Sophienlust Staffel 8 – Familienroman. Diverse Autoren
lag ihr eine heftige Antwort auf der Zunge. Aber nach dem heftigen Rippenstoß, den sie von Karl Kunze erhielt, unterdrückte sie sie.
»Guido, sei doch vernünftig«, schmeichelte sie. »Schließlich bist du ein verheirateter Mann.«
»Ich habe dir versprochen, mich scheiden zu lassen und…«
»Versprochen! Was ist das schon? Sei doch ehrlich gegen dich selbst. Im Grunde genommen möchtest du deine Frau und deine Kinder nicht verlassen. Karl ist ein freier Mann. Wenn wir wollen, können wir sofort zum Standesamt gehen. Trotzdem bitte ich dich darum, mein Freund zu bleiben.«
»Eine lächerliche Bitte. Zu behaupten, es gäbe Freundschaft zwischen Mann und Frau, das ist Unsinn.«
»Hör’ zu, alter Kumpane«, mischte sich nun Karl Kunze in die immer heftiger werdende Debatte ein. »Egal, wie du dich auch zu Pia stellst, eines steht fest: Wir haben einen mündlichen Vertrag. Das bedeutet, daß du uns Morphium zu liefern hast.«
»Ich denke gar nicht mehr daran.«
»Du wirst wohl daran denken müssen«, erwiderte Karl Kunze kalt.
Keiner von den dreien achtete auf den Gast in der Nische nebenan. Dieter Heidenreich saß auch so, daß man ihn von ihren Plätzen aus nicht sehen konnte. Doch jedes Wort war für ihn verständlich. Erregt lauschte er, als die Debatte zwischen den dreien immer heftiger wurde.
»Du wirst noch einmal Morphium aus dem Maibacher Krankenhaus entwenden«, bestimmte Karl.
»Nein, das werde ich nicht tun.«
»Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als dich anzuzeigen. Anonym natürlich. Pia und ich werden
dann schon weit vom Schuß sein. Tut mir leid, alter Freund, daß ich mit so scharfen Geschützen auffahren muß. Aber mir bleibt keine andere
Wahl.«
»Ihr müßt doch einsehen, daß das Risiko zu groß ist. Ich werde mir etwas anderes ausdenken.« Guido sagte es, um Zeit zu gewinnen. Er wollte seinerseits im Ausland untertauchen. Das ererbte Haus und die Anwaltspraxis würde er zuvor verkaufen. Etwas Geld würde ihm so auf alle Fälle bleiben. Damit wollte er sich ein neues Leben weit vom Schuß aufbauen. Eines Tages würde er dann seine Familie nachholen. Denn Pia, das war ihm klargeworden, war für ihn verloren.
»Ich werde euch Morphium besorgen«, flüsterte er, denn ein Paar hatte sich unweit von ihnen niedergelassen.
»Wir geben dir drei Tage Zeit, Guido. Ansonsten…«
»Okay«, erwiderte er und erhob sich.
Dieter blickte Guido nach, als dieser die Bar verließ. Er hatte erfahren, was er hatte wissen wollen. Sein Verdacht war also nicht unbegründet gewesen. Doch glücklich war er über diese Lösung nicht. Was sollte er tun? Ingrid einweihen? War es für sie nicht genauso schlimm, daß ihr Mann der Dieb war?
Hin und her gerissen von seinen Gefühlen zahlte Dieter und verließ das Lokal. Daß er die Polizei verständigen mußte, war ihm klar. Doch vorher wollte er sich noch mit Denise und Alexander von Schoenecker beraten. Erst danach wollte er die Krankenhausleitung über dieses Gespräch informieren.
Dieter fuhr sofort nach Frankfurt zurück. Gegen Morgen erreichte er Maibach und fiel zu Tode erschöpft ins Bett. Trotzdem erschien er pünktlich in der Klinik. Nur er selbst wußte, wieviel Kraft es ihn kostete, diesen anstrengenden Tag durchzustehen. Glücklicherweise war der nächste Tag wenigstens ein Samstag, an dem er frei hatte.
Schon am frühen Morgen fuhr Dieter nach Sophienlust. Denise und Alexander von Schoenecker luden ihn zum Mittagessen nach Schoeneich ein. Beiden wurde schnell klar, daß er ihren Rat benötigte.
Nach dem Essen zogen sich die Erwachsenen ins Kaminzimmer zurück, wo ihnen der Mokka serviert wurde. Und dort erfuhren die von Schoenekkers von Guidos Machenschaften.
»Also hat sich mein stiller Verdacht bestätigt«, sagte Denise. »Ja, Doktor, es wird für Frau Laurens ein furchtbarer Schlag sein, zu erfahren, daß ihr Mann ein Dieb ist. Was kann man nur unternehmen, um ihr zu helfen?« Ratlos blickte sie Alexander an, der seine Pfeife stopfte.
»Es kommt selten vor, daß du einmal ratlos bist, mein Liebes. Auf alle Fälle sollten wir Frau Laurens morgen zu uns einladen.«
»Ja, Alexander. Alles Weitere wird sich dann wohl finden.«
»Ich habe morgen noch frei. Ich werde Ingrid am frühen Morgen anrufen und ihr sagen, daß ich sie abhole.«
»Wunderbar.« Denise hoffte von ganzem Herzen, daß Dr. Heidenreich mit Ingrid Laurens über ihren Mann sprechen würde, so daß ihr selbst dieses Gespräch erspart bleiben würde. Denn es würde ihr unendlich schwerfallen, der jungen Frau so weh tun zu müssen.
Doch alles kam dann anders, als sie erwartet hatten.
*
Guido hatte nach einer qualvollen Nacht München verlassen, um nach Maibach zu fahren. Er war fest entschlossen, noch einmal sein Glück herauszufordern und Deutschland zu verlassen, sobald Karl ihm die Ware bezahlt haben würde.
Als es läutete, war Ingrid der Meinung, daß Dieter Heidenreich zu Besuch komme. »Du?« fragte sie erstaunt, als sie Guido erblickte.
»Ist es denn etwas Außergewöhnliches, wenn ein Ehemann seine Ehefrau unangemeldet besucht?« parierte er mit den gleichen Worten, die Ingrid bei ihrem Besuch in München gebraucht hatte.
»Natürlich nicht. Ich habe so sehr auf eine Nachricht von dir gewartet«, klagte sie ihn an. »Guido, es ist etwas Entsetzliches geschehen. An dem Abend, als du mich im Krankenhaus besuchtest, wurde Morphium aus der Apotheke auf meiner Station gestohlen.«
»Was sagst du da«, rief er mit gespieltem Erschrecken.
»Ja, und ich bin verdächtigt worden. Man hat mich fristlos entlassen.« Ingrid konnte ihren Blick nicht von Guido lösen. Das Zittern seiner Lippen, der angstvolle Ausdruck in seinen Augen traf sie wie Keulenschläge. Sollte Guido… Nein, nein, das ist unmöglich, schob sie ihren Verdacht sofort wieder beiseite. Guido ist Rechtsanwalt. Er ist ein gebildeter Mann, der so etwas niemals tun würde.
»Du bist entlassen worden?« wiederholte er erschreckt und setzte sich. »Das ist eine Gemeinheit. Oder hast du vielleicht doch…«
»Guido, das meinst du doch nicht im Ernst!« rief sie aufgebracht.
»Natürlich nicht. Es war nur ein Scherz.«
»Ein ziemlich makabrer Scherz. Findest du das nicht auch?«
»Es wird schon alles wieder ins reine kommen. Freust du dich denn überhaupt über meinen Besuch?«
»Natürlich.« Aber ihre Antwort entsprach nicht ganz der Wahrheit. Guido war ihr auf einmal seltsam fremd. Dieses Gefühl verließ sie auch nicht, als sie daran dachte, daß er der Vater ihrer Kinder war.
Guido erhob sich wieder und lief nervös hin und her. Tausenderlei Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Karl hatte ihm zur Beschaffung des Morphiums eine Frist gesetzt. Er traute diesem Ganoven ohne weiteres zu, daß er seine Drohung wahrmachen und ihn tatsächlich anzeigen würde.
»Hast du etwas zum Trinken da?« fragte Guido gereizt.
»Bier und Whisky.«
»Ich möchte lieber Wein trinken.« Er blickte zum Fenster hinaus. Draußen war es inzwischen stockdunkel geworden.
Guido faßte einen verzweifelten Plan, der er so schnell wie möglich zur Ausführung bringen wollte. Gelang sein Vorhaben, würde er sich auf der Stelle wieder ins Auto setzen und nach München zurückkehren. Karl würde ihm die Waren sofort abnehmen. Dann würde er selbst noch am gleichen Tag im Ausland untertauchen können.
»Soll ich Wein holen?« Ingrid blickte auf ihre Armbanduhr. »Die Geschäfte sind schon lange zu. Aber in dem Wirtshaus könnte ich…«
»Laß nur, Ingrid, ich hole den Wein. Ich habe einen Mordshunger. Du könntest inzwischen etwas