E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen. ÐрнÑÑ‚ Гофман
tief aufseufzte: »Zulema!« – Zur Bildsäule erstarrt vermochte Aguillar nicht die Tat zu vollenden. »Unseliger«, rief er, »welch einen Namen nanntest du?« – »Stoße zu«, stöhnte der Mohr, »stoße zu, du tötest den, der dir Tod und Verderben geschworen hat. Ja! wisse, verräterischer Christ, wisse, daß es Hichem der letzte des Stammes Alhamar ist, dem du Zulema raubtest! – Wisse, daß jener zerlumpte Bettler, der mit den Gebärden des Wahnsinns in eurem Lager umherschlich, Hichem war, wisse daß es mir gelang, das dunkle Gefängnis, in dem ihr Verruchte das Licht meiner Gedanken eingeschlossen, anzuzünden, und Zulema zu retten.« »Zulema –Julia lebt?« rief Aguillar. Da lachte Hichem gellend auf im grausigen Hohn: »Ja sie lebt, aber Euer blutiges dornengekröntes Götzenbild hat mit fluchwürdigem Zauber sie befangen und die duftende glühende Blume des Lebens eingehüllt in die Leichentücher der wahnsinnigen Weiber, die Ihr Bräute Eures Götzen nennt. Wisse, daß Ton und Gesang in ihrer Brust wie angeweht vom giftigen Hauch des Samums erstorben ist. Dahin ist alle Lust des Lebens mit Zulemas süßen Liedern, darum töte mich – töte mich, da ich nicht Rache zu nehmen vermag an dir, der du mir schon mehr als mein Leben entrissest.« Aguillar ließ ab von Hichem und erhob sich, sein Schwert von dem Boden aufnehmend langsam. »Hichem«, sprach er: »Zulema, die in heiliger Taufe den Namen Julia empfing, wurde meine Gefangene im ehrlichen offenen Kampf. Erleuchtet von der Gnade des Herrn, entsagte sie Mahoms schnödem Dienst und was du verblendeter Mohr bösen Zauber eines Götzenbildes nennst, war nur die Versuchung des Bösen, dem sie nicht zu widerstehen vermochte. Nennst du Zulema deine Geliebte, so sei Julia, die zum Glauben Bekehrte, die Dame meiner Gedanken, und sie im Herzen, zur Glorie des wahren Glaubens will ich gegen dich bestehen im wackern Kampf. Nimm deine Waffen und falle gegen mich aus wie du willst nach deiner Sitte.« Schnell ergriff Hichem Schwert und Tartsche, aber auf Aguillar losrennend, wankte er laut aufbrüllend zurück, warf sich auf das Pferd, das neben ihm stehen geblieben und sprengte gestreckten Galopps davon. Aguillar wußte nicht was das zu bedeuten haben könnte, aber in dem Augenblick stand der ehrwürdige Greis Agostino Sanchez hinter ihm und sprach sanft lächelnd: »Fürchtet Hichem mich oder den Herrn, der in mir wohnt und dessen Liebe er verschmäht?« Aguillar erzählte alles was er von Julia vernommen und beide erinnerten sich nun wohl an die prophetischen Worte Emanuelas, als Julia verlockt von Hichems Zithertönen alle Andacht im Innern ertötend, den Chor während des Sanctus verließ.
Der Kapellmeister. Ich denke an keine Oper mehr, aber das Gefecht zwischen dem Mohren Hichem im Schuppenharnisch und dem Feldherrn Aguillar ging mir auf in Musik. – Hol es der Teufel! – wie kann man nun besser gegeneinander ausfallen lassen als es Mozart im Don Giovanni getan hat. Ihr wißt doch – in der ersten -
Der reisende Enthusiast. Still Kapellmeister! Ich werde nun meiner schon zu langen Erzählung den letzten Ruck geben. Noch allerlei kommt vor, und es ist nötig die Gedanken zusammenzuhalten, um so mehr, da ich immer dabei an Bettina denke, welches mich nicht wenig verwirrt. Vorzüglich möcht ich gar nicht, daß sie jemals etwas von meiner spanischen Geschichte erführe und doch ist es mir so, als wenn sie dort an jener Türe lauschte, welches natürlicherweise pure Einbildung sein muß. Also weiter.
Immer und immer geschlagen in allen Gefechten, von der täglich-stündlich zunehmenden Hungersnot gedrückt, sahen sich die Mauren endlich genötigt, zu kapitulieren und im festlichen Gepränge unter dem Donner des Geschützes zogen Ferdinand und Isabella in Granada ein. Priester hatten die große Moschee eingeweiht zur Kathedrale und dorthin ging der Zug, um in andächtiger Messe, im feierlichen Te deum laudamus dem Herrn der Heerscharen zu danken für den glorreichen Sieg über die Diener Mahoms, des falschen Propheten. Man kannte die nur mühsam unterdrückte, immer neu aufgeifernde Wut der Mohren und daher deckten Truppenabteilungen, die durch entferntere Straßen schlagfertig zogen, die durch die Hauptstraße sich bewegende Prozession. So geschah es, daß Aguillar an der Spitze einer Abteilung Fußvolks eben auf entfernterem Wege sich nach der Kathedrale, wo das Amt schon begonnen, begeben wollte, als er sich plötzlich durch einen Pfeilschuß an der linken Schulter verwundet fühlte. In demselben Augenblick stürzte ein Haufen Mohren aus einem dunklen Bogengange hervor, und überfiel die Christen mit verzweifelnder Wut. Hichem an der Spitze rannte gegen Aguillar an, dieser nur leicht verletzt, kaum den Schmerz der Wunde fühlend, parierte geschickt den gewaltigen Hieb und in demselben Augenblick lag auch Hichem mit gespaltenem Kopf zu seinen Füßen. Die Spanier drangen wütend ein auf die verräterischen Mohren, die bald heulend flohen und sich in ein steinernes Haus warfen, dessen Tor sie schnell verschlossen. Die Spanier stürmten heran, aber da regnete es Pfeile aus den Fenstern, Aguillar befahl Feuerbrände hineinzuwerfen. Schon loderten die Flammen aus dem Dache hoch auf, als durch den Donner des Geschützes eine wunderbare Stimme aus dem brennenden Gebäude erklang: »Sanctus – Sanctus Dominus deus Sabaoth.« – »Julia – Julia!« rief Aguillar in trostlosem Schmerz, da öffneten sich die Pforten, und Julia im Gewande der Benediktiner-Nonne trat hervor mit starker Stimme singend: »Sanctus – Sanctus dominus deus Sabaoth«, hinter ihr zogen die Mohren in gebeugter Stellung die Hände auf der Brust zum Kreuz verschränkt. Erstaunt wichen die Spanier zurück und durch ihre Reihen zog Julia mit den Mohren nach der Kathedrale – hineintretend intonierte sie das: »Benedictus qui venit in nomine domini.« Unwillkürlich, als komme die Heilige vom Himmel gesendet, Heiliges zu verkünden den Gesegneten des Herrn, beugte das Volk die Knie. Festen Schrittes, den verklärten Blick gen Himmel gerichtet, trat Julia vor den Hochaltar zwischen Ferdinand und Isabellen, das Amt singend und die heiligen Gebräuche mit inbrünstiger Andacht übend. Bei den letzten Lauten des: »Dona nobis pacem«, sank Julia entseelt der Königin in die Arme. Alle Mohren, die ihr gefolgt, empfingen, zum Glauben bekehrt, selbigen Tages die heilige Taufe.
So hatte der Enthusiast seine Geschichte geendet, als der Doktor mit vielem Geräusch eintrat, heftig mit dem Stock auf die Erde stieß und zornig schrie: »Da sitzen sie noch und erzählen sich tolle fantastische Geschichten ohne Rücksicht auf Nachbarschaft und machen die Leute kränker.« – »Was ist denn nun wieder geschehen, mein Wertester«, sprach der Kapellmeister ganz erschrocken. »Ich weiß es recht gut«, fiel der Enthusiast ganz gelassen ein. »Nichts mehr und nichts weniger, als daß Bettina uns stark reden gehört hat, dort ins Kabinett gegangen ist und alles weiß.« – »Das habt Ihr nun«, sprudelte der Doktor, »von Euren verdammten lügenhaften Geschichten, wahnsinniger Enthusiast, daß Ihr reizbare Gemüter vergiftet – ruiniert, mit Eurem tollen Zeuge; aber ich werde Euch das Handwerk legen.« – »Herrlicher Doktor!« unterbrach der Enthusiast den Zornigen, »ereifert Euch nicht und bedenkt, daß Bettinas psychische Krankheit psychische Mittel erfordert und daß vielleicht meine Geschichte« – »Still still«, fiel der Doktor ganz gelassen ein, »ich weiß schon, was Ihr sagen wollt.« – »Zu einer Oper taugt es nicht, aber sonst gab es darin einige sonderbar klingende Akkorde.« So murmelte der Kapellmeister, indem er den Hut ergriff und den Freunden folgte.
Als drei Monat darauf der reisende Enthusiast der gesundeten Bettina, die mit herrlicher Glocken-Stimme Pergoleses Stabat mater (jedoch nicht in der Kirche, sondern im mäßig großen Zimmer) gesungen hatte, voll Freude und andächtigen Entzückens die Hand küßte, sprach sie: »Ein Hexenmeister sind Sie gerade nicht, aber zuweilen etwas widerhaarigter Natur«, »wie alle Enthusiasten«, setzte der Kapellmeister hinzu.
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