Vegetarisch leben. Armin Risi

Vegetarisch leben - Armin Risi


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Aspekte – Fazit

      Jährlich werden in den Industrienationen Unsummen in vielfacher Milliardenhöhe ausgegeben, um die gesundheitlichen Schäden der Bevölkerung zu behandeln – wobei immer neue Probleme hinzukommen. Die auffällige Gemeinsamkeit all dieser verschiedenen kranken Menschen ist ihre «normale» bürgerliche Kost.

      Mittlerweile ist es längst erwiesen, dass viele körperliche Beschwerden und Krankheiten, vor allem die Zivilisationskrankheiten, in direktem Zusammenhang mit einer falschen Ernährungsweise stehen, insbesondere einer Ernährung mit zu viel Fleisch und Milchprodukten. Würde genauso viel Geld in die Aufklärung investiert wie in die nachträgliche Behandlung, die meistens nur eine Symptombekämpfung darstellt, dann wäre der Gesundheit der Bevölkerung zweifelsohne mehr gedient.

      Die Menschen unseres Kulturkreises könnten also allesamt problemlos vegetarisch oder vegan leben; es gibt keinen einzigen medizinischen oder ernährungswissenschaftlichen Grund, warum wir Fleisch essen müssten, wohl aber zahlreiche Gründe, warum wir unserer Gesundheit zuliebe darauf verzichten sollten.

      Und die eigene Gesundheit ist beileibe nicht die einzige Verantwortung, die wir haben: Der zivilisierte Mensch ist heute aufgefordert, über seinen Tellerrand hinauszuschauen.

      Kapitel 2

      FLEISCHPRODUKTION, WELTHUNGER UND NATURZERSTÖRUNG

      «Die Erde hat genug für die Bedürfnisse eines jeden Menschen, aber nicht für seine Gier.»

(Mahatma Gandhi)

      Im 4. Jahrhundert v. Chr. verfasste der griechische Philosoph Platon sein berühmtes Werk Politeia (dt. Der Staat), das verschiedene Reden seines Lehrers Sokrates enthält. Unter anderem spricht Sokrates darüber, wie ein Staat seine wirtschaftliche Grundlage gesund erhalten kann. Er betont dabei, dass dies am besten auf der Grundlage einer allgemeinen vegetarischen Ernährung möglich ist: «So werden sie ihr Leben friedlich und gesund hinbringen und aller Wahrscheinlichkeit nach wohlbetagt sterben, ihren Nachkommen ein ebensolches Leben hinterlassend.»

      Danach warnt Sokrates, dass mehr Weideland benötigt werde, sobald die Menschen begännen, den Tierbestand zu erhöhen, um zusätzlich Schlachttiere zu halten: «Und das Land, das ursprünglich groß genug war, um all seine Bewohner zu ernähren, wird auf einmal zu klein sein. Also werden wir von den Nachbarn Land abschneiden müssen, wenn wir genug haben wollen zur Viehweide und zum Ackerbau, und sie auch wiederum von unserem, wenn sie sich ebenfalls gehen lassen und – die Grenzen des Notwendigen überschreitend – nach unangemessenem Besitz streben. Und so werden wir von dann an Kriege führen müssen.» (Politeia, II.13-14)

      Es ist bemerkenswert, dass dem Philosophen Sokrates nicht nur die ethischen und gesundheitlichen Nachteile des Fleischessens bekannt waren, sondern offensichtlich auch die ökonomischen. Er weist mit Recht darauf hin, dass die Erde genug Nahrung für alle ihre Bewohner hervorbringt, dass aber ein Fehlverhalten von nur wenigen Menschen schon weittragende Folgen haben kann.

      Welch verhängnisvolles Ausmaß diese Folgen heute angenommen haben, geht allerdings weit über Sokrates’ Befürchtungen hinaus. Der Teufelskreis, der durch den Konsum von Fleisch ausgelöst wird, ist wahrscheinlich das typischste Beispiel für den Zusammenhang von menschlicher Unvernunft und blinder Zerstörung.

      Nahrungsmittel- und Geldverschwendung

      Fleisch ernährt wenige auf Kosten vieler, denn für die Produktion von Fleisch wird wertvolles Getreide, das die Menschen direkt ernähren könnte, an Tiere verfüttert; in Europa sind das etwa 60% des erzeugten Getreides. Laut amtlichen Angaben des Landwirtschaftsministeriums der Vereinigten Staaten werden in Amerika über 90% des angebauten Getreides an Schlachttiere (Rinder, Schweine, Schafe, Hühner usw.) verfüttert. Oder anders ausgedrückt: An die Schlachttiere Amerikas wird jährlich mehr Getreide verfüttert, als die Bevölkerung von Indien und China zusammengenommen zur Ernährung braucht! (aus: Das Brot des Siegers, S. 27)

      Weltweit gesehen, wird rund 40% der gesamten Getreideernte an Vieh verfüttert, nämlich rund 800 Millionen Tonnen. Von der Getreidemenge, mit der man 100 Schlachtkühe ernährt, könnte man 2000 Menschen Nahrung bieten.

      Alle Schlachttiere auf der ganzen Welt zusammengenommen verbrauchen eine Futtermenge, die dem Kalorienbedarf von 8,7 Milliarden Menschen entspricht – das ist mehr als die gesamte Weltbevölkerung!

      Dieses Verfahren, hochwertige pflanzliche Nahrungsmittel in Fleisch umzuwandeln, ist über alle Maßen verschwenderisch, denn Fleischproduktion ist, was Nahrungsmittelerzeugung betrifft, die schlechteste Form der Bodennutzung: Um ein Rind ein Jahr lang zu mästen, benötigt man 0,5 ha Land. Nach einem Jahr erhält man von diesem Tier rund 300 kg essbares Fleisch. Hätte man während dieses Jahres auf derselben Fläche Getreide oder Kartoffeln angepflanzt, hätte man (mit Bio-Anbau) mindestens 2000 kg Getreide bzw. 15 000 kg Kartoffeln ernten können!

      Anders ausgedrückt: Ein einziges Steak von 225 Gramm enthält soviel Pflanzenenergie, wie benötigt wird, um einen Tag lang rund 40 hungernde Menschen zu ernähren!

      Diese offensichtliche, aber vielfach verdrängte Tatsache wird auch von der namhaften Brockhaus Enzyklopädie erwähnt: «Aus sozioökonomischer Sicht kommt zur Deckung eines angesichts der zunehmenden Weltbevölkerung steigenden Protein- und Kalorienbedarfs nach Auffassung von Experten nur eine Erhöhung des vegetabilen Nahrungsanteils in Frage. Der Umweg über das Tier gilt als besonders verschwenderisch; zur Bildung von 1 kg tierischem Protein werden 5-10 kg Pflanzeneiweiß verbraucht. In Wohlstandsländern wird etwa die Hälfte des Getreides an das Vieh verfüttert oder zu Alkohol umgewandelt. Mit vegetarischer Mischkost können somit erheblich mehr Menschen ernährt werden als mit herkömmlicher Kost.» (Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden, 19. Auflage 1994, Stichwort «Vegetarismus»)

      Die genannte Verschwendung geschieht willentlich und mit knallhartem Kalkül. In den letzten siebzig Jahren, das heißt seit dem Zweiten Weltkrieg, haben finanzstarke Konzerne begonnen, zahllose landwirtschaftliche Kleinbetriebe aufzukaufen und in riesige Kommerzfarmen umzuwandeln, um so das Land mit Monokulturen auszubeuten. Dadurch warfen diese Großplantagen (die hauptsächlich europäischen, amerikanischen und japanischen Chemie-, Versicherungs- und Bankriesen gehören) dreifache und noch höhere Getreideerträge ab. Dies war nur möglich durch den Einsatz von hochtechnologischen Maschinen, chemischem Dünger und Agrargiften. Um zu verhindern, dass aufgrund dieser Überproduktion von Getreide die Preise sinken, mussten die Ernteerzeugnisse «vom Markt ferngehalten» werden, das heißt im Klartext: sie «mussten» entweder gänzlich vernichtet oder aber in großen Mengen verschwendet werden.

      Man stand also vor der Frage, wie man den Getreideüberschuss möglichst profitbringend loswerden konnte. Die Antwort lag auf der Hand: durch vermehrte Fleischproduktion! Und die Rechnung war einfach: Man mästet Schlachttiere mit der überproduzierten Nahrung, die an sich ein totes Kapital darstellt, und verkauft das Fleisch alsdann mit hohem Gewinn.

      Diese Politik führte dazu, dass mittlerweile etwa 80% der landwirtschaftlichen Flächen weltweit für die Viehzucht und Viehhaltung genutzt werden. Und die Prognosen sehen düster aus: Wenn die Entwicklung so weitergeht, werden im Jahr 2050 die Schlachttiere genauso viel pflanzliche Nahrung verbrauchen wie vier Milliarden Menschen. Doch dafür wird gar nicht genug Anbaufläche vorhanden sein …

      Tiere fressen eine viel größere Menge Futter, als ihre Schlachtung Fleisch ergibt, und von allen Tieren ist das Rind am wenigsten dazu geeignet, pflanzliches Protein in tierisches Protein zu verwandeln. Rindfleisch stellt also die «ideale» Verschwendung dar: Ein Kilogramm Rindfleisch entspricht rund 10 Kilogramm Getreide oder Sojabohnen. Die restlichen 9 Kilogramm – also 90% – sind für den Menschen verloren! (Das entsprechende Verhältnis beim Schweinefleisch beträgt rund 1:8, bei Geflügel rund 1:4, bei Eiern rund 1:3 und bei Milch rund 1:5.)

      Diese Verschwendungstaktik der multinationalen Großkonzerne führte zu einem explosionsartig gesteigerten Fleischangebot, und so musste dem Volk der wachsende Fleischberg irgendwie schmackhaft gemacht werden. Über eine groß angelegte Werbung und «wissenschaftliche» Propaganda wurde verkündet, Fleisch sei gesund und wichtig, der Mensch brauche viel Protein, pflanzliches Protein sei minderwertig, Vegetarier und


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