Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
war jetzt hell im Zimmer. Wie Feuer leuchtete der Himmel durch die Fenster. Soweit das Firmament durch die kleinen Öffnungen zu übersehen war, schien es in Flammen zu stehen.
Noch einmal wagte Wellington Fox den Gang bis zur Hoftür. Schon auf dem Flur vom Zimmer bis zum Hofe schlug ihm drückende Hitze entgegen.
Dann stand er einen Augenblick an der geöffneten Tür und sah … wie aus dem Wasserregen ein Feuerregen geworden war.
Nicht mehr Wassertropfen … auch nicht mehr kochendes Wasser … das klare Feuer fiel in Regenform vom Himmel herab. Solchen Anblick mochten die Bewohner Pompejis gehabt haben, als der Vesuv ihre Stadt begrub. Solchen Anblick die Bewohner von Sodom und Gomorra, als ihre Städte im Schwefelregen zugrunde gingen.
Die brennende Hitze trieb Wellington Fox zurück. Er schlug die schwere Bohlentür hinter sich zu und eilte über den Flur wieder in das Zimmer.
Erfrischende Kühle umfing ihn hier. Er blickte nach dem Tisch.
Wo er vor kurzem noch den Krug gesehen hatte, lag jetzt ein gewaltiger massiver Eisblock. Graue Nebel umwallten ihn, liefen über die Tischplatte, fielen schwer zu Boden und wogten durch das Zimmer, um an den Wänden langsam emporzusteigen. Nebel, die eine herbe Kälte durch den ganzen Raum verbreiteten.
Wellington Fox gedachte des Tages, an dem er Georg Isenbrandt vor einem ähnlichen Frostblock in Wierny angetroffen hatte. Er dachte an die Erklärung Isenbrandts damals, daß hier nicht nur das Wasser, sondern die Luft selbst gefriert. Daß Weltraumkälte von dieser Stelle aus ging … und er begann den Plan des Freundes zu begreifen. Da draußen tobte die Wut des Dynotherms, ließ Feuer vom Himmel fallen und vernichtete alles Leben, soweit es in den Ruinen vorhanden war. Hier drinnen bei ihnen in diesem kleinen Raume arbeitete die Macht des Antidynotherms der Glut entgegen und schützte ihr Leben.
Er trat an die Fensterwand und berührte sie. Sie war brennend heiß. Von außen her drang die Glut durch die starken Mauern, bis sie hier durch die Frostschleier gebrochen wurde.
Mit wunderbarer, genau abgemessener Genauigkeit vollzog sich das Spiel und Gegenspiel der Riesenkräfte und ließ in der brennenden und verglühenden Ruinenstadt hier allein einen Ort, an dem das Leben dauern und den allgemeinen Untergang überstehen konnte.
Mit Staunen und Grauen sahen die Eingeschlossenen das furchtbare Schauspiel. Ihre Lippen waren längst verstummt. Auch dem sonst nie um Worte verlegenen Fox fehlte die Sprache.
Hätte das Blatt mit Isenbrandts Worten nicht vor ihnen gelegen, sie hätten geglaubt, der Jüngste Tag bräche herein.
Sie saßen und sahen wie gelähmt das Furchtbare sich vollziehen.
Wann würde es enden?
Unablässig fiel das Feuer … bis es nach langer Zeit schwächer wurde.
Nur noch matt glänzten jetzt die Fensteröffnungen. Ganz allmählich ging dort der gelbe Schimmer in einen grünlichen über. Tiefer wurde das Grün und spielte ins Blau hinüber.
Eine Viertelstunde … und dann noch eine.
Ein Geräusch schreckte sie aus ihrer Erstarrung empor.
Ein Rasseln an der Außentür. Ein Poltern, als ob sie in Trümmern zusammenstürzte.
Dann Schritte auf dem Flur.
Die Tür zum Zimmer wurde aufgerissen. Rotgolden flutete das Licht der Abendsonne in den Raum. Vor ihnen stand Georg Isenbrandt.
»Hurra! Gerettet!« schrie Wellington Fox.
Mit erhobenen Armen eilte Theodor Witthusen auf den Retter zu.
Doch der sah sie beide nicht. Seine Augen waren auf Maria gerichtet, die jetzt wie unter einem inneren Zwange auf ihn zuschritt.
Ihre Hände verschlangen sich. Ihre Blicke versenkten sich sekundenlang ineinander.
»Maria!«
»Georg!«
*
Mr. Garvin streifte nachdenklich die Asche von seiner Zigarre. Sein Blick glitt über die Abhänge des Matteostocks und die blaue Flut des Stillen Ozeans, um dann an der Gestalt von Wellington Fox haften zu bleiben, dessen Profil sich scharf gegen den azurfarbenen Himmel abhob.
Anders als damals in Wierny blickte Francis Garvin heute auf den Journalisten, der in lässiger Haltung auf der schmalen Balustrade saß und vergnügt mit den Beinen schlenkerte, als hätte er eben irgendeine Belanglosigkeit zum besten gegeben. Schon der gute Humor, mit dem Fox seine Abenteuer in Urga und Karakorum erzählte, hatte dem kühlen Geschäftsmann gefallen. Ein Mann, der mit solchem Gleichmut von schwersten Lebensgefahren sprach, mußte doch etwas anderes sein, als Garvin bei dem ersten Hören von dessen Namen gefürchtet hatte.
»Und niemand hat außer Ihnen beizeiten die schwere Gefahr erkannt und entdeckt, die unser Land bedroht?«
»Keine Seele! Als ich dem Meister unseres Weißen Ordens hier in Frisko die nötigen Mitteilungen machen wollte, feierten sie gerade das hohe Fest des Holundermarks …«
Garvin schaute ihn fragend an.
»Was? … Was ist das?«
»Was das ist, Mr. Garvin? Ein Humbug in Reinkultur, der aber von der an sich guten und gesunden Organisation nicht zu trennen ist. Der Meister hatte gerade die Zeremonie beendet, als ich ihn um eine Unterredung bat.
Ich habe selten ein so erstauntes Gesicht gesehen wie das von … pardon, ich darf Ihnen den Namen nicht nennen, da Sie nicht Mitglied sind … Ein so erstauntes Gesicht bei einem Manne, der doch sonst als kluger und energischer Politiker bekannt ist.«
Garvin lachte.
»Und weiter?«
»Ich mußte es bewundern, wie schnell und richtig er dann aber die Sache anfaßte und seine Maßnahmen traf. Da war es im Augenblick mit all dem komischen Beiwerk aus.«
»Wurden Sie nicht daraufhin um dreizehnundeinenhalben Grad hinaufbefördert?«
»Stopp, Sir! Wenn Sie heut in sechs Wochen noch sind, was Sie heute sind, werden Sie es nicht in letzter Linie dem Weißen Orden und seinen Holundermännern verdanken. Wer unseren Orden mit den alten Ku-Klux-Klan-Leuten vor hundertfünfzig Jahren verwechselt, der befindet sich in einem schweren Irrtum. Die Parole: ›Reinhaltung der weißen Rasse‹ ist dieselbe geblieben. Auch viele von den mittelalterlich anmutenden Gebräuchen und Zeremonien haben sich noch erhalten. Aber der Geist ist ein ganz anderer geworden … und andere Wege verfolgt er zu seinem Ziel. In den kommenden Wochen wird er die Feuerprobe bestehen …«
Garvin wiegte in leisem Bedenken das weißbuschige Haupt.
»Ich bezweifle die Richtigkeit Ihrer Mitteilungen nicht, lieber Fox. Doch möchte es mir scheinen, als ob Sie die Gefahr als zu groß ansehen …«
Wellington Fox deutete mit der Hand auf die blaue Küste.
»Meine Ansicht ist die, Mr. Garvin, daß es sich empfehlen dürfte, Ihre Jacht fahrbereit Tag und Nacht hier unten zu Ihrer Verfügung liegen zu haben … Es sei denn, daß Ihre Liebe zu Helen nicht so groß wäre als meine …«
»Was ist mit Helen? … Was soll Helen?«
Mit einem Sprunge war Helen über den Marmorboden hin auf die beiden zugeeilt. Fox glaubte, sie wolle ihm um den Hals fallen, fühlte sich aber mit einem energischen Ruck nach vorn gezogen, daß er beinahe mit der Nase den Boden berührte. Ein kräftiger Klaps von Helens kleiner Hand bewies ihm noch näher, daß er mit seiner ersten Vermutung im Irrtum gewesen war.
»Wellington! … Was bist du für ein fürchterlicher Mensch! … Du sitzt da auf der Balustrade wie in einem Klubsessel, während es hinter dir fünfzig Meter in die Tiefe geht. Und du, Pa, siehst das mit an?!«
Der alte Garvin schmunzelte.
»Ich halte Mr. Fox für viel zu klug, um hier herunterzufallen … Und wenn er’s täte, würde es ihm wahrscheinlich auch nichts schaden.«
»Pa