötzlich bewegte. Er trat ein paar Schritte vor, auf Caligu zu.
„Wenn du sie haben willst, dann mußt du mich erst töten. Diese Frau wird dir niemals gehören, solange ich lebe.“
Der Portugiese stand wie ein Baum im weißen Sand der Bucht. Sein Atem ging ruhig, und seine breite Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Er schien nicht sonderlich aufgeregt zu sein, obwohl er bestimmt erkannt hatte, was für einen gefährlichen Gegner er soeben herausgefordert hatte.
Auch Caligu rührte sich nicht. Er blickte den Portugiesen aus seinen schwarzen Augen nur an. Doch dann packte ihn plötzlich die Wut. Es hatte bisher noch keinen Menschen auf der Welt gegeben, der ihm, Caligu, etwas streitig machen konnte, was er haben wollte.
Keinen? Wirklich keinen?
Caligu erschien blitzartig das Bild des Seewolfs, das sich in sein Gehirn eingebrannt hatte. Doch, dieser eine hatte ihm nicht nur das Schiff, das er kapern wollte, streitig gemacht, sondern ihm und seinen Männern auch noch eine vernichtende Niederlage zugefügt.
Dieser Gedanke ließ die Wut Caligus übermächtig werden. Mit einem lauten Schrei riß er sein langes Entermesser aus dem Gürtel. Gleichzeitig sprang er auf den Portugiesen zu.
„Dann stirb, du Hund!“ brüllte er.
Die Klinge seiner Entermessers stieß in einem blitzschnellen Ausfall nach vorn, aber der Portugiese war auf der Hut und wich dem tödlichen Stich ebensoschnell aus.
Und jetzt hielt auch er sein Messer in der Faust. Seine Klinge zuckte vor, so schnell, daß Maria Juanita und die anderen diesem Stich mit den Augen nicht folgen konnten.
Doch auch der Portugiese stach ins Leere, denn Caligu warf sich zur Seite, wirbelte sofort herum und drang erneut auf den Portugiesen ein. Sein rechter Fuß zuckte hoch und traf den Portugiesen in die Seite.
Der Portugiese wurde von dem Tritt zur Seite geschleudert. Er strauchelte, und sofort war Caligu heran. Seine Messerhand stieß hoch, aber wieder hatte er den Portugiesen unterschätzt. Der fuhr blitzschnell herum, packte den Messerarm seines Gegners und zog Caligu mit einem Ruck über seine Schulter.
Der riesige Pirat schlug in den weißen Sand. Sofort warf sich der Portugiese auf ihn. Die beiden Männer rangen erbittert miteinander. Sie wälzten sich durch den Sand, ihre Messer blitzten in der Sonne, aber keinem gelang der entscheidende Stich,
Caligu barst fast vor Zorn. Er spannte alle seine Muskeln und warf sich genau in dem Moment herum, als der Portugiese seinen Griff für einen Bruchteil einer Sekunde lokkerte, um sich in eine günstigere Position zu bringen.
Mit einem weiteren Ruck, in den Caligu seine ganze ungeheure Körperkraft legte, gelang es ihm, die eiserne Klammer, die seinen Messerarm noch immer gepackt hielt, zu sprengen. Sofort stieß er mit den Ellenbogen nach, dann mit dem Knie und zuletzt mit dem Kopf.
Das war selbst für den hünenhaften Calon zuviel. Er stöhnte und wollte sich zur Seite wälzen, um aufzuspringen und der gefährlichen Reichweite von Caligus Messerhand auszuweichen. Aber er schaffte es nicht mehr, er war angeschlagen und damit nicht mehr schnell genug für einen Gegner wie den riesigen Piraten.
Zwar gelang es dem Portugiesen noch, sich zur Seite zu rollen. Auch aufzuspringen vermochte er noch, aber dann traf ihn das Entermesser Caligus. Er hatte es geworfen, und es bohrte sich dem Portugiesen bis ans Heft in die Brust.
Es war, als hätte eine Gigantenfaust die Bewegungen des Portugiesen gestoppt. Caligu sah ihn stehen, sah das Zittern, das durch Calons mächtigen Körper lief, dann stürzte der Portugiese. Ein Blutschwall brach aus seinem Mund, und ein letztes gurgelndes Stöhnen entrang sich seiner Kehle, seine Beine zuckten noch ein paarmal hin und her, dann lag er still.
Caligu drehte sich um, nachdem er das Messer aus der Brust des Toten gerissen hatte.
„Noch jemand?“ fragte er drohend.
Dabei hob er die Klinge seines Entermessers leicht an, und unwillkürlich wichen die Spanier, die hinter den Mädchen standen, zurück. Eines der Mädchen schrie, andere fielen um, aber Caligu rührte das nicht. Aus seinen schwarzen funkelnden Augen starrte er Maria Juanita an.
„Komm her“, sagte er wieder.
Und diesmal gehorchte Maria Juanita. Langsam, wie in Trance, ging sie auf Caligu zu, bis sie direkt vor ihm stand. Sie hatte keinen Blick für den Toten, um den herum sich der Sand langsam rot färbte, sie sah nur den Piraten an. Ihr Atem ging schwer.
Der