Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
Hinweis auf das alte, dort versunkene Land der Glückseligen. Ältester Mythos aus grauester Vorzeit. Eine Sage schon, als die Weltgeschichte anhub.
Wie hatte es ausgesehen, das versunkene Land? Wer hatte es bewohnt? Tausend Fragen. Die Antworten: eine phantastischer als die andere, sich überschlagend. Wie würde es aussehen, wenn … wenn? …
Ja! Was wollte da die geheimnisvolle Macht? Wollte sie das Versunkene heben, bis es dastand, wie es einst gewesen war? Und wie würde es aussehen, was dort auftauchte aus vieltausendjähriger Versunkenheit? Ein neues Pompeji … oder nur ein neues Vineta, wo nur noch wenige Reste, dem Schlick des Meeresgrundes entrissen, davon zeugten, daß die Stätte, wo man es vermutete, die richtige war?
Die andere Frage: Wie war es versunken? Wie war es geschehen, daß eine große Insel, ein Kontinent, wie andere behaupteten, die Brücke zwischen der Alten und der Neuen Welt, vom Meer verschlungen wurde? Ein neuer Streit der Meinungen.
Das eine war sicher. Als vor etwa zwei Millionen Jahren die große Kontinentalscholle auseinander riß und die mächtige Sialscholle des losgerissenen Amerikas auf der plastisch zähen Simamasse unter dem steten Flutdruck ihre Wanderung nach Westen antrat, da blieben abgerissene Schollenfetzen, Grönland im Norden, Atlantis im Süden, als selbständige Inseln, Kontinente, zurück.
Grönland war noch heute auf der Wanderung nach Westen. Atlantis blieb verschwunden. Vielleicht bezeichneten die Azoren, die einst ragende Berggipfel von Atlantis waren, jetzt noch die Stätte des versunkenen Landes. Vielleicht gab die Delphinbank seine Umrisse wieder.
Was war die Ursache der Katastrophe, die nach alter Überlieferung vor dreizehntausend Jahren jäh über das glückliche Land hereingebrochen sein mußte? Schroff standen sich die Meinungen gegenüber wie schon vor hundert Jahren.
Die kippende Kraft der hier im tropischen Gebiet übermächtigen Flutwelle war die Ursache der Katastrophe nach der Meinung der einen.
Der plastische Simauntergrund, vom wegtreibenden Amerikakontinent gezerrt, die Atlantisscholle einsaugend in gigantischem Erdbeben, verschlingend, so lautete die Meinung der anderen. Eine dritte Meinung gab es noch, an die Apokalypse in der Bibel anknüpfend, daß ein Mondgestirn der Erde niederstürzend Atlantis begrub oder ein neu eingefangener Mond, die Erdachse aus ihrer Lage drängend, die Katastrophe durch stürzende Meeresfluten bedingte.
Keine Lösung, die befriedigen, die sichere Antwort geben konnte auf das, was jetzt zu erwarten stand. Ein Heer von Reportern kreiste in Flugzeugen über den Azoren … über der Stätte des alten Atlantis. Die Aufnahmekameras sendeten unaufhörlich Bilder von dort unten in alle Welt.
Stieg das Land weiter aus dem Meer? Ein Fiebertaumel hatte die ganze Welt ergriffen. Unaufhörlich kamen Meldungen und Bilder der Berichterstatter von den Azoren. Ihre Flugzeuge kreisten in immer größer werdendem Schwarm über dem Atlantik. Sie hielten sich niedrig, die Kamera so nahe wie möglich auf das Objekt gerichtet.
Sie sahen nicht das einsame Flugzeug, das hoch, weit über ihnen, an des Äthers Grenze, still in Riesenkreisen dahin zog.
Den dritten Tag schon flog oben der rätselhafte Unbekannte.
Das Flugzeug zog, automatisch gesteuert, seine Bahn Tag und Nacht.
Der Einsame saß darin an seinen Apparaten. Keinen Schlaf, keine Speise, kein Trank. Das Werk mußte in einer Tat vollendet sein.
Er ging zum Fernseher, bewegte den Mechanismus. Dessen Strahlen trafen den Meeresgrund, drangen in ihn ein. Unter Schlick und Sand lagen die Ruinen und Reste von Atlantis, der Hauptstadt des Landes, die Ruinen der Paläste und Tempel.
Sein Geist flog rückwärts durch die Jahrtausende. Die Hauptstadt Atlantis. Das Gewirr der Häuser, von unzähligen Straßen durchzogen.
Buntes Leben und Treiben dann. Die geöffneten Basare, Magazine, Lagerhäuser. Alle Waren der Welt boten ihre Auslagen den Käufern, die das Land, die Welt sandten.
Die Menschen aller Rassen, aller Farben. Im Hafen lagen Tausende von Schiffen, die aus Osten und Westen aus Norden und Süden hier gelandet um Handel zu treiben. Vom Osten her nahend eine große Flotte. Die Menge am Hafen sie begrüßend, Tücher schwenkend jubelnd. Die Königin Kleito erwartend, die vom siegreichen Krieg zurückkehrte. Die phönizische Macht gebrochen, ihre Besitzungen in westlichem Europa und Afrika in der Hand von Atlantis.
Die Tore der siebenfachen Mauer um die Stadt durchbrochen, erweitert für den Einzug der siegreichen Königin. Bei Marsilia die große Schlacht. Ungeheure Beute brachten die Schiffe mit. Der Triumphzug der Sieger zum Sonnentempel … zum siebentorigen Haus der Welt. In der Mitte des Zuges die Königin, getragen von den Fürsten der Besiegten.
Die Stadt, das ganze Land ein Jubel, ein Siegestaumel. Der letzte, der schlimmste Aufstand bezwungen. Ost und West zu Füßen des siegreichen Atlantis. Von Norden und von Süden ankommend die Sendlinge der Mächtigen, die freiwillig Tribut boten. Atlantis die Siegerin, die Herrscherin der Welt. Kern Feind, der ihr widerstand. Ein einziges mächtiges Reich von Peru bis Ägypten. Der Sonnentempel, nie sah er so viel Blut zu Ehren der Gottheit fließen wie an diesem Tage.
Im Festesglanz der tausend Fackeln der Palast der Königin. Auf dem goldenen Thron die Herrscherin geschmückt mit Perlen und Edelsteinen. Das kühne, stolze Antlitz hoch aufgereckt, die Augen in der Runde, zu den Helden, die vor ihr knieten. Wer war der Würdigste, von der Königin gekürt zu werden als Gemahl?
Heute die letzte Frist. Die Gottheit, die Priesterschaft wollte es. Und sie wußten es, die Helden zu ihren Füßen der Sieg über den mächtigen, den letzten Feind, ihr Werk!
Jeder sah im Kampf das Ziel, der Würdigste zu sein, gekürt zu werden, Herrscher von Atlantis, Herrscher der Welt. Die Herrscherin stand, starrte. Die Rechte hob leicht den dichten Schleier, der ihr Gesicht bedeckte. Kein Sterblicher, der ihr Antlitz sehen durfte, als der, der würdig war, sie zu besitzen …
Die Helden zu ihren Füßen, sie kannte sie alle, die da knieten, harrten.
»Amiras! Ich sehe dich nicht! Wo bist du?«
Die Häupter vor ihr hatten sich noch tiefer gebeugt. Im Hintergrund wurde der Vorhang zurückgeschlagen. Von Kriegern getragen ein wunder Mann. Das junge, bleiche Gesicht zum Thron gewandt.
»Hier ist Amiras, Königin!«
Die hatte den Schleier heruntergelassen, die Röte zu verbergen.
»Amiras! Mein Gemahl! Die Götter beschützen ihn!«
Und wie wenn Zauberhand die Wunden geschlossen, geheilt … Amiras war aufgesprungen, zu ihr hinaufgeeilt zum Thron, war niedergekniet.
»Königin du! Königin von Atlantis … Königin deines Sklaven!«
Neun Monde waren vergangen, der Erbe geboren. Stadt und Land Atlantis im Jubel. Aufhorchend die Welt … der neue Herrscher geboren.
Im Saal des Palastes König und Königin. Die Abgesandten der Welt zu ihren Füßen. An der Schwelle des Saales drei Männer, fremd an Gesicht, fremd an Gewand. Aus fernem Osten, wo der Sonne Lauf beginnt. Ihre Hand, Gaben bringend, die niemand in Atlantis kannte …
Da … Weltuntergang! Weltwende! Die Meeresfluten, vom Hafen, von allen Seiten herstürzend über Atlantia, die Stadt, über Atlantis, das Land … begrabend alles in wildem Stürmen und Tosen …
… Weltuntergang? … Eine Wiege in goldenem Glanz, schaukelnd im Toben der Elemente …
Ein riesenhafter Vogel, von Osten kommend, sich zu ihr niedersinkend, sie deckend in dunklen Schatten. Stürzende Wellen … verschwunden die Wiege, der Erbe von Atlantis … Inkarnation …
Über das Toben der Elemente hinaus der schwingende Flug eines Adlers … Erbe der versunkenen Welt … der versunkenen Nacht … aufsteigend in steilem Flug der Sonne zu, der Spenderin neuen Lebens, neuer Macht … weiterlebend in neuer Inkarnation.
Er da oben im Flugzeug die letzte Inkarnation … Nirwana … letztes Paradies … Ruhe … die Schultern befreit von der schweren Last.
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