Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
sein Haus gekommen. Der Weg in der frischen Luft hatte ihm die volle Spannkraft wiedergegeben. Neue Pläne, eben aufgetaucht, sah er schon in Entwicklung. Guy Rouse, der Name sollte nicht verschwinden mit dem Kanal, den der Teufel geholt hatte!
Die beiden Sekretäre konnten kaum dem folgen, was sein Geist, übersprudelnd von neuen Plänen, neuen Ideen, ihnen sagte. Mit jedem Wort wuchs seine Zuversicht. Die sollten sich irren, die da glaubten, ihn begraben zu wissen.
Ein kleines rotes Lämpchen an seinem Schreibtisch war aufgeglüht. Er ging darauf zu. Der Fernschreiber arbeitete. Es war die Chiffre, die nur er allein kannte. Er hob den schmalen Papierstreifen zum Gesicht, las.
Und wie wenn seine Hände eine Stromleitung erfaßt hätten, klebten sie an dem Streifen.
»Christie Harlessen durch U-Boot unbekannter Herkunft befreit.
Besatzung des Atolls gefangen weggeführt.«
Seine geballten Hände hoben sich über seinen Kopf, als wollten sie den zerschmettern, der das getan; fielen dann in furchtbarem Schlag auf den kleinen Fernschreibapparat, der klirrend in Trümmer ging.
»Christie Harlessen!« Er schrie es wie zu Tode verwundet. Und dann war ihm gewesen wie dem Riesen, dem das Schwert eines Schwachen die Sehnen durchschlagen. Er war zusammengebrochen. Vergessen die Pläne zur Rettung, zum neuen Aufstieg. Er übergab alles einem Sachwalter, hinterließ Vollmacht für alles. Aus den USA flog er mit einer Düsenmaschine nach Europa, zur Riviera, wo der letzte Anker lag, der ihn noch an die Erde band … Juanita.
Der Wipfel der Pinie, an deren Stamm Johannes Harte hingesunken war, bog sich unter den wütenden Stößen des Sturmes, der vom Isthmus her über die See brauste. Grelle Blitze, die aus der dunklen Wolkenwand im Westen aufzuckten, kündeten den nahen Orkan.
Schwere Regentropfen fielen, trafen auch den, der dort unter dem Baum lag. Er rührte sich nicht. Wie ein Toter lag er da. Da war es wie schwerer Flügelschlag durch den brausenden Sturm.
Ein Schwingenflieger? Ein großer Vogel? Kein lebendiges Wesen, das sich in diesem Sturm in der Luft halten, ihm entgegen den Weg finden könnte.
Über die Hütte hinweg glitt es zu Boden neben den, der da am Boden lag. Sekundenlang traf das Mondlicht durch die jagenden Wolken hindurch die Erde.
Ein riesiger Vogel? Ein Adler? Die Schwingen weit ausgereckt. Ein gewaltiger Geier, der auf den letzten Atemzug seiner Beute wartete?
Der Liegende schien von Minute zu Minute schwächer zu atmen.
Kaum noch hob sich die Brust. Das Dunkle, Graue war an seiner Seite, wie wartend auf den letzten Atemzug. Das durchbrechende Mondlicht traf sekundenlang das bleiche Gesicht eines Toten … Kein Atemzug. Die Lippen weit geöffnet, der letzte Hauch ihnen entströmt. Das Dunkle, Graue senkte sich tiefer über den Liegenden hinab, schien ihn ganz zu umgeben.
Ein schwerer Blitz, ein Flammenmeer schien die ganze Atmosphäre.
Ein rasender Donner, rollend zu den Kontinenten … über die Erde. Dann plötzlich Ruhe, als hätte eine übermächtige Gewalt in das Rasen der Elemente eingegriffen. Die jagenden Wolken, fast still standen sie am Firmament. Der Sturm war wie durch Zaubermacht gebändigt … ein leises Wehen.
Ein heller Schimmer am Osthimmel kündigte den Anbruch des neuen Tages an. Der Kampf der Gestirne, die der Nacht wichen. In grauem Zwielicht Luft, Meer und Erde.
Der Schatten am Boden war klein, wie in sich zusammengebrochen … kleiner werdend … ein Schimmer nur noch und verschwindend im Morgendämmer.
Wende! Neugeburt!
Ein Zittern ging durch die Gestalt des am Boden Liegenden. Die Lippen bebten, sogen die Morgenluft ein. Wie aus Todesschlaf erwachend, hob sich seine Brust. Die Hände griffen nach hinten, streckten sich zu Boden, der Körper, dem Druck folgend, hob sich. Er stand auf, schaute sich um.
Da brach über die Kimm der See der rote Feuerball der Sonne, die finsteren Gewalten der dunklen Nacht vor sich hin in die Flucht treibend.
Der Mann stand, die Arme weit ausgebreitet, als wolle er die Siegerin empfangen. Er stand, harrte, bis sie leuchtete in strahlender Größe, die Sonne, Licht des Tages, das Licht der Tat. Und sich beugend vor der Majestät, schlug er die Hände vor die Augen, neigte sich vor ihr. Die Tat! Vom Schicksal geboten. Er, der Diener. Die neue, noch größere Tat.
Seine Schultern, wie hatten sie gebebt unter der Bürde der letzten … kleineren.
Jetzt! Die Gestalt stand hoch aufgerichtet, wie gewachsen im Sonnenlicht. Das große, das ganz große Werk lag noch vor ihm, dem Vollbringer des größten. Seine Arme strafften sich. Er blickte auf seine rechte Hand. Drei Ringe … wo gestern zwei waren! Sein Auge starrte nach allen Seiten, als könnte er’s nicht fassen …
Wo kam der dritte Ring her, aus dem die neue Kraft zu dem neuen, größeren Werk erwuchs?
Atlantis! Da war’s. Das Wort, das der Alte in Pankong zu ihm gesprochen hatte. Das letzte große Ziel seines Lebens, bevor er einging ins letzte Paradies.
Atlantis! Einst die Königin, die Herrscherin der Welt. Untergegangen durch Schicksalsspruch. Neu erstanden, erweckt zu neuem Leben für die Menschheit … durch dich!
»Atlantis!« Seine Lippen murmelten die Worte vor sich hin.
»Schlafend im Dunkel des Meeresgrundes, gehoben durch dich zum Licht des Tages, neue Stätten der Menschheit bereitend!«
Er schritt zur Hütte. War er es, der gestern noch schwäche taumelnd aus der Hütte wankte? Ein anderer! Ein Größerer, ein Stärkerer … ein neuer Mensch! Die Inkarnation eines Starken!
Werkzeug des Schicksals? Fast Meister des Schicksals jetzt.
Das Flugzeug aus der Halle! Die Apparate hinein. Die starken Schultern spürten kaum die Last der Instrumente. Von Norden her eilte in schneller Fahrt ein U-Boot. Die Freunde!
Das Flugzeug sprang an, gehoben von der energetischen Gewalt des Strahlers. In sausendem Flug stieg es auf, die Bahn der Sonne überholend, verschwand in Mittagshöhe.
Kurs Nordost steuerte das U-Boot durch den Atlantik der Heimat, Europa, Hamburg zu. Seit dem Tage ihrer Abfahrt von Saltadera hatten sie kaum Schlaf gefunden. Was die Wellen des Äthers ihnen aus der Welt, aus Europa zutrugen, war zuviel des Guten, Schönen für ihr Ohr.
Sie kamen nicht los von den Bildern, die der Fernseher zeigte. Wie durch Zauber war das Los der Millionen von Nordeuropa geändert.
Schiffe auf der See, beladen mit Flüchtlingen, auf das große Geschehnis hin hatten sie gewendet, Kurs zur Heimat genommen. In den Hafenstädten in den südlichen Teilen Europas! Die Geflohenen drängten zu jeder Fahrgelegenheit, zurückzukommen zur verlassenen Heimat. In den Hafenstädten der Nordküste herrschte ein einziger Freudentaumel.
Menschen, weinend, lachend, umarmten sich. Der Golfstrom im alten Bett bewegt sich nach Norden … Wärmespender … Lebensspender!
Die Riesenorganisation, mit einem Ruck zum Stocken gebracht, versagte dem plötzlichen Ereignis gegenüber. Jetzt! Keiner der Flüchtlinge schien es erwarten zu können, daß er wieder dorthin zurückkehrte, wo das leere Haus, die verlassene Arbeitsstätte war. Mit Gewalt suchte man sich jeder Fahrgelegenheit zu bemächtigen. Mit Gewalt mußte wieder eingeschritten werden, um ein Chaos zu verhindern. Die großen Tageszeitungen der Welt hatten Reporterflugzeuge entsandt, die dem Golfstrom zur Seite folgten. Die blaue Wellenwand, wie sie sich langsam nach Norden zu bewegte, zeigten die Funkbilder der Fernsehgeräte. Andere Zeitungen hatten ihre Agenten in schnellen Flugzeugen nach Norden gesandt. Die zeigten im Funkbild, wie die Bewohner eines Dorfes zurückkehrten, sich freudig in das alte Nest drängten, zeigten, wie neues Leben sich überall zu regen begann, wie auch in den Landschaften, die noch nicht geräumt, aber zur Räumung verurteilt waren, wie mit Zauberschlag Jammer, Trauer gewichen, wie Aufatmen durch alles ging; die Hände sich mit doppeltem Fleiß zu rühren begannen in gewohnter Arbeit an alter Stätte.
Freude und Jubel überall! Das sterbende Europa war zu neuem Leben aufgewacht, erweckt durch die